Nach fünf Jahren sprach erstmals wieder ein chinesischer Botschafter an der grössten Hochschule der Schweiz. Diese wollte einen offenen Austausch sicherstellen.
Am Donnerstag fand in der Aula der Universität Zürich ein «China Day» statt. Es war das erste Mal seit 2018, dass ein chinesischer Botschafter an der Universität eine Rede hielt. Wang Shiting nutzte die Gelegenheit, den Wirtschaftsstandort China anzupreisen. Doch im Laufe des Vortrags, welcher laut Ankündigung Chinas Innovationskraft und Entwicklungsaussichten zum Thema haben sollte, rutschte der Botschafter immer mehr in die Geopolitik ab. Er kritisierte die USA und die EU für ihre Chinapolitik und präsentierte den Plan der chinesischen Regierung für eine neue Weltordnung.
Zwei Fragen aus dem Publikum
Kritische Fragen zu seinen Ausführungen waren offenbar nicht erwünscht. Die Studierenden des Weiterbildungsprogramms European and Asian Business Management, das die Veranstaltung organisiert hatte, seien kurz vor Beginn von der Studienkoordinatorin instruiert worden: Nur Fragen, die das angekündigte Thema des Vortrags des Botschafters beträfen, sollten gestellt werden. Es habe Druck von der Botschaft gegeben, heisst es aus Studentenkreisen. Xinhua Wittmann, die Direktorin des Weiterbildungsprogramms, sagte auf Anfrage, sie wisse nichts davon.
Am Ende liess die Moderatorin der Veranstaltung zwei Fragen aus dem Publikum zu. Eine chinesische Studentin fragte etwa, ob der Botschafter Ratschläge für sie habe für ihr Leben nach dem Studienabschluss. Der Grossteil der Teilnehmenden waren Studierende aus Fernost.
Bild- und Tonaufnahmen verboten
Die Universität war darauf bedacht, einen Eklat wie beim letzten Auftritt eines chinesischen Botschafters im Jahr 2018 zu verhindern. Damals hatte eine Person von der Entourage der Botschaft die Fragenden gefilmt, wie eine Recherche des Fernsehmagazins «10 vor 10» zeigte. Die Universität hatte diesmal dafür gesorgt, dass sich solche Einschüchterungsversuche nicht wiederholten. Mitarbeiter des Sicherheitsdiensts patrouillierten in der Aula und auf der Tribüne. Die Teilnehmenden wurden mehrfach darauf hingewiesen, dass Bild- und Tonaufnahmen verboten seien.
«Die Universität Zürich ist ein Ort des offenen Austauschs», hatte der Prorektor der Universität, Christian Schwarzenegger, im Vorfeld gegenüber der NZZ bekräftigt. Schwarzenegger hielt an der Veranstaltung die Eröffnungsrede.
Am Anlass sprachen auch Vertreter der Wirtschafts- und Investitionsförderung des Kantons, der CEO von Huawei Schweiz und mehrere chinesische Unternehmer. «Der heutige China-Tag an der Universität Zürich ist sehr bedeutsam», sagte der Botschafter.