Wenn Short-Seller ein Unternehmen ins Visier nehmen, kann das ein Warnsignal sein. The Market zeigt regelmässig, wo die Leerverkäufer an der deutschen Börse auf Kursverluste wetten. Diesmal im Fokus: Continental, Commerzbank und Thyssenkrupp Nucera.
Deutschlands Aktienmarkt boomt. Während der Leitindex Dax die Rally aus dem vergangenen Jahr unbeirrt fortsetzt, wachen Small- und Mid-Caps aus ihrem jahrelangen Dornröschenschlaf auf. Der am Dienstagabend von den designierten deutschen Regierungsparteien CDU/CSU und SPD angekündigte Infrastrukturfonds über 500 Mrd. € beflügelt die Indizes zusätzlich.
Deutsche Aktien – wie auch europäische Valoren – lassen die US-Börsen im laufenden Jahr hinter sich.
Die Leerverkäufer scheinen der Hausse am deutschen Markt nicht zu trauen. Gemäss Zahlen des US-Datenanbieters S3 Partners, die The Market vorliegen, steigt das Volumen der Short-Wetten am deutschen Aktienmarkt Anfang März auf 24,5 Mrd. $ – und damit auf den höchsten Wert seit anderthalb Jahren.
Leerverkäufer leihen sich Aktien, verkaufen diese am Markt und hoffen, sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem niedrigeren Preis zurückzukaufen, um sie dann dem Eigentümer zurückzugeben. Geht die Wette auf, streichen sie die Differenz zwischen Verkaufs- und Rückkaufpreis als Gewinn ein. The Market analysiert regelmässig, gegen welche deutschen Aktien die grössten Short-Wetten laufen, und stützt sich dabei auf Daten des US-Anbieters S3 Partners (die grössten Shorts gegen Schweizer Aktien finden Sie hier).
Wetten gegen Dax-Spitzenreiter Porsche nehmen ab
Im Dax bleiben die Aktien von Porsche zwar klarer Spitzenreiter, doch der Anteil der Short-Positionen an den sich im Streubesitz befindlichen Aktien des Sportwagenbauers ist mit knapp 20% gegenüber dem Vormonat gesunken. Eine verfehlte Modellpolitik, US-Zölle und ein schwächelnder Absatz in China setzen den Titeln zu. Aus Sicht von The Market dürfte ein Turnaround auf sich warten lassen.
Gestiegen sind auch die Wetten gegen die anderen Autowerte: Daimler Truck, Mercedes-Benz und BMW. Vor allem die protektionistische Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump, die sich diese Woche erneut verschärft hat, dürfte immer mehr Short-Seller auf den Plan rufen.
Continental neu in den Dax-Top-Ten
Vor diesem Hintergrund steigt auch das Interesse der Leerverkäufer am Autozulieferer Continental (Short-Quote: 2,4%) gestiegen. Die Titel sind neu in die Top Ten der am meisten leerverkauften Dax-Aktien auf. Das Unternehmen mit Sitz in Hannover enttäuschte am Dienstag mit seinem Ausblick für das laufende Jahr. Bereits im vergangenen Jahr habe insbesondere die schwache wirtschaftliche Entwicklung in Europa samt rückläufiger Autoproduktion für deutlichen Gegenwind gesorgt, wie CEO Nikolai Setzer betonte.
Ein Grossteil der deutschen Automobilindustrie lässt in Mexiko für den US-amerikanischen Markt produzieren, so auch Continental. Das Unternehmen hat dort mehrere Werke, in denen es Fahrzeugkomponenten und Reifen herstellt, die nun von den Zöllen betroffen sind.
Die US-Zölle kommen zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Continental will noch in diesem Jahr ihre Automotive-Sparte, die vor allem in Nordamerika schwächelt, per Spin-off an die Börse bringen. Dafür würde man sich in Hannover sicher ein besseres Marktumfeld wünschen. CEO Setzer betonte am Dienstag, dass der Plan stehe.
Wetten gegen Commerzbank steigen
Etwas näher an Spitzenreiter Porsche rückt Commerzbank. Die Aktien tauchen regelmässig im Momentum Screen von The Market auf. Seit Anfang Jahr geht der Kurs steil nach oben. Das zweitgrösste deutsche Kreditinstitut wird seit Monaten von der italienischen Grossbank UniCredit umworben.
Commerzbank stemmt sich gegen eine Übernahme. Die Deutschen haben nur eine Chance, ihre Eigenständigkeit zu wahren: Der Aktienkurs muss steigen. Dafür sollen nun unter anderem 3900 Stellen wegfallen. Für Ausschüttungen geht die Bank sogar an die Substanz. Grundsätzlich schätzt The Market die Aussichten für europäische Banken als attraktiv ein.
Die Aktien von Commerzbank sind eine Wette auf die Übernahme durch UniCredit. Leerverkäufer scheinen sich zunehmend für ein Scheitern der Akquisition zu positionieren. Die Ausleihquote ist von 9,3 auf fast 14% gestiegen.
Thyssenkrupp Nucera weiter im Visier der Short-Seller
Am breiten Markt weiten die Leerverkäufer ihre Wetten gegen den Spitzenreiter Thyssenkrupp Nucera massiv aus – von 34,4 auf über 41%. Die Aktien der im Sommer 2023 per Spin-off an die Börse gebrachten Wasserstoffsparte von Thyssenkrupp hatten von Anfang an einen schweren Stand. Nach Kursverlusten von über 60% im ersten Jahr bewegen sich die Titel seit vergangenem Sommer seitwärts.
Thyssenkrupp Nucera stellt Elektrolyseanlagen her, die zur Produktion von grünem Wasserstoff eingesetzt werden. Das Thema gilt zwar als eine strukturelle Wachstumsgeschichte, seit mehr als zwei Jahren ist die Stimmung in der Branche jedoch gedämpft. US-Präsident Trump, der eher bestrebt ist, regenerative Energien zurückzufahren als sie auszuweiten, dürfte die Investorenstimmung kaum verbessern.
Mitte Februar präsentierte Nucera für das erste Quartal des neuen Geschäftsjahres 2024/2025 zwar ein solides Umsatz- und Ebit-Wachstum, doch der Auftragsbestand enttäuschte deutlich. Nach 176 Mio. € im Vorjahreszeitraum beträgt er im ersten Quartal nur noch 95 Mio. € – ein gefundenes Fressen für Leerverkäufer, die auf einen weiter sinkenden Aktienkurs spekulieren.
Verbio: Spekulieren Leerverkäufer auf Kapitalmassnahmen?
Deutlich aufgestockt haben die Leerverkäufer ihre Wetten gegen den Windparkentwickler PNE und gegen Verbio. Der Spezialist für Biokraftstoffe tauchte im letzten Monat erstmals in den Top Ten auf, jetzt hat sich die Short-Quote von 18,3 auf 21,5% weiter erhöht. Mitte Januar hatte Verbio die Börse mit einer Gewinnwarnung überrumpelt.
Das Unternehmen aus Sachsen-Anhalt senkte das Ebit-Ziel für das laufende Geschäftsjahr 2024/2025 (per Ende Juni) von 120 bis 160 Mio. € auf einen «zweistelligen Millionenbetrag». Es war nicht die erste Gewinnwarnung: Bereits im vorherigen Geschäftsjahr musste Verbio ihre Prognose mehrfach senken.
Die Aktien befinden sich seit zwei Jahren in einem Abwärtssog. Eine schwache Bilanz – die Summe der Verbindlichkeiten übersteigen derzeit die liquiden Mittel – machen zudem Kapitalmassnahmen wahrscheinlich, was den Aktienkurs zusätzlich belastet.
Wohnmobilhersteller Knaus Tabert in Nöten
Neu in den Top Ten der grössten Short am deutschen Gesamtmarkt ist Knaus Tabbert, die HelloFresh ersetzen. Die Aktien des Wohnmobilherstellers brachen im November um mehr als ein Drittel ein, nachdem das Unternehmen ankündigte, die Produktion an den Standorten in Jandelsbrunn und Nagyoroszi, Ungarn, bis zum Ende des Jahres einzustellen. Seitdem haben sich die Titel nicht erholt.
Knaus Tabbert kam im Herbst 2020 an die Börse, als der durch die Coronapandemie ausgelöste Caravaning-Boom den Höhepunkt erreichte, das Unternehmen kam damals noch auf einen Börsenwert von über 800 Mio. €. Heute sind davon rund 144 Mio. übriggeblieben.
Der Rücktritt des CEO, die Kappung der Umsatz- und Gewinnprognose sowie Durchsuchungen der Geschäftsräume durch die Staatsanwaltschaft Landshut wegen Korruptionsverdachts sorgen seit Ende letzten Jahres für Chaos beim Unternehmen – und wecken das Interesse der Leerverkäufer.