Der Stadler-Patron soll laut dem Bundesverwaltungsgericht mit einem unzulässigen Trick bei seinem Chalet in St. Moritz Steuern gespart haben. Nun wehrt sich Spuhler und zieht vor Bundesgericht.
Peter Spuhler geht es ums Prinzip. Die 865 495 Franken, um die sich der Gerichtsprozess dreht, schmerzen den Unternehmer nicht, das Vermögen des Stadler-Rail-Präsidenten soll rund 4 Milliarden Franken betragen. Und auch die geschätzten 170 000 Franken Verzugszinsen, die er laut einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts inzwischen noch schuldet, ärgern ihn kaum.
Ihm geht es wohl um etwas anderes: Peter Spuhler, der Inbegriff des Schweizer Unternehmertums, der Patron alter Schule, lebt derzeit mit dem Makel, Steuern umgangen zu haben. Dies besagt das im Januar publizierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Ein Urteil, das er nicht nachvollziehen kann und das er auch grundsätzlich falsch findet. Es stelle ihn «und Tausende unbescholtene Bürger unter Generalverdacht».
Ein seit 2021 andauernder Streit
Das Verdikt des Bundesverwaltungsgerichts ist der vorläufige Höhepunkt in einem seit 2021 schwelenden Streit Spuhlers mit der Eidgenössischen Steuerverwaltung. Sie feiert einen Etappensieg, erhält sie vom Bundesverwaltungsgericht doch vollumfänglich recht.
Das Gericht wirft Spuhler vor, er habe bei seinem Luxuschalet in St. Moritz eine unzulässige juristische Konstruktion errichtet, mit der er Steuern umgangen habe. Peter Spuhler wird dieses Urteil nun ans Bundesgericht weiterziehen, wie er der NZZ bestätigt – auch, «um wieder für Rechtssicherheit zu sorgen».
Die Geschichte nahm 2017 ihren Anfang. Damals kaufte Spuhler einer Erbin der Automobilfamilie Opel eine Villa in St. Moritz ab. Der Erbin gehörte die Villa nicht direkt, sondern sie hielt diese über eine in Liechtenstein beheimatete Immobilien-AG. Solche Konstruktionen werden oft genutzt, weil sie Besitzern steuerliche Vorteile bieten oder die Vererbung von Immobilien erleichtern.
Die Erbin bestand darauf, dass Spuhler die AG übernimmt – wohl, weil sie dadurch steuerliche oder administrative Vorteile hatte. Spuhler war das zwar nicht recht, wie er sagt. Doch nur so konnte er die 1870 gebaute Liegenschaft überhaupt erwerben.
Nach dem Kauf zügelte Spuhler die Immobilien-AG in die Schweiz und meldete sie bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung als mehrwertsteuerpflichtiges Unternehmen an. Die Steuerverwaltung akzeptierte das und gewährte ihr laut Spuhler auch den sogenannten Vorsteuerabzug: Unternehmen dürfen die Mehrwertsteuer, die sie selbst zahlen, in bestimmten Fällen wieder zurückfordern. Dadurch wird sichergestellt, dass nur der Endverbraucher die Steuer tatsächlich trägt.
Spuhlers Chalet-Aktiengesellschaft konnte sich so die Mehrwertsteuer auf die millionenteuren Renovationskosten zurückerstatten lassen – genau 865 495 Franken.
«Völlig überraschend» Geld zurückverlangt
Doch 2021 verlangte die Steuerverwaltung die Abzüge zurück. Laut Spuhler kam das «völlig überraschend und vier Jahre nach dem ursprünglichen, positiven Entscheid».
Das wollte Spuhler nicht auf sich sitzen lassen. Er bezahlte das Geld unter Vorbehalt zurück und wehrt sich seither juristisch.
Der Streit dreht sich insbesondere um die Nutzung des Chalets. Diese sei auch geschäftlich erfolgt, argumentiert Spuhler. Das Haus hat zwei Büros und zwei Sitzungszimmer samt Anlagen für Video-Calls, die laut Spuhler häufig verwendet wurden.
In den Räumen fanden Meetings, Strategie-Workshops und Nachtessen mit Vertretern von Firmen statt, an denen Spuhler beteiligt ist, Stadler Rail etwa oder das Immobilienunternehmen Allreal. Auch Spuhlers Frau, die Unternehmerin Daniela Spuhler, arbeitete im Chalet.
Spuhler sagt, es sei von Beginn weg der Plan gewesen, das Chalet auch zum Arbeiten zu nutzen – unter anderem mit Blick auf berufliche Verpflichtungen, die nach seiner Pensionierung weitergehen.
Spuhler: gar keine Steuern gespart
Spuhler argumentiert zudem, dass er mit der Aktiengesellschaft gar keine Steuern gespart habe: Hätte er die Villa wie ursprünglich geplant privat gehalten, hätte er die Sanierungskosten von seinem Einkommen abziehen können. Dies gelte insbesondere, seit das Bundesgericht im Februar 2023 die Abzugsmöglichkeiten für werterhaltende Sanierungen bei Privatpersonen erweitert habe.
Das Verwaltungsgericht weist in seinem Urteil vom Januar Spuhlers Argumente allerdings zurück. Dabei stützt es sich auch auf eine Begründung, die dem Laien auf den ersten Blick weltfremd erscheinen mag: Entscheidend sei nicht, ob Spuhler selbst Geschäftspartner empfangen habe. Sondern ob die Aktiengesellschaft des Gebäudes dies als Teil ihrer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit getan habe.
Doch das sei hier nicht der Fall gewesen, denn die Chalet-Aktiengesellschaft habe gar nichts mit den anderen beruflichen Tätigkeiten Spuhlers zu tun. Tatsächlich ist die Immobilien-Aktiengesellschaft des Chalets nicht Teil von Spuhlers PCS-Holding.
Zudem argumentiert das Bundesverwaltungsgericht, dass Spuhler durch die Konstruktion insgesamt deutlich Steuern gespart habe – ganz entgegen seinen Beteuerungen.
Wie beurteilen Experten den Fall? Adriano Marantelli ist Professor für Steuerrecht an der Universität Bern. Er sagt, es sei nicht grundsätzlich überraschend, dass die Steuerverwaltung 2021 Geld von Spuhler zurückgefordert habe. Sie habe damals wohl reagiert, weil sie gemerkt habe, dass Peter Spuhlers St. Moritzer Immobiliengesellschaft ein grosses Guthaben gegenüber der Steuerverwaltung gehabt habe. «Die Steuerverwaltung wollte dann abklären, ob sie Spuhler das Geld tatsächlich schuldet, was nicht ungewöhnlich ist», sagt Marantelli.
Wie schätzt Marantelli Spuhlers Argument ein, er sei mit der gewählten Konstruktion steuerlich gar nicht besser gefahren? «Das ist möglich, ist aber von Fall zu Fall unterschiedlich», sagt Marantelli.
Vor allem aber gibt er zu bedenken, dass Gerichte diesem Argument üblicherweise nur wenig Gewicht zumessen. «In der Regel fokussieren die Gerichte darauf, ob sich eine Partei bei einer spezifischen Steuer wie der Mehrwertsteuer einen unzulässigen Vorteil verschafft hat», erklärt er. Die Gerichte würden dabei nicht prüfen, ob jemandem aus der gewählten juristischen Konstruktion bei anderen Steuern wie zum Beispiel der Einkommenssteuer Nachteile entstanden seien.
Spuhler ist nicht chancenlos
Wie stehen demnach Spuhlers Chancen vor dem Bundesgericht? Laut Marantelli ist es beim Thema Steuerumgehung schwierig vorauszusagen, was das Bundesgericht beschliessen wird. Aber völlige Rechtsunsicherheit herrscht offenbar nicht. Im Jahr 2018 fällte das oberste Gericht nämlich bereits einen Entscheid in einer ähnlichen Sache. Angesichts dieses Urteils würde es Marantelli eher überraschen, wenn das Bundesgericht den Entscheid des Verwaltungsgerichts kippt – und damit Spuhler recht gibt.
Doch in Stein gemeisselt ist das laut Marantelli nicht. Darauf deutet ein Detail beim Urteil des Bundesgerichts aus dem Jahr 2018 hin. Das Richterkollegium fällte seinen Entscheid damals nicht in einer Dreier-, sondern in einer Fünferbesetzung. Das kann laut Marantelli ein Hinweis darauf sein, dass der Fall auch unter den Richtern umstritten war. Womit es durchaus denkbar wird, dass das Gremium sieben Jahre später seine Meinung wieder ändert.
Spuhler ist also zumindest nicht chancenlos. Das Bundesgericht ist für ihn aber ohnehin nicht die letzte Station: Je nach dessen Urteil «muss die bestehende steuerliche Ungleichbehandlung durch die Politik aufgearbeitet werden», sagt er.