Die taiwanische Küstenwache hat ihr Vorgehen gegen mögliche Saboteure verschärft.
Diesmal war Taiwans Küstenwache bereit: Als am Dienstag der Telekombetreiber Chunghwa meldete, dass ein Unterseekabel beschädigt worden war, rückte sie sofort aus. Zwar konnten die Beamten nicht an Bord des Frachtschiffs gehen, das sie am Ort des Kabelbruchs fanden, denn der Seegang war zu hoch. So eskortierten sie das Schiff in den nächsten Hafen. Dort wurden die acht Besatzungsmitglieder in Gewahrsam genommen.
Schiff festgesetzt, Kapitän verhaftet
Einiges deutet darauf hin, dass das Kabel absichtlich beschädigt wurde und dass es sich um eine chinesische Aktion der hybriden Kriegsführung handelt: Das alte, verrostete Schiff fuhr unter togolesischer Flagge, einem Billigflaggenstaat, der seine Reeder kaum zur Verantwortung zieht. Verdächtig ist auch, dass es über das elektronische Positionierungssystem einen anderen Namen angab, als auf dem Rumpf des Schiffes stand. Und: Die Besatzung besteht aus Chinesen, und die Besitzverhältnisse weisen laut taiwanischen Angaben nach China.
Am Donnerstag hiess es dann, der Kapitän sei verhaftet worden. Ein lokales Gericht habe dies angeordnet, weil es genügend Hinweise auf eine Straftat gebe, berichtete die lokale Nachrichtenagentur CNA. Das taiwanische Telekomgesetz enthält einen Passus, der die mutwillige Zerstörung von Unterseekabeln unter Strafe stellt. Die restlichen Besatzungsmitglieder wurden zwar freigelassen, müssen aber elektronische Fussfesseln tragen und dürfen Taiwan nicht verlassen.
Für Sascha-Dominik Bachmann, Rechtsprofessor an der Universität Canberra in Australien, folgt Taiwan damit dem Vorbild Finnlands. Die finnische Polizei enterte im Dezember ein russisches Schiff, das verdächtigt wurde, in der Ostsee ein Kabel beschädigt zu haben. Bachmann, der hybride Kriegsführung untersucht, begrüsst, dass verschiedene Länder entschiedener gegen sogenannte «grey zone operations» vorgehen. Darunter versteht man aggressive Aktivitäten eines Staates, die unter der Schwelle eines offenen Konflikts bleiben.
Taiwan versucht, die Situation nicht zu verschärfen
Dass Taiwan die Küstenwache, ein zivile Organisation, einsetze, sei der richtige Weg, sagt Bachmann gegenüber der NZZ: «Damit signalisiert Taipeh, dass es die Aktion des Schiffes als strafrechtliche Handlung und nicht als kriegerischen Akt behandelt. So vermeidet es eine Eskalation.» Würde hingegen die Marine losgeschickt, wäre die Gefahr grösser, dass sich die Situation hochschaukelt. Und das wäre wohl ganz im Sinne Chinas.
Im baltischen Raum arbeiten die Anrainerstaaten zunehmend zusammen. Diese Zusammenarbeit ist noch enger geworden, seit auch Finnland und Schweden der Nato beigetreten sind. Taiwan hingegen ist diplomatisch isoliert. Für eine Zusammenarbeit zwischen Küstenwachen dürften Nachbarländer eher offen sein als im militärischen Bereich, sagt Bachmann.
Bereits heute gibt es eine Kooperation zwischen der japanischen und der taiwanischen Küstenwache in Seegebieten, in denen Fischerboote beider Länder tätig sind. Da mehrere der Kabelsysteme, welche Taiwan ans globale Datennetz anschliessen, auch nach Japan führen, hat Tokio ein direktes Interesse daran, dass diese Anlagen geschützt werden.
Der Kabelbruch von dieser Woche ist der dritte in diesem Jahr. Im Januar kam es zu einem Vorfall vor der Nordküste Taiwans. Damals liess die Küstenwache ein verdächtigtes Schiff, das unter kamerunischer Flagge fuhr, nach einer kurzen Überprüfung weiterfahren. Daher bleibt der Fall ungelöst. Daraufhin wurden die Einsatzregeln verschärft.
China stiftet Verwirrung
Für Bachmann stellt sich die Frage, ob China darauf bedacht ist, die Aktionen gegen Taiwan unter der Schwelle des offenen Konflikts zu halten oder ob es sich bei diesen um Vorbereitungen für einen Krieg handelt. Die Antwort auf diese Frage wird dadurch erschwert, dass China stetig mit militärischen Mitteln Druck auf Taiwan ausübt.
Die Zahl von Flugzeugen und Schiffen des chinesischen Militärs rund um Taiwan sei in jüngster Zeit stark angestiegen, sagt K. Tristan Tang vom Research Project on China’s Defence Affairs in Taipeh. Seit Jahresbeginn zählten die taiwanischen Behörden an sieben Tagen 30 oder mehr chinesische Flugzeuge und Drohnen im Luftraum um Taiwan – 2024 lag der Tagesschnitt bei 14.
Am Mittwoch hatte China kurzfristig südwestlich von Kaohsiung, dem grössten Hafen von Taiwan, eine Zone für Schiessübungen der Marine ausgerufen. Diese lag mit rund 40 Seemeilen (gut 70 Kilometer) Entfernung zwar ausserhalb der taiwanischen Territorialgewässer, überlappte aber mit mehreren viel befahrenen Schifffahrtslinien.
Taiwans Verteidigungsministerium bezeichnete Chinas Vorgehen als «ernsthafte Gefahr für die internationale Luftfahrt und die Schifffahrt» und eine «Provokation für die regionale Sicherheit und Stabilität». Am Donnerstag teilten die taiwanischen Militärs dann mit, dass sie keine Schiessübungen beobachten konnten. Peking sprach von Routinemanövern. Dass unklar bleibt, was genau geschah und was Chinas Absichten waren, dürfte so gewollt sein. «Grey zone operations» zielen nicht zuletzt darauf ab, Verwirrung zu stiften.