The Market zeigt monatlich die Schweizer Unternehmen, die im Fokus der Leerverkäufer stehen. Diese setzen darauf, dass die Aktienkurse sinken werden. Neu auf ihrer Liste stehen Leonteq, Meyer Burger sowie Lindt & Sprüngli.
Die Favoriten der Short-Seller sind Ende Februar wie bereits im Januar: DocMorris, Swatch Group und Idorsia. Dieses Trio führt die Top Ten der Schweizer Shorts seit August an. Doch die Leerverkäufer haben ihren Einsatz erneut erhöht, nahezu die Hälfte aller Aktien von DocMorris sind nun in ihren Händen – so viel wie nie zuvor.
Ausgeschieden aus der Liste sind im Februar die Aktien von Mobilezone, U-Blox und AMS Osram. Neu dazugekommen sind Leonteq, Meyer Burger sowie die Partizipationsscheine von Lindt & Sprüngli.
Short-Seller leihen sich Aktien aus, verkaufen sie am Markt und hoffen, sich später günstiger mit den Titeln eindecken zu können, um sie dem Eigentümer zurückzugeben. Die Differenz aus dem Verkaufs- und dem Rückkaufskurs ist ihr Gewinn.
In der Schweiz werden die Short-Positionen nicht offiziell erfasst. The Market präsentiert deshalb im Monatsrhythmus die Erhebung von S&P Global Market Intelligence. Der Datenanbieter trägt das Volumen der ausgeliehenen Aktien zusammen.
DocMorris
DocMorris kämpft erneut: Es ist nur zwei Jahre her, als die Onlineapotheke nach monatelanger Hängepartie den finanziellen Kollaps abwenden konnte – zunächst mit Kapitalmassnahmen, dann mit dem Verkauf des Schweizer Geschäfts. Die verspätete Einführung des E-Rezepts in Deutschland, wovon sich das Unternehmen mit Sitz in Frauenfeld das grosse Geld versprach, hatte ihm fast das Genick gebrochen.
Mit Verzögerung wurde das E-Rezept nun deutschlandweit eingeführt, und DocMorris hatte ihre Finanzlage verbessert. Doch nun beschleunigt das Wachstum nicht so wie erhofft und vor allem weniger als bei der deutschen Konkurrentin Redcare Pharmacy. Das Geschäft mit verschreibungspflichtigen Medikamenten ist bei Redcare inzwischen fast doppelt so gross, und wächst dennoch um ein Vielfaches schneller.
Das dürfte die Schweizer weiterhin zu teuren Marketing-Anstrengungen zwingen – und angesichts schwachen Wachstums bei gleichzeitig steigenden Ausgaben das Thema Kapitalerhöhung erneut auf die Agenda bringen.
Die Short-Seller halten auf dieser Basis ihre Wetten gegen DocMorris hoch – es ist wohl der ideale Pair Trade: long Redcare, short DocMorris. Fast die Hälfte aller ausstehenden Aktien von DocMorris sind derzeit in den Händen der Leerverkäufer – ein Rekordwert und der unangefochtene Spitzenplatz bei den an der Schweizer Börse leerverkauften Aktien.
DocMorris hat allerdings Wandelanleihen ausstehend. Damit gibt es ausser der Spekulation auf einen sinkenden Kurs noch einen technischen Grund, Leerverkaufspositionen in den Aktien einzugehen: Wandelanleihen enthalten neben dem Zinscoupon eine Aktienkomponente. Investoren, die diese angesichts der starken Kursausschläge neutralisieren wollen, verkaufen die Aktien leer – ohne dabei aus Überzeugung auf einen sinkenden Kurs zu setzen. Dieser Mechanismus gilt ebenfalls für Idorsia, die Platz drei belegt und Meyer Burger, die diesen Monat in die Liste der grössten Schweizer Shorts zurückgekehrt ist.
Swatch Group
Seit März letzten Jahres befinden sich die Inhaberaktien von Swatch Group unter den zehn grössten Shorts. Im Oktober stiessen sie auf den zweiten Platz vor, und die Leerverkäufer haben seither weiter aufgebaut. Derzeit wetten sie mit 19% der Inhaberaktien gegen den Uhrenkonzern.
Swatch Group leidet seit mehreren Quartalen unter der schwachen Nachfrage nach Luxusgütern, vor allem in China, wo sie einen erheblichen Teil ihres Umsatzes erwirtschaftet.
Die Mitte Juli publizierten Zahlen zum ersten Halbjahr waren bereits miserabel ausgefallen. Noch dramatischer präsentiert sich der Jahresabschluss.
Gleichwohl hat der Konzern die Fertigung von Uhren nicht gedrosselt, im Gegenteil. Das Unternehmen produzierte unbeirrt weiter auf Halde, obwohl die Uhrenexporte auch in der zweiten Jahreshälfte unaufhaltsam zurückgingen, diejenigen in den wichtigen Absatzmarkt China sind 2024 um ein Viertel eingebrochen.
Swatch Group leidet unter der schwachen Führung. Konzernchef Nick Hayek schaltet und waltet in Biel, wie er will. Einen effektiven, unabhängigen Verwaltungsrat gibt es nicht. Auch das belastet die ohnehin gedrückte Bewertung der Swatch-Group-Papiere.
Idorsia
Auf Platz drei der Short-Lieblinge residiert im Februar unverändert Idorsia. Beim Biotechnologieunternehmen sind über 16% der ausstehenden Aktien ausgeliehen.
Die Basler befinden sich seit mehr als einem Jahr in finanzieller Schieflage. Hauptgrund ist der unerwartet schleppende Verkauf des Schlafmittels Quviviq. Deswegen drohte dem Unternehmen das Geld auszugehen, und es war klar: (Finanzierungs-)Lösungen müssen her.
Diese Woche hat das Unternehmen in mehreren Mitteilungen angekündigt, sich mit den Anleihegläubigern auf eine Verschiebung der Rückzahlung der inzwischen fällig gewordenen Papiere geeinigt zu haben. Mehr noch: Die Gläubiger stellen zusätzlich eine Kreditfazilität über 150 Mio. Fr. Auch hat Idorsia die Entwicklungskosten gesenkt, sodass sich das Unternehmen nun bis ins Jahr 2026 finanziert sieht, die Gewinnschwelle soll 2027 erreicht werden.
Diese Meldungen haben den Aktien jüngst Auftrieb verliehen – die Short-Seller allerdings (noch) nicht zum Rückzug veranlasst. Denn die Zugeständnisse der Partner und Gläubiger waren nicht gratis zu haben, sondern werden künftig zu einer Verwässerung des Gewinnpotenzials führen.
Adecco
Obwohl die Titel von Adecco diesen Herbst bereits beinahe ihr früheres Allzeittief erreicht hatten, bauten die Short-Seller ihre Wetten auf einen noch niedrigeren Kurs im Oktober massiv aus und erhöhten sie in den weiteren Monaten weiter – allein im Februar um weitere 50%. Das entspricht einem Aufstieg von Platz sieben im Vormonat auf Rang vier.
Der weitere Kursverlauf gab ihnen bislang recht – bis Adecco diese Woche die erwartete Dividendenhalbierung Tatsache werden liess, damit die Verschuldung endlich gesenkt werden kann. Der Kurs quittierte die Klärung dieser Frage mit einem Sprung nach oben, sodass die Aktien im bisherigen Jahresverlauf nun gar eine bessere Performance aufweisen als der breite Markt. Die Short-Seller sehen aber Argumente, dass dies nur ein Strohfeuer sein könnte.
Barry Callebaut
Barry Callebaut muss gleich mehrere Herausforderungen bewältigen: Unberechenbare Kakaopreise und die schwächelnde Konsumlaune belasten das Geschäft. Zudem steckt das Unternehmen in einer kostspieligen Restrukturierung, deren Erfolg sich erst im Lauf der nächsten Quartale abschätzen lässt.
The Market sieht Barry Callebaut derzeit im perfekten Sturm – deutet das mit Blick auf die lange Frist aber als Chance. Der weltgrösste Schokoladenproduzent dürfte gestärkt aus dieser Krise hervorgehen – auch wenn die jüngsten Kapriolen der Kakaopreise, die die Schulden steigen lassen und den Cashflow ins Negative gedreht haben, den Weg dahin verlängern. Die Short-Seller setzen derzeit vor allem auf letzteres und haben ihren Einsatz gegen Barry Callebaut im Februar erneut massiv um 60% ausgebaut: Das entspricht einem Aufstieg von Platz acht im Vormonat auf Rang fünf.
SIG Group
Trotz einem leichten Ausbau der Short-Positionen im Februar rutschte die SIG Group hinter Adecco und Barry Callebaut auf Rang sechs ab – einen starken Dämpfer erhielten diese Woche auch ihre Aktien.
Zwar hat der Hersteller von Abfüllanlagen und Getränkekartons die Erwartungen an die operativen Zahlen für das Geschäftsjahr 2024 erfüllt. Doch nun sorgt ein überraschender Rechtsstreit mit dem Grossaktionär Laurens Last – ehemaliger Eigentümer der 2022 übernommenen Scholle IPN und Verwaltungsratsmitglied von SIG Group – für Verunsicherung.
Leonteq
Mehr als verdoppelt haben die Short-Seller ihre Wetten im Februar gegen Leonteq. 10% der Aktien des Derivatehauses sind nun in ihren Händen, was den Neueinstieg in die Liste der grössten Schweizer Shorts auf Platz sieben bedeutet.
Die Aktien von Leonteq befinden sich bereits seit Jahren im Abwärtstrend, den wiederholte Gewinnwarnungen immer auf Neue beschleunigt haben. Anfang Februar schreckte das Management erneut mit einer Hiobsbotschaft auf: Völlig unerwartet wird das Derivatehaus von der Finanzmarktaufsicht Finma neu der Eigenmittelverordnung unterstellt. Das bedeutet, dass das Eigenkapital regulatorisch gebunden ist, statt dass es via Dividenden und Aktienrückkaufprogramme an die Aktionäre ausgeschüttet werden könnte.
Zudem verteuert der neue regulatorische Status künftiges Wachstum. Dies in einer Situation, in der der Gewinn bereits erodiert und im laufenden Jahr nun gar Verlust droht. Die Dividende soll deshalb um drei Viertel auf noch 25 Rappen gekürzt werden.
All das hat den Aktien Anfang Februar einen erneuten Kursrückschlag um mehr als 10% beschert. Als Mitte Monat aber Grossaktionäre eine üppigere Ausschüttung verlangten, hat eine gewisse Erholung eingesetzt. Die Short-Seller wetten darauf, dass diese nun von kurzer Dauer sein wird.
Orior
Rückläufig entwickelte sich die Short-Quote im Februar bei Orior. Doch hier kam der Kurseinbruch just zum Monatsende.
Die Lebensmittelgruppe hat am Donnerstag die Publikation des Jahresresultats verschoben und die Guidance ausgesetzt. Als Grund werden Bewertungsdifferenzen bei Lagerbeständen genannt, die im Rahmen der im Dezember angekündigten Restrukturierung aufgetaucht seien.
Bei deren Ankündigung hatte der Kurs erst noch einen Freudensprung gemacht – aus Sicht der Short-Seller ungerechtfertigterweise: Sie bauten ihre Positionen damals kräftig aus und setzen darauf, dass die teure Schrumpfkur nicht nur 2024 einen Verlust bringen wird, sondern auch 2025 ihre Spuren hinterlassen wird.
Die jüngste Ankündigung scheint ihnen nun Recht zu geben, zumal Orior ohnehin unter der Neuausrichtung ihrer Hauptkundin Migros leidet.
Meyer Burger
Zurück in den grössten Shorts sind im Februar auch die Aktien von Meyer Burger. Sie belegten lange Zeit Spitzenplätze, verschwanden jedoch Ende November – obwohl den Aktionären weiterhin ein Totalausfall droht.
Seit mehr als zehn Jahren schreibt das Solarunternehmen Verlust, und nach der gescheiterten Verlagerung der Produktion in die USA aufgrund finanzieller Engpässe ist der Weg zur Profitabilität in weite Ferne gerückt.
Im Januar stimmten die Gläubiger einer Verlängerung einer Brückenfinanzierung zu, zudem wurde ein Verkaufsprozess gestartet. Am Donnerstag wurde ausserdem ein weiterer Aufschub der Zinszahlungen für Wandelanleihen vereinbart.
Etwas Zeit ist damit gewonnen, doch es ist mehr als ungewiss, dass eine Restrukturierung Erfolg haben könnte, oder ein allfälliger Käufer so viel für das Unternehmen bezahlt, dass nach der Tilgung der Schulden für die Aktionäre noch etwas übrig bleibt.
Lindt & Sprüngli
Auf Platz zehn erscheinen erstmalig die Partizipationsscheine von Lindt & Sprüngli, die seit Jahresbeginn mehr als 10% zugelegt haben.
Zwar hat der Hersteller von Premiumschokolade die gestiegenen Kakaopreise bislang erfolgreich an die Konsumenten weitergegeben und den Gewinn so jährlich gesteigert. Die Short-Seller erachten die jüngste Kursavance offensichtlich aber nicht mehr für gerechtfertigt, sondern setzen darauf, dass weitere Preiserhöhungen an ihre Grenzen stossen werden, zumal in den USA das Konsumentenvertrauen im Februar überraschend stark gesunken ist.