Die Migros schliesst ihre Baumarktkette, weil sie keinen Käufer finden konnte. Das zeigt: Der Schweizer Fachmarkt mit breitem Sortiment hat ausgedient.
Es gab eine Zeit, da warb ein grosser Elektronikhändler in der Schweiz mit dem Satz «Das muss ich gleich dem Urs erzählen». Das war kurz nach der Jahrtausendwende, als die Laptops noch Diskettenlaufwerke hatten und der MP3-Player sechzig Lieder speichern konnte. Für die Geschäfte, die diese Produkte verkauften, waren es goldene Jahre. Die Konsumenten lebten im Schlaraffenland: Egal, ob sie einen Fernseher suchten, ein Snowboard oder eine Schleifmaschine – für fast jedes Bedürfnis existierte der passende Fachmarkt.
Auch die Migros, die grösste Detailhändlerin des Landes, mischte in diesem Bereich kräftig mit. Sie besass neben ihren Supermärkten auch Baumärkte, Sportartikelgeschäfte oder Elektronikhändler. Damit ist jetzt Schluss. Wie am Dienstag bekanntwurde, trennt sich die Migros nun auch von ihren letzten Fachmärkten.
Während das Möbelhaus Micasa dank einem Management-Buyout vorerst überleben kann, wird die Baumarktkette Do it + Garden eingestellt. Man habe «trotz intensiven Bemühungen» keinen Käufer gefunden, schreibt die Migros. Die Schliessung der 31 Standorte ist unschön: Für 466 Mitarbeitende muss eine Lösung gesucht werden, sonst kommt der Sozialplan zur Anwendung. Bereits verkauft hat die Migros in den vergangenen Monaten die Formate Melectronics, Sport X, Bike-World und Obi.
Zu wenig Kompetenz, zu wenig Skaleneffekte
Dass die grösste Detailhändlerin des Landes keinen Käufer für ihre Baumarktkette finden konnte, zeigt etwas Grundsätzliches auf: Der Schweizer Fachmarkt ist ein Auslaufmodell. Die Konsumenten finden heute viele Produkte im Internet. Und kaufen sie doch einmal etwas vor Ort ein, suchen sie lieber einen Spezialisten auf. Denn vielen Fachmärkten fehlt die nötige Kompetenz in den einzelnen Produktkategorien, weil sie im Gegensatz zu Nischenanbietern immer noch ein relativ breites Sortiment haben.
Hinzu kommt, dass die Schweizer Händler nicht im selben Umfang von Skaleneffekten profitieren, wie das die internationale Konkurrenz tut. Was das für Folgen haben kann, zeigte sich gerade erst bei Hotelplan: Das letzte grosse Schweizer Reisebüro wurde an einen Mitbewerber aus Deutschland verkauft. Auch bei den Baumärkten sind es mit Obi oder Hornbach internationale Ketten, die immer noch wettbewerbsfähig sind.
Dass Do it + Garden nun schliessen muss, ist deshalb ein Warnzeichen für die Konkurrenz aus der Schweiz – allen voran für den Detailhändler Coop: Er mischt mit dem Baumarkt Jumbo und dem Elektronikgeschäft Interdiscount ebenfalls im Fachmarktbereich mit. Angesichts der jüngsten Entwicklungen bei der Migros muss man sich aber fragen: wie lange noch?
Erst vergangene Woche betonte der Coop-Chef Philipp Wyss bei der Bilanzmedienkonferenz, dass er keine Absichten habe, seine Fachmärkte zu verkaufen. Das ist insofern nachvollziehbar, als Coop kurzfristig von den Schliessungen der Migros-Fachmärkte profitiert. Viele Kunden wechseln die Geschäfte. Doch es ändert nichts an der Tatsache, dass die Zukunft des Detailhandels kaum im Format des traditionellen Fachmarkts liegt.
Wer zu lange an veralteten Konzepten festhält, riskiert, am Markt vorbeizuwirtschaften. Die Migros musste das auf schmerzhafte Weise lernen und hat die Konsequenzen daraus gezogen. Ihr Hauptrivale Coop wird es ihr irgendwann wohl gleichtun. Ein solcher Schritt wäre denn auch eine konsequente Ausrichtung auf den Konsumenten: Sie brauchen keine verstaubten Geschäfte mehr, die Produkte anbieten, die es für weniger Geld auch im Internet zu kaufen gibt.
Vielmehr wollen sie dort abgeholt werden, wo sie sich längst aufhalten: im digitalen Raum. Coop und Migros haben mit den heutigen technologischen Möglichkeiten die Werkzeuge, ihre Kunden endlich wieder einmal zu überraschen. Ihnen etwas zu bieten, worüber sie abends am Küchentisch sprechen wollen. Und das sie auch gleich dem Urs erzählen würden.