Das Verfahren in Atlanta wegen versuchter Wahlmanipulation gilt als eines der gefährlichsten für Donald Trump. Nun aber überschattet das Privatleben der leitenden Staatsanwältin den Fall.
Wer es mit Donald Trump aufnehmen will, sollte keine unerzwungenen Fehler begehen. Doch genau dies könnte Fani Willis getan haben. Die Demokratin wurde in Georgia im November 2020 zur Leiterin der Staatsanwaltschaft im wichtigen Bezirk Fulton gewählt, der grosse Teile der Hauptstadt Atlanta abdeckt. Kurz nach dem Sturm auf das Capitol am 6. Januar 2021 leitete Willis Ermittlungen wegen einer versuchten Einmischung in den Wahlprozess ein. Trump hatte wenige Tage zuvor mit Georgias Staatssekretär Brad Raffensperger telefoniert. Dabei forderte der amerikanische Präsident ihn auf, die ihm für einen Sieg fehlenden Stimmen zu finden.
Für die Ermittlungen stellte Willis im November 2021 Nathan Wade als leitenden Sonderstaatsanwalt ein. Er machte offenbar keine schlechte Arbeit: Im vergangenen August hiess eine Grand Jury die Anklage gegen Trump und achtzehn weitere Personen gut. Diese wirft dem ehemaligen Präsidenten vor, der Kopf einer kriminellen Verschwörung gewesen zu sein mit dem Ziel, das Wahlresultat umzustürzen. Die Beweislage ist derart fundiert, dass bereits mehrere Mitangeklagte ein Schuldeingeständnis abgelegt haben. Doch nun könnte Willis und Wade eine mutmassliche Affäre zum Verhängnis werden.
Willis schweigt, die Gerüchteküche brodelt
Wade und seine Frau Jocelyn tragen vor Gericht derzeit einen Scheidungsstreit aus. Sie wirft ihm vor, eine aussereheliche Beziehung mit Willis eingegangen zu sein und ihr seine Einkünfte verschwiegen zu haben. Ihr Anwalt forderte Willis deshalb Anfang Januar dazu auf, vor Gericht eine Aussage zu machen. Am gleichen Tag beantragte einer von Trumps Mitangeklagten, Michael Roman, dass Willis aufgrund ihres «ungebührlichen Verhältnisses» zu Wade der Fall entzogen werde. Am Donnerstag unterstützte auch Trump diesen Antrag.
Harte Beweise für eine Affäre zwischen Willis und Wade fehlen bis jetzt. Wade hat im Herbst 2022 und im Frühling 2023 offenbar Tickets für sich und seine Vorgesetzte für Flüge nach Miami und San Francisco gekauft. Das geht aus Kreditkartenauszügen hervor, die nun durch die Veröffentlichung von Wades Scheidungsunterlagen bekanntwurden. Während des Aufenthalts in Miami gab Wade demnach unter anderem viel Geld für eine Kreuzfahrt und ein Luxushotel in der Karibik aus.
Erschwerend kommt für Willis hinzu, dass Wade bei seinem Stellenantritt als Sonderstaatsanwalt kaum Erfahrungen als Ankläger in komplexen Strafverfahren mitbrachte. Romans Anwalt wirft Willis deshalb auch vor, mit Wade einen unqualifizierten Mitarbeiter eingestellt und durch die Luxusreisen mit ihm persönlich von seinem Honorar profitiert zu haben. Insgesamt verdiente Wade als Sonderstaatsanwalt bisher über 600 000 Dollar.
Anstatt die Vorwürfe klar zu dementieren, flüchtet sich Willis in Ausreden. Bei einem seltsamen Auftritt in einer Kirche warf sie ihren Kritikern kürzlich pauschal Rassismus vor und verteidigte Wade als «grossartigen Anwalt». Neben Wade habe sie zwei weitere Sonderstaatsanwälte mit dem Fall gegen Trump betraut, eine weisse Frau und einen weissen Mann. Alle drei würden mit dem gleichen Stundenansatz entlöhnt. Aber der Einzige, der attackiert werde, sei Wade, ein Schwarzer.
Ihre bisherige Reaktion lässt vermuten, dass Willis womöglich etwas zu verbergen hat. Sollte sich die Affäre mit Wade bewahrheiten, ist dies allein rechtlich wohl kein Problem. Mit ihrem ausweichenden Verhalten hat sie indes den Anschein erweckt, dass ihre Integrität nicht über alle Zweifel erhaben sein könnte. Umso mehr, als sie bei einem Auftritt vor vier Jahren private Affären am Arbeitsplatz verurteilt hatte: «Ich werde sicher nicht mit Personen ausgehen, die unter mir arbeiten.»
Das ganze Verfahren steht auf dem Spiel
Trump und seine Unterstützer versuchen die Zweifel an Willis auszunutzen, um das ganze Verfahren in Georgia zu diskreditieren. Aus Wades Abrechnungen geht auch hervor, dass er als Sonderstaatsanwalt Kontakt mit Regierungsvertretern im Weissen Haus hatte. Konservative Aktivisten und Meinungsmacher wie etwa Charlie Kirk sehen darin einen Beleg dafür, dass die Anklage gegen Trump in Georgia Teil einer von Präsident Joe Biden koordinierten «Hexenjagd» sei. Trump selbst bezeichnete Wade und Willis als zwei «Turteltauben», die sich selbst bereichern wollten.
Der Rechtsexperte Norman Eisen von der Denkfabrik Brookings Institution forderte Wade deshalb dazu auf, sich von dem Fall zurückzuziehen, um diesen nicht zu gefährden. Seine angebliche Beziehung mit Willis sei dabei kein rechtliches Problem. Auch sein Stundenansatz von 250 Dollar erscheine nicht unangemessen. Aber die Kontroverse lenke von «einer der mutmasslich schwerwiegendsten Verschwörungen der amerikanischen Geschichte» ab. Damit der Prozess gegen Trump schnell und reibungslos beginnen könne, müsse Wade den Hut nehmen.
Der zuständige Richter in Georgia forderte Willis auf, bis zum 2. Februar eine Stellungnahme einzureichen. Auf den 15. Februar setzte er eine Anhörung zu den Vorwürfen an. Im für sie schlechtesten Szenario könnte Willis und ihrer Behörde der Fall entzogen werden. Es ist jedoch fraglich, ob sich schnell ein anderer Bezirksstaatsanwalt in Georgia finden lässt, der gegen Trump und seine Mitverschwörer vorgehen will, wie die «Washington Post» schreibt. Willis selbst hatte Mühe bekundet, einen leitenden Ermittler zu finden. Zwei andere Kandidaten sollen ihr abgesagt haben, weil ihnen der Fall politisch zu explosiv erschien. Erst danach engagierte sie Wade.
Eigentlich strebte Willis einen Prozessbeginn am 5. August an. Sollte sich dieser nun verzögern, wäre dies für Trump ein grosser Sieg. Denn die Anklage in Georgia gilt als eine der gefährlichsten für ihn. Während er die Strafverfahren auf Bundesebene gegen ihn als gewählten Präsidenten durch die Einsetzung eines eigenen Justizministers womöglich einstellen könnte, wäre dies in einem Gliedstaat wie Georgia schwierig. Nach einer Verurteilung in Atlanta könnte sich Trump zudem auf keinen Fall selbst begnadigen. Umso willkommener dürften ihm deshalb nun die Schwierigkeiten sein, in die sich Willis vermutlich selbst gebracht hat.