Der Bundesrat hat neue Zahlen zur Forderung nach höheren Renten für Ehepaare präsentiert. Von einer «Heiratsstrafe» bei der AHV kann definitiv nicht mehr die Rede sein.
Dauerhafter als manche Ehe ist der politische Kampf um die angebliche «Heiratsstrafe». Sowohl bei der Bundessteuer als auch bei der AHV würden Verheiratete benachteiligt, behaupten insbesondere konservative Kreise. Die Mitte-Partei hat sich vor einigen Jahren auf dieses mutmasslich populäre Thema spezialisiert. Mit zwei Volksinitiativen versucht sie die Debatte voranzutreiben. Der Bundesrat hat bereits letztes Jahr beschlossen, beide Begehren zur Ablehnung zu empfehlen. Am Freitag hat er nun auch die Botschaften dazu präsentiert.
Mit der einen Initiative will die Mitte die Nachteile der Verheirateten bei der Bundessteuer beseitigen. Diese gibt es tatsächlich, allerdings ist lediglich ein gutes Drittel aller Ehepaare davon betroffen – es handelt sich dabei ausschliesslich um Doppelverdiener-Paare mit relativ guten Einkommen. Ähnlich viele Ehepaare profitieren umgekehrt von einem «Heiratsbonus»: Sie müssen deutlich weniger Steuern bezahlen als ledige Paare in denselben finanziellen Verhältnissen, was die Mitte-Partei jedoch nicht stört. Hingegen will sie mit ihrer Initiative auch gleich die Individualbesteuerung verhindern, das liberale Gegenkonzept, mit dem die heutige, gemeinsame Veranlagung von Eheleuten beendet würde.
Keine Heiratsstrafe in der AHV
Die zweite Initiative betrifft die AHV, genauer: die Plafonierung der Renten von Ehepaaren. Heute erhalten Verheiratete maximal das 1,5-Fache einer maximalen Einzelrente; ledige Paare hingegen können zwei ungekürzte Renten beziehen. Der Bundesrat verteidigt dieses Arrangement, weil Ehepaare bei der AHV gleichzeitig von anderen Leistungen und Erleichterungen profitieren, in deren Genuss unverheiratete Paare nicht kommen – und die finanziell stärker ins Gewicht fallen. Relevant sind vor allem exklusive Renten und Zuschläge für Witwen und Witwer. Gesamthaft findet in der AHV nach wie vor eine Querfinanzierung von Ledigen zu Verheirateten statt, weshalb von einer Heiratsstrafe keine Rede sein kann.
Der Bundesrat hat am Freitag auch neue Zahlen zu den Kosten der AHV-Initiative präsentiert. So würden sich die Mehrausgaben im Jahr 2030 schätzungsweise auf 3,6 Milliarden Franken belaufen und im Jahr 2035 bereits auf 4,1 Milliarden. Damit würden sich die Finanzierungslücken des Sozialwerks weiter vergrössern. Weil zurzeit die grossen Jahrgänge des Babybooms in Rente gehen und ab dem Jahr 2026 die 13. AHV-Rente eingeführt wird, ist bereits in den nächsten Jahren mit Defiziten zulasten des AHV-Fonds zu rechnen. Mit der Mitte-Initiative, die voraussichtlich ab 2030 in Kraft treten könnte, würde sich die Schieflage zusätzlich verschärfen.
Woher das zusätzliche Geld kommen soll, lässt die Mitte-Initiative offen. Der Bundesrat zeigt in seiner Botschaft auf, was der Finanzierungsbedarf bedeutet, wenn man von den üblichen Einnahmequellen der AHV ausgeht: Die Lohnbeiträge müssten um 0,6 Prozentpunkte erhöht werden, die Mehrwertsteuer um 0,8 Prozentpunkte. Der Bundesrat hält fest, eine solche zusätzliche Mehrbelastung sei nicht angebracht – «erst recht nicht unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit».
Weil die Zahl der Pensionierten in den nächsten Jahrzehnten stärker steigt als die der Erwerbstätigen, würden sich mit der Mitte-Initiative die Lasten für die jüngeren Generationen weiter erhöhen. Zurzeit betragen die Ausgaben der AHV pro erwerbstätige Person etwa 9750 Franken im Jahr. In zehn Jahren wären es bei Annahme der Mitte-Initiative bereits 13 600 Franken.