Die Weltgesundheitsorganisation will mit neuen internationalen Vorschriften besser auf künftige Pandemien vorbereitet sein. Was wären die Folgen? Die Schweizer Verhandlerin nimmt Stellung.
Der amerikanische Präsident Donald Trump will nichts mehr von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wissen. Als eine seiner ersten Amtshandlungen gab er den Austritt der USA aus der in Genf ansässigen Organisation bekannt. Im entsprechenden Regierungsbeschluss wird präzisiert, dass die USA die laufenden Verhandlungen über den WHO-Pandemiepakt beenden und auch die Anpassung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) nicht mittragen werden.
Es waren die USA beziehungsweise die Administration Biden, die mitten in der Covid-Pandemie auf eine Anpassung der Internationalen Gesundheitsvorschriften drängten. Insofern kann man es als Ironie der Geschichte bezeichnen, dass jetzt, da die WHO-Mitgliedsländer die Reform ausgehandelt und verabschiedet haben, sich ausgerechnet der Initiant zurückzieht.
Vorbehalt zur Meinungsfreiheit
Auch in der Schweiz geben die IGV zu reden, zumindest in staatsskeptischen Kreisen. Sie warnen davor, der WHO bei Pandemien mehr Kompetenzen zu geben, und fürchten um die nationale Souveränität. Die IGV-Anpassung ist auch Gegenstand von parlamentarischen Vorstössen. So verlangt etwa die SVP mit einer Motion, dass die Schweiz die vereinbarten Änderungen vorsorglich ablehne, um mehr Zeit für den demokratischen Prozess zu haben.
Der Bundesrat hat die IGV-Anpassung in die Vernehmlassung geschickt, die Frist ist dieser Tage abgelaufen. Nun muss er entscheiden, wie es weitergeht. Die Schweiz hat bis am 19. Juli 2025 die Möglichkeit, der WHO mitzuteilen, dass sie gewisse Änderungen ablehnt oder mehr Zeit für die innerstaatliche Prüfung benötigt. Tut sie das nicht, wird das neue Regelwerk für die Schweiz verbindlich. Es gibt also einen gewissen Zeitdruck.
Was genau die IGV-Anpassung für die Schweiz bedeutet, ist schwer abzuschätzen. Klar ist, dass es sich um einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag handelt und nicht um Soft Law. Zuständig auf Schweizer Seite ist die Diplomatin Barbara Schedler Fischer. Sie leitet seit August 2024 die Abteilung Internationales im Bundesamt für Gesundheit. Schedler Fischer ist die Nachfolgerin von Nora Kronig, der Impfstoffbeschafferin während der Corona-Zeit, heute Direktorin des Schweizerischen Roten Kreuzes.
Laut Schedler Fischer wird sich für die Schweiz nichts Grundlegendes ändern. Die IGV-Anpassung soll weder für den Bund noch für die Kantone Auswirkungen haben. Ein grosses Thema der Verhandlungen war der finanzielle Ausgleich unter den Staaten. Die IGV enthalten mehrere neue Artikel zur Koordination der Finanzierungsmechanismen und zur Zusammenarbeit, um die Erfordernisse von Entwicklungsländern zu berücksichtigen. Der Schweiz sollen daraus aber keine Mehrkosten erwachsen. «Es war für die Schweiz immer klar, dass es keine neuen Fördertöpfe geben soll», sagt die Diplomatin. «Und die gibt es nun auch nicht: Die Schweiz wird für die Umsetzung der IGV nicht mehr zahlen müssen, setzt sich aber für eine bessere Koordination der bestehenden Unterstützungsmöglichkeiten ein.» Der Austritt der USA ändere daran nichts.
Eine oft gehörte Sorge ist, dass der WHO-Generaldirektor bei Gesundheitskrisen mehr Kompetenzen erhalte. Das treffe nicht zu, sagt Schedler Fischer. «Die Mitgliedsstaaten haben kein Interesse daran, dass die WHO mehr Kompetenzen erhält. Die Schweiz wird weiterhin souverän entscheiden, wie sie handeln will.» Die IGV würden dem weltweiten Informationsaustausch zu übertragbaren Krankheiten dienen. Dadurch bekomme die Schweiz rasch wichtige Angaben wie jüngst etwa zu Affenpocken oder Marburg-Viren. Die WHO könne in einer Gesundheitskrise zwar Empfehlungen aussprechen, etwa zur Impfung, doch seien diese unverbindlich. «Es gibt keine Sanktionen, wenn man sich nicht daran hält. Von den Covid-Massnahmen, die die Schweiz verhängt hat, ging nur ein sehr kleiner Teil auf die IGV zurück.»
Bei der IGV-Anpassung geht es auch um die Meinungsfreiheit. Ursprünglich zielte die WHO darauf hin, dass die Staaten Fehl- und Desinformation «bekämpfen» müssten. Das habe man wegverhandeln können, so Schedler Fischer. «Dafür gäbe es in der Schweiz keine gesetzliche Grundlage.» Jetzt heisst es harmloser, dass sich die Staaten verpflichten müssen, ihre Kapazitäten «im Umgang mit Fehl- und Desinformation» zu stärken. Der Bundesrat werde die Bevölkerung wie bisher in Risikosituationen «mit einer faktenbasierten Information aufklären». Man werde andere Ansichten nicht korrigieren oder einschränken, die Meinungsfreiheit bleibe gewahrt, versichert Schedler Fischer.
Allerdings scheint auch der Bundesrat gewisse Bedenken zu haben. So hat er in der Vernehmlassung vorgeschlagen, dass man beim Umgang mit Fehlinformationen einen Vorbehalt anbringen könne. Täte er das, könnte er auch jenen Stimmen gerecht werden, die befürchten, dass die Behörden in der nächsten Gesundheitskrise kommunikativ überborden und aktiv gegen abweichende Sichtweisen vorgehen.
Pandemiepakt in der Schwebe
Im Gegensatz zu den IGV sind die Arbeiten am WHO-Pandemiepakt ins Stocken geraten. Die Initiative für dieses ambitionierte Abkommen ging von der Europäischen Union aus. Eigentlich wollte die WHO den Pakt im Mai 2024 verabschieden, doch die Differenzen unter den Ländern, zwischen dem globalen Süden und dem Norden, erwiesen sich als zu gross. Inhaltlich geht es um eine «gerechtere» Verteilung von Impfstoffen und Medikamenten, um den Zugang zu Pathogenen, um den Schutz des geistigen Eigentums, und natürlich geht es auch um Geld. Die Schweiz steht beim Pandemiepakt eher auf der Bremse. Klar ist für Barbara Schedler Fischer, dass der Vertrag in jedem Fall vom eidgenössischen Parlament gutgeheissen werden müsste.
Im April wird laut Schedler Fischer nochmals über den Pandemiepakt verhandelt, im Mai möchte man einen Entwurf haben, den man der WHO vorlegen kann. «Es ist schwierig zu sagen, ob eine Einigung gelingt. Wenn nicht, ist es gut möglich, dass die Arbeiten eingestellt werden. Die WHO muss sparen und priorisieren, und solche Verhandlungen kosten Geld.»