Die Bundespräsidentin teile viele der von Vance formulierten Werte, sagt sie in einem Interview. Vonseiten der Grünen und der GLP gibt es für diese Aussagen Kritik – auch der Parteikollege Pascal Couchepin distanziert sich.
Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter hat die Rede von Trumps Vizepräsidenten J. D. Vance an der Münchner Sicherheitskonferenz als «Plädoyer für die direkte Demokratie» bezeichnet. Sie teile viele der von Vance erwähnten Werte, sagte sie am Samstag in einem Interview mit der Zeitung «Le Temps».
Vance habe über «liberale Werte» gesprochen, die es zu verteidigen gelte. Und weiter: «Es war ein Bekenntnis zur direkten Demokratie und zur Freiheit der Meinungsäusserung. In diesem Sinne war seine Rede in gewisser Weise sehr schweizerisch.» Zudem habe Vance zum Ausdruck gebracht, dass man nicht nur andere Meinungen anhören, sondern sich auch dafür einsetzen solle, dass sie geäussert werden dürften.
J. D. Vance sagte am Freitag bei seinem Auftritt in München, in Europa schwinde die Meinungsäusserungsfreiheit. Seine grösste Sorge gelte nicht Russland oder China, sondern dem Rückzug Europas von einigen seiner grundlegendsten Werte.
Ohne explizit die AfD zu nennen, kritisierte er den Umgang mit politischen Bewegungen am rechten Rand und sagte: «Es gibt keinen Platz für Brandmauern.» Die Demokratie basiere auf dem Prinzip, dass die Stimme des Volkes zähle. Entweder man erhalte dieses Prinzip aufrecht oder nicht. Wie beim Trump-Friedensplan reagierten viele europäische Politikerinnen und Politiker auch hier empört. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius wies die Aussagen Vance’ als «nicht akzeptabel» zurück.
«Nein, Frau Bundespräsidentin»
In der Schweiz reagieren nun verschiedene Parteien mit deutlichem Widerspruch, nachdem Karin Keller-Sutter dem Auftritt von Vance positive Aspekte abgewonnen hatte. «Nein, Frau Bundespräsidentin, die Aussagen von J. D. Vance sind nicht schweizerisch», heisst es in einer Mitteilung der Grünen. Einer Rede, in der die Nachbarländer und europäischen Partner angegriffen würden, so viel Wertschätzung entgegenzubringen, «ist der Schweiz nicht würdig».
Der Mitte-Präsident Gerhard Pfister antwortete auf der Nachrichtenplattform X mit deutlichen Worten auf Keller-Sutters Aussagen: Er könne, «bei allem Respekt vor der Bundespräsidentin», in der Rede des amerikanischen Vizepräsidenten nicht viel Liberales erkennen. In den USA gebe es weder direkte Demokratie noch Koalitionsregierungen.
Die GLP-Nationalrätin und -Fraktionspräsidentin Corina Gredig schrieb auf X, die Rede als liberal zu bezeichnen, sei «absurd». Die Diktaturen Russlands und Chinas seien die Bedrohung von Freiheit und Demokratie. Vance’ angebliche grösste Gefahr aus dem Inneren sei eine klare «Verharmlosung autoritärer Aggressoren».
Pascal Couchepin geht auf Distanz
Auch innerhalb der FDP gibt es kritische Stimmen. Alt-Bundesrat Pascal Couchepin ging auf Distanz zu Keller-Sutter. Gegenüber dem «Sonntags-Blick» sagte Couchepin, Keller-Sutter zeige wenig Interesse an der liberalen Philosophie. Er widersprach Vance’ Sichtweise, wonach einer Demokratie die grösste Gefahr von Feinden im Inneren drohe. Couchepin sagte zudem, der Liberalismus sei mehr als eine Wirtschaftsdoktrin. Er erfordere langfristiges Denken und die Wertschätzung von Institutionen. «Ich sehe in Washington derzeit keine liberale Haltung, sondern eine Facette von Amerika mit imperialistischen Zügen.»
Laut Keller-Sutters Sprecher Pascal Hollenstein hat sich die Bundespräsidentin mit ihrer Zustimmung ausschliesslich auf den Aspekt der Meinungsäusserungsfreiheit und der demokratischen Teilhabe in Vance’ Rede bezogen – dies werde aus dem Wortlaut des Interviews klar.