Das Schicksal der Ukraine lag am Montag in französischen Händen: Bei einem Besuch im Weissen Haus versuchte Emmanuel Macron den US-Präsidenten von einem schlechten Deal mit Putin abzubringen. Doch der tiefe transatlantische Graben zeigt sich auch in der Uno.
Vor rund 250 Jahren gewannen die USA ihren Unabhängigkeitskrieg gegen das britische Königreich dank französischer Waffenhilfe. Nun reiste der französische Präsident Emmanuel Macron am Montag nach Washington, um seinen amerikanischen Amtskollegen Donald Trump davon zu überzeugen, die Werte der Freiheit in der Ukraine und in ganz Europa weiterhin zu unterstützen.
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz am Nachmittag betonten beide Präsidenten diese historische Verbundenheit. Trump bezeichnete Frankreich als «den ältesten Verbündeten der USA». Ihre beiden Länder hätten stets «auf der richtigen Seite» zusammengefunden, wenn es darauf angekommen sei, sagte Macron. Der französische Präsident gab sich nach den Gesprächen optimistisch. Sie hätten «substanzielle Fortschritte» erzielt. Europa sei bereit, mehr für die Sicherheit in Europa zu leisten, betonte Macron. Aber um Russland abzuschrecken und einen dauerhaften Frieden zu erreichen, sei «die Solidarität und Unterstützung der USA entscheidend».
Rohstoffabkommen soll vor Einigung stehen
Trump selbst legte seinen Fokus vor allem auf das Rohstoffabkommen mit der Ukraine, das derzeit ausgehandelt wird. Ein solcher Deal, der Amerika für seine Waffenhilfe an die Ukraine entschädige, müsse sein. Gemäss dem Nachrichtenportal «Axios» steht eine Einigung kurz bevor. Selenski könnte noch diese oder nächste Woche nach Washington kommen, um das Abkommen zu unterzeichnen, meinte Trump am Montag.
Macron handelte bei seiner schwierigen Mission indes nicht ganz allein. Am Sonntag sprach er sich einerseits mit dem britischen Premierminister Keir Starmer ab. Der Staatschef der zweiten europäischen Atommacht wird am Donnerstag in Washington erwartet. Am Montagmorgen nahm Macron im Weissen Haus zudem gemeinsam mit Trump an einer Videoschaltung mit den übrigen Anführern der G-7-Länder statt: Grossbritannien, Deutschland, Italien, Kanada und Japan.
Trump scheint den Krieg in der Ukraine möglichst schnell beenden zu wollen, indem er sich im Alleingang mit Russland verständigt und Kiew zu Konzessionen drängt. Macron verfolgte am Montag in Washington deshalb zwei Ziele: Erstens wollte er Trump klarmachen, dass ein strategischer Sieg für Russland in der Ukraine auch amerikanische Sicherheitsinteressen gefährdet. Zweitens ging es dem französischen Präsidenten darum, die europäische Bereitschaft zu signalisieren, noch mehr für einen stabilen Frieden in der Ukraine zu tun.
Im Vorfeld des Treffens am Montag erklärte Macron seine Strategie in einem Interview. So wollte er Trump auch in seinem Stolz treffen: «Ich werde ihm sagen: Tief im Inneren kannst du gegenüber Putin keine Schwäche zeigen. Das bist nicht du, und es ist nicht in deinem Interesse.» Trump verliere seine Autorität auch gegenüber China oder Iran, wenn er gegenüber Russland keine Stärke zeige.
Zudem brachte Macron in seinem Gepäck einen europäischen Plan mit, um einen langfristigen Frieden in der Ukraine zu sichern. Die Trump-Regierung hatte gefordert, dass europäische Friedenssoldaten eine weitere russische Aggression verhindern sollten. Frankreich und Grossbritannien zeigen sich bereit, insgesamt 30 000 Soldaten in die Ukraine zu senden. Paris und London versuchen Schweden, Dänemark, die Niederlande und die Balten davon zu überzeugen, sich ebenfalls an der Mission zu beteiligen. Allerdings fordern Macron und Starmer von den USA eine minimale Beteiligung, um Russland abzuschrecken: etwa bei der Logistik, der Sicherung des Luftraums oder durch Geheimdienstinformation.
USA stimmen gegen Russland-kritische Uno-Resolution
Die europäischen Soldaten sollen jedoch nicht an der Frontlinie, sondern in strategisch wichtigen Städten und Häfen stationiert sein, berichtet das «Wall Street Journal». Gleichzeitig würden die westlichen Verbündeten das ukrainische Militär weiterhin aufrüsten. Ohne einen Nato-Beitritt brauche es indes rund 200 000 westliche Friedenstruppen, um Moskau abzuschrecken, sagte kürzlich der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski. Auch dem ehemaligen amerikanischen Generalleutnant Ben Hodges reicht der derzeitige europäische Plan nicht aus. Friedenstruppen hinter der Frontlinie würden Russland nicht aufhalten, erklärte er dem «Journal». Es brauche einen gemeinsamen Verbund mit Drohnen, Drohnenabwehr und weitreichenden Waffen.
Der Plan für Friedenstruppen in der Ukraine scheitert momentan jedoch vor allem an Russland. Moskau lehnt die Stationierung von Soldaten aus Nato-Ländern bis anhin ab. Trump behauptete am Montag zwar, der Kremlchef Wladimir Putin sei bereit dazu. Doch bestätigt ist dies nicht. Um dies zu erreichen, müsste Trump vermutlich den Druck auf Putin erhöhen. Doch dazu scheint er momentan nicht bereit zu sein. Der amerikanische Präsident bezeichnete Selenski als «Diktator» und drängt in einem ersten Schritt auf ein Rohstoffabkommen mit der Ukraine ohne feste Sicherheitsgarantien für Kiew.
Der transatlantische Graben manifestierte sich am Montag derweil auch in der Generalversammlung der Uno. Drei Jahre nach Beginn der umfassenden Invasion in der Ukraine stimmten die USA gegen eine Resolution, welche die russische Aggression verurteilte und Moskau zu einem sofortigen Rückzug seiner Truppen aufforderte. Washington fand sich dabei auf der Seite von autokratischen Ländern wie Nordkorea oder Weissrussland. Richard Gowan, der Uno-Experte der Denkfabrik International Crisis Group, sprach von «der grössten Spaltung des Westens seit dem Irakkrieg – und vermutlich ist sie grundlegender».