Glitzer besitzt die Fähigkeit, Menschen zu verwandeln. Doch was hat das Material mit Design zu tun? Antworten liefert die neue Ausstellung «Glitzer», die derzeit in Hamburg und ab November in Winterthur gezeigt wird.
Glitzer ist demokratisches Design: Die kleinen glänzenden Partikel sind allgegenwärtig und sind zudem günstig zu haben. Glitzer lässt niemanden kalt: Denn das Material besitzt die Fähigkeit, Menschen zu verwandeln. Doch was hat Glitzer mit Design zu tun? Mehr, als man zunächst denken würde. Das zeigt zurzeit eine Ausstellung, die im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg zu sehen ist. Design ist eine Disziplin, die nicht nur Objekte des Alltags betrifft, also etwa Sofas, Vorhänge oder Geschirr; es geht viel weiter. Nicht umsonst spricht man im Zusammenhang mit Design heute von Lifestyle. Jeder und jede wird zum Designer und zur Designerin des eigenen Lebens.
Das beginnt beim eigenen Körper. Sich selbst zu stylen – oder eben zu designen –, kann Ausdruck einer Haltung sein. Und hier beginnt es spannend zu werden – gerade weil Glitzer auch als Make-up zum Einsatz kommen und die körperliche Erscheinung relativ einfach verändern kann. Glitzer wird zwar schnell als Kitsch oder Trash abgetan, trotz seinem schlechten Ruf kann dieses Material aber erstaunlich viel. Glitzer ist nicht nur oberflächliches Bühnen-Accessoire, Kinderkram oder Teenie-Schnickschnack. Er ist auch: Protest und Empowerment! Er ist Widerstand gegen Körpernormen, er ist Lebenslust. Mit anderen Worten: Das Material ist subversiv. Es kann sogar «gefährlich» sein, wie etwa das Phänomen «glitter bombing» zeigt. Auch feministischer Aktionismus bedient sich der Sprache des Glitters. Genau dieser soziokulturellen Bedeutung spürt die Ausstellung in sechs Kapiteln nach.
Glitzer-Euphorie
Im ersten Raum sind fast hundert Objekte versammelt, die über einen «call for glitter» zusammenkamen. Es fiel den beiden Kuratorinnen Nina Lucia Gross und Julia Meer schwer, eine Auswahl aus den vielen eingereichten Lieblingsstücken der lokalen Leihgeberinnen und Leihgeber zu treffen. Die Bandbreite reicht vom funkelnden Kleidungsstück bis zum glitzernden Accessoire. Hier sind auch Einhörner und bunte Sticker in bester Gesellschaft.
Man blickt im Museum ganz neu auf diese etwas skurrilen Objekte und lässt sich verführen von der geballten Ladung Lebensfreude. In der Summe verschmelzen die einzelnen Stücke zu einer kollektiven Glitzer-Euphorie. Das hat eine ansteckende Wirkung und lässt sogar Rückschlüsse zu auf den Erfolg einer Taylor Swift oder den Hype um den neuen «Barbie»-Film.
Glitzer ist meistens aus Plastik gefertigt
Man ist jedenfalls bestens eingestimmt für die weiteren Themen der Schau, die das transformative und subversive Potenzial dieses Materials vorführen. Stichwort Material: Glitter besteht meistens aus Plastik. Und mittlerweile wissen wir, wie schädlich dieses Material für Umwelt und Gesundheit ist.
Seit Herbst 2023 verbietet eine EU-Verordnung synthetische Polymer-Mikropartikel. Davon betroffen sind auch loser Glitzer oder auf einem Artikel aufgebrachter Glitzer. Bioglitter hingegen tangiert dieses Verbot nicht; einen solchen hat die deutsche Firma Siliglit entwickelt. Allerdings muss man sich fragen, ob das Verbot von Glitzer einen echten Beitrag zu weniger Verschmutzung darstellt. Oder ob es sich nicht vielmehr gegen einkommensschwache oder queere Gruppen richtet, für die Glitzer mehr ist als nur Glimmerpartikel. Solche und andere historische Aspekte beleuchtet die Ausstellung in einer Timeline im Flur, die den Ursprung von Glitzer bis zu den Neandertalern zurückverfolgt. Verwendet wurden früher bestimmte Mineralien oder zermahlene Käferflügel.
Die Ausstellung kommt nach Winterthur
Die vielen installativen Beiträge von Kunstschaffenden kreieren ein anschauliches Setting für die Vielschichtigkeit dieses designtechnisch etwas verschmähten Werkstoffs. Zu den Installationen gehört das glitzernde Jugendzimmer der Hamburger Künstlerin Jenny Schäfer im Teenage-Glitter-Saal, bei dem man Flashbacks an die eigene Kindheit oder an die der eigenen Kinder hat. Das zeigt nochmals: Glitzer geht immer.
Übrigens: Ende November wird man auch in der Schweiz die Gelegenheit haben, die Welt des Glitzers von einer ganz unerwarteten Seite kennenzulernen. Die Ausstellung wandert dann nämlich von Hamburg nach Winterthur ins dortige Gewerbemuseum.
Die Ausstellung «Glitzer» ist vom 28. Februar bis 26. Oktober 2025 im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg und ab November in Gewerbemuseum Winterthur zu sehen.