Peter Navarro gilt als Architekt von Donald Trumps gnadenloser Zoll-Diplomatie. In dessen erster Präsidentschaft wurde er von moderaten Ministern eingehegt. Vier Jahre und eine Gefängnisstrafe später dringt er ungefiltert zu Trump durch.
Stahl, Medikamente, alles aus Mexiko: In Washington vergeht keine Woche, ohne dass Donald Trump neue Zölle androht. Orchestriert wird die Kampagne von einem Berater, der schon lange zu Trumps Einflüsterern gehört, aber oft von moderateren Kräften gebremst wurde: Peter Navarro.
Jetzt ist er ganz vorn dabei, wenn Trump Dekrete unterschreibt, die geeignet sind, das Welthandelssystem, wie es die USA seit dem Zweiten Weltkrieg gepflegt hatten, zum Einsturz zu bringen.
Entwicklungshelfer und Ex-Demokrat
Navarro wuchs in bescheidenen Verhältnissen bei seiner Mutter auf, erst in Florida und später in Maryland. Sein Vater war Saxofonist und Klarinettist und war mit seiner Jazzband im ganzen Land unterwegs. Die Eltern liessen sich scheiden, als der Sohn Peter neun Jahre alt war.
Nach seinem Bachelor-Abschluss 1972 von der Tufts University war er drei Jahre für das US Peace Corps, eine staatliche Entwicklungshilfeagentur, in Thailand stationiert. Wie viele Studenten wollte Navarro durch die Welt reisen und fremde Kulturen erkunden. Später studierte und doktorierte er in Wirtschaftswissenschaften an der Harvard University. 1989 wurde er als Wirtschaftsprofessor an die University of California in Irvine berufen. Dort blieb er zwanzig Jahre, bis zu seiner Emeritierung.
Navarro war lange ein Mitglied der Demokraten und verfolgte eigene politische Ambitionen. 1992 wollte er mit einer – wie er selbst sagte – «populistischen Kampagne» Bürgermeister von San Diego werden. In der akademischen Welt und in der Politik war Navarro ein Aussenseiter. Auch als er vor über zwanzig Jahren erstmals vor der wirtschaftlichen Gefahr warnte, die von China ausgeht.
Navarro schrieb mehrere Bücher zum Thema, die vom Establishment weitgehend ignoriert wurden. Ein Immobilienmogul namens Donald Trump las jedoch mit grossem Interesse. Die beiden begannen, sich auszutauschen.
Kompromisslos, aber ausgebremst
Trump holte Navarro 2017 in sein Regierungsteam, um seinen Anspruch zu untermauern, eine harte China-Politik zu verfolgen. Die Chemie zwischen den beiden stimmte. Der emeritierte Professor war einer von wenigen Beratern, die die ganzen vier Jahre an der Seite von Trump bestritten. «Ich wurde vom Demokraten zum Trump-Republikaner», sagte Navarro jüngst der «New York Times». Beide würden sich im Kern für die amerikanische Arbeiterschaft einsetzen.
Der Präsident hatte für Navarro eine neue Stelle geschaffen: Direktor des Büros für Handel und Industriepolitik. Schon damals war er in Washington für seine kompromisslose Haltung und sein wenig konziliantes Auftreten gefürchtet. Wie Trump selbst sieht Navarro im Handelsbilanzdefizit, das die USA gegenüber zahlreichen Staaten aufweist, eine Schwäche, die es auszumerzen gilt.
Trotz seinem guten Verhältnis zum Präsidenten lief Navarro aber oft auf, weil die Wall-Street-Fraktion in der Regierung Trump von seinen protektionistischen Impulsen abbringen konnte. Einzig die China-Zölle sowie Importabgaben auf Aluminium und Stahl konnte er, in abgeschwächter Form, durchsetzen.
Navarro war damals schon der Ansicht, dass die USA Zölle nicht nur androhen, sondern sie ohne Federlesen einführen sollten – man könne ja nachher mit den Handelspartnern verhandeln. Er regte an, dass die USA jegliche Zölle der Gegenseite spiegeln sollen, und gelangte fast ans Ziel: Der Präsident forderte den Kongress 2019 in seiner «State of the Union»-Botschaft auf, ihm ein Mandat für die Einführung solcher Zölle zu geben. Das Parlament, dem damals auf republikanischer Seite viele Freihandelsbefürworter angehörten, wollte das nicht.
Nach Trumps Wahlniederlage 2020 schien auch Navarros Stern zu sinken. Er wurde zu einem der eifrigsten Verfechter der Lüge, dass die Wahlen gefälscht worden seien und die Demokraten den Sieg gestohlen hätten. Weil er sich weigerte, vor einem parlamentarischen Ausschuss auszusagen, wurde Navarro zu einer viermonatigen Gefängnisstrafe verurteilt, die er 2024 in Miami absass.
Am 17. Juli wurde er aus der Haft entlassen und reiste schnurstracks nach Milwaukee, wo die Republikaner ihren Parteitag abhielten. Navarro durfte eine Rede halten und wurde von Trumps Fans als «Märtyrer» gefeiert. Trump belohnte die Treue seines Gefolgsmanns, indem er ihn nach dem Wahlsieg erneut zur Schlüsselfigur im Handelsteam machte.
Zweiter Anlauf
Navarro hatte in der Zwischenzeit ein Kapitel zur Handelspolitik im umstrittenen «Project 2025» geschrieben – eine Handlungsanleitung, welche die konservative Heritage Foundation 2022 vorbereitet hatte für den nächsten republikanischen Präsidenten.
Der 75-jährige Navarro beschrieb darin zwei Hauptgefahren für die USA: China und die Meistbegünstigungsklausel der Welthandelsorganisation (WTO). Gegenüber Peking hat sich die Gangart bereits in Trumps erster Amtszeit sowie unter Joe Biden deutlich verschärft. Und die WTO ist schwer angeschlagen, weil die USA seit Jahren ihren Mechanismus zur Streitbeilegung blockieren. Die «reziproken» Zölle, welche die USA bald einführen wollen, sollen nun auch der Meistbegünstigungsklausel den Garaus machen.
Gemäss dem «Wall Street Journal» beklagen zahlreiche Senatoren Navarros grossen Einfluss, vor allem solche aus landwirtschaftlich geprägten Gliedstaaten, die bei Handelskriegen besonders getroffen würden. Doch da ist niemand, der Navarro Paroli bieten kann. Finanzminister Scott Bessent soll sich zwar für ein moderateres Vorgehen aussprechen, er dringt damit bei Trump aber nur selten durch.
Andere Impulsgeber in Zollfragen müssen noch durch den Senat bestätigt werden. Bei Handelsminister Howard Lutnick ist diese Bestätigung nun erfolgt. Jamieson Greer, der designierte US-Handelsbeauftragte, wartet noch darauf.
Doch profitiert Navarro auch davon, dass sich das politische Establishment seinen Ansichten angenähert hat – jenen von China, aber auch darüber hinaus. Unter den Republikanern und den Unternehmenschefs gibt es noch kaum Protest gegen Trumps brachiale Zoll-Strategie. «Ich denke, dass ich jetzt zum Mainstream geworden bin», sagte Navarro der «New York Times» und lachte. «Das ist beängstigend.»