Der ehemalige Strabag-Chef Haselsteiner ist einer der wichtigsten Teilhaber der insolventen Signa-Gruppe. Der millionenschwere Unternehmer und Mäzen glaubt, am Schluss werde die Anzahl der Gläubiger überschaubar und ihr Verlust bescheiden sein. Dennoch räumt er Fehler ein.
Immerhin, seinen Humor hat Hans Peter Haselsteiner noch nicht verloren. «Das wollen Sie gar nicht wissen», antwortete er am Mittwochabend dem ORF-Journalisten Armin Wolf auf die Frage, was ihn die Insolvenzen des Signa-Imperiums kosten würden. «Schmerzhaft teuer» sei sein Engagement im taumelnden Firmenreich von René Benko jedenfalls. Dennoch wirkte der 79-jährige Tiroler gelassen im ersten Interview, das er seit den Insolvenzanträgen der wichtigsten Signa-Unternehmen gab.
Haselsteiner ist einer der grössten Investoren der Gruppe, er hält 15 Prozent an der Dachgesellschaft Signa Holding und 9 Prozent an der Immobilienfirma Signa Development. Er gilt deshalb auch als Schlüsselfigur für das Gelingen einer Sanierung der Unternehmen.
«Sie müssen kein Mitleid an den Tag legen»
Dafür sucht der mit der Abwicklung betraute neue Signa-Vorstand Erhard Grossnigg von den bisherigen Investoren mindestens 150 Millionen Euro, um die wichtigsten Bauprojekte in den kommenden Monaten fortführen zu können und so zu einem besseren Preis zu verkaufen, als wenn man sie sofort verwerten müsste. Haselsteiner ist dazu bereit, denn er wolle nicht, «dass man jetzt Schnäppchenjäger und Aasgeier hinlässt». Er erklärte im Interview, er wolle der Signa Development bis zu 25 Millionen Euro zur Verfügung stellen.
Wenn die Gläubigerversammlung dieses Angebot annehme, würde das seiner Ansicht nach bei der auf Projektentwicklung spezialisierten Gesellschaft für ein geordnetes Verfahren ausreichen. Bei der Signa Prime, zu der unter anderem der Hamburger Elbtower und das Goldene Quartier in Wien gehören, werde er sich indes nicht beteiligen. Er wolle sich nicht von den «unbestritten schönen und grossen» Immobilien verleiten lassen. Dennoch äusserte er sich zuversichtlich, dass bei diesen beiden wichtigsten Gesellschaften mit neuen Finanzmitteln Insolvenzen weiterer Tochtergesellschaften abgewendet werden können. So liessen sich in einem ordentlichen Verwertungsprozess die Erlöse optimieren.
Über die Geschädigten der grössten Pleite in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte äusserte sich Haselsteiner recht nonchalant. Gelinge die Sanierung, sei die Anzahl der Gläubiger überschaubar, und sie müssten bescheidene Verluste hinnehmen. Die Verlierer seien die Investoren und institutionelle Anleger, die alle über die nötige Expertise verfügen sollten und sich selbst an der Nase nehmen müssten. Eine breite Schädigung von Gläubigern finde nicht statt. «Sie müssen nicht unbedingt Mitleid an den Tag legen», erklärte der Teilhaber.
Es sind die Worte eines Mannes, der es sich leisten kann, mit Millionen grosszügig umzugehen. In Österreich ist die Bezeichnung «Baulöwe» zwar gemeinhin für den mittlerweile eher clownesk auftretenden Unternehmer Richard Lugner reserviert, der mit wechselhaftem Privatleben und prominenten Begleiterinnen am Opernball Schlagzeilen macht. Sie passt aber für Haselsteiner besser, der nach einem Studium der Handelswissenschaften in Wien 1972 in die Kärntner Baufirma seines Schwiegervaters eintrat. Aus diesem Unternehmen schuf er durch Übernahmen und Fusionen den Konzern Strabag, der innert drei Jahrzehnten zu einem der grössten Baukonzerne Europas mit knapp 74 000 Mitarbeitern und über 17 Milliarden Euro Umsatz aufstieg.
Haselsteiner war von 2006 bis 2013 Vorstandsvorsitzender der Strabag, deren grösster Anteilseigner seine Familienstiftung ist. Seit einem Jahr führt sein dritter Sohn Klemens das Unternehmen. Haselsteiner ist zudem Hauptaktionär des privaten Bahnunternehmens Westbahn, das auf Österreichs lukrativer Weststrecke seit 12 Jahren die ÖBB konkurrenziert – und damit auch eine wichtige Auftraggeberin der Strabag.
Mindestens so bekannt ist der Unternehmer in Österreich aber für sein politisches und gesellschaftliches Engagement. Von 1994 bis 1998 sass er selbst im Parlament als Abgeordneter des Liberalen Forums (LIF). Die liberale Partei verpasste danach den Wiedereinzug in den Nationalrat und ist inzwischen in der Partei Neos aufgegangen, die seit 2013 im Parlament ist und die Haselsteiner mit Hunderttausenden von Euro unterstützt hat. Er spendete auch viel Geld für die Flüchtlingshilfe oder eine Obdachloseneinrichtung, gründete die Albertina modern mit und ist Hauptsponsor sowie Präsident der Tiroler Festspiele Erl.
In dieser Funktion geriet Haselsteiner in die Kritik, weil er den Festivalgründer und Intendanten Gustav Kuhn gegen Vorwürfe sexueller Belästigung verteidigte und lange an ihm festhielt. Das Strafverfahren gegen den Dirigenten wurde indes eingestellt, teilweise wegen Verjährung. Im Lauf der Affäre wurden auch arbeitsrechtliche Missstände bekannt.
Ein gut vernetzter Zahlenmann
Negative Schlagzeilen bescherte nach Russlands Einmarsch in der Ukraine auch der Minderheitsanteil des russischen Oligarchen Oleg Deripaska an der Strabag. Nachdem dieser im Zuge des Kriegs mit Sanktionen belegt worden war, entzogen die übrigen Eigentümer ihm die Mitspracherechte. Der Putin-Vertraute hält aber immer noch knapp 28 Prozent am Unternehmen, die demnächst allerdings die Raiffeisen Bank International übernehmen könnte. Der Deal muss allerdings noch von mehreren Behörden genehmigt werden.
Haselsteiner ist seit Jahrzehnten Teil der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Elite in einem kleinen Land, in dem man sich kennt. Der Signa-Gründer Benko ist Tiroler wie er selbst, der ehemalige Bundeskanzler und Aufsichtsratsvorsitzende Alfred Gusenbauer ein «Uraltfreund». In Benkos Geschäftsmodell haben sich auch andere erfahrene Manager getäuscht. Dennoch erstaunt Haselsteiners Risikobereitschaft bei der Signa rückblickend, wird er doch als «mit allen Wassern gewaschener, beinharter Zahlenmann» beschrieben.
Im ORF-Interview räumt er Versäumnisse ein. «Wie konnte mir das passieren?» Er frage sich selbst, warum er nicht kritischere Fragen gestellt habe. «Das vertiefte Prüfen wäre vielleicht sinnvoll gewesen.» Allerdings habe die Signa über lange Zeit viel Geld verdient und viel Erfolg gehabt. Als für das Geschäftsmodell disruptive Ereignisse nennt Haselsteiner den Krieg in der Ukraine, den Energieschock, die Inflation und den Anstieg der Zinsen. Das betreffe die ganze Branche – die Insolvenz der Signa sei nur die grösste und prominenteste.
Managementfehler sieht er dennoch: die Übernahme der britischen Luxuswarenhauskette Selfridges etwa, den Kauf des Chrysler Building in New York oder den Einstieg in den Handel. Er sei nicht alert genug gewesen, dies zu verhindern. Er habe einem Geschäftsmodell vertraut, das hochriskant war. «Es ist eine veritable Niederlage», so Haselsteiner.