Die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA hat Abwinde unter Flugtaxis untersucht. Bei Start und Landung herrscht offenbar teilweise Orkanstärke.
Die amerikanische Flugsicherheitsbehörde FAA hat in einem Testprogramm untersucht, wie stark die entstehenden Abwinde bei Start und Landung von drei verschiedenen elektrischen Flugtaxis, sogenannten eVTOL («electric vertical take-off and landing devices»), sind. Bei deren senkrechtem Start und Landung oder auch im leistungsintensiven Schwebeflug laufen die Rotoren auf Hochtouren, ähnlich wie die eines Helikopters.
Bisher wurde immer argumentiert, dass sich eVTOL wegen des geringeren Lärms für den Betrieb sogar mitten in Städten eignen würden. Doch diese Hoffnungen bekommen durch die Ende Dezember 2024 veröffentlichte FAA-Studie einen gehörigen Dämpfer. Denn in ihr wurde dokumentiert, dass gewaltige Wirbel unter einem eVTOL entstehen, die teilweise Windgeschwindigkeiten in Orkanstärke erreichen.
Dabei unterscheidet man zwei verschiedene Formen dieses Abwinds: Der Downwash ist der Luftstrom genau unter dem Luftfahrzeug, bisher also meist unter einem Helikopter. Dieser fliesst üblicherweise senkrecht von oben nach unten. Der Outwash hingegen ist der Luftstrom, der sich nach dem Auftreffen des Abwindes am Boden anschliessend zur Seite bewegt und ausbreitet.
Das Maximum der Windgeschwindigkeit eines der drei gemessenen eVTOL lag bei 160 km/h in etwa 12 Metern Entfernung. In etwa 30 Metern Entfernung wurden immer noch maximal 96 km/h gemessen. Von Orkanstärke spricht man, wenn die Windgeschwindigkeit 118 km/h überschreitet. Da der Outwash bei eVTOL mit ihren kleineren, aber dafür zahlreicheren Rotoren anders verläuft als bei einem herkömmlichen Helikopter mit nur einem Rotor müssten laut der FAA für künftige Ausgestaltungen von Vertiports, also zugelassenen Betriebsflächen, besonders üppige Schutzzonen eingerichtet werden. Das dient dazu, um Menschen, Gegenstände oder andere Luftfahrzeuge vor Verletzungen oder Beschädigungen zu schützen. Denn anders als bei einem etwa gleich grossen Helikopter sind der Downwash und Outwash eines vergleichbaren eVTOL laut der Studie markant höher. Zudem können die Abwinde von jedem Rotor sich gegenseitig beeinflussen, was aber bislang zu wenig erforscht ist.
Bisher ist nicht bekannt, welche drei eVTOL 2024 von der FAA gemessen wurden. Jedoch hat der US-Hersteller Joby Aviation seinen Fünfsitzer präventiv in Schutz genommen. Der etwa 2400 Kilogramm schwere Flieger erzeuge weniger Abwinde als etwa die zehnmal so schwere Bell Boeing V-22 Osprey. Diese ist eine sogenannte Tiltrotor-Maschine, bei der die Propeller rechtwinklig gekippt werden können.
Neue Anforderungen für Flugtaxi-Stationen
Die FAA hatte geplant, bis Ende 2025 eine Anleitung zu erstellen, wie künftige Vertiports für eVTOL ausgestaltet sein müssen. Nun sollen wohl mit weiteren Tests mehr Daten erhoben werden als bei den bisherigen drei untersuchten Flugtaxi-Prototypen. Die daraus entwickelten Sicherheitsvorgaben für Vertiports sollen dazu beitragen, Mensch und Material bei Start, Landung und sogenannten «ground operations» zu schützen, also etwa dem Ein- und Aussteigen von Passagieren oder dem Verladen von Gepäck.
Das kürzlich veröffentlichte Video einer landenden Bell-Boeing V-22 Osprey in einem Dorf demonstrierte unfreiwillig, welche Gefahren vom Abwind der Rotoren drohen. Am Boden wurden durch den massiven Downwash im Anflug Gegenstände weggeschleudert, Menschen zu Boden geworfen und Palmen einfach umgeknickt.
Auch Piloten von kleineren Propellerflugzeugen wie Cessna und Co wissen um die Gefährlichkeit von Abwinden und Turbulenzen durch Helikopter. So halten sie sich von deren An- oder Abflugwegen mit grossem Abstand respektvoll fern oder sichern ihre Flugzeuge am Boden zusätzlich, wenn etwa vor ihnen an der Flugplatztankstelle ein Turbinen-Helikopter zum Start abhebt. Ähnliche Vorsichtsmassnahmen dürften künftig auch notwendig sein, falls eVTOL tatsächlich öfter im gemeinsam genutzten Luftraum auftauchen.
Bei Verkehrs- und Frachtflugzeugen ist die Gefahr von heftigen Luftverwirbelungen, sogenannten Wirbelschleppen, hinter der Maschine bereits lange bekannt und bestens erforscht. Hier herrschen strenge Vorschriften für die Abstände und Separierung von Flugzeugen je nach deren Gewicht und Turbinenstärke. Dennoch kommt es immer wieder zu schweren Unfällen, weil die Kraft von Wirbelschleppen unterschätzt wird.
Dass die chronisch finanzschwache Flugtaxi-Branche sich nun auch mit neuen Bestimmungen zur Ausgestaltung von Vertiports befassen muss, wirft diese womöglich weiter zurück. Es war bisher schon unrealistisch, einfach auf jeder freien Fläche in einer Innenstadt zwischen Gebäuden und Bäumen oder sogar «hinter dem Haus» zu starten und landen – wie in manchen Computeranimationen propagiert.
Durch die künftigen FAA-Vorgaben ist diese Vision aber völlig illusorisch und könnte gleichermassen das geplante Geschäftsmodell manches Flugtaxi-Unternehmens bereits im Keim ersticken. Durch die gefährlichen Abwinde müssen Vertiports deutlich grösser geplant und womöglich mit teurer Infrastruktur wie Schutzzäunen oder Wällen gebaut werden, was in Innenstädten angesichts hoher Grundstückspreise zu teuer sein dürfte.
Fachleute gehen sogar davon aus, dass eVTOL künftig auch nicht einfach bereits bestehende Heliports mitbenutzen dürfen, weil diese für die höheren auftretenden Windgeschwindigkeiten des Down- und Outwash von Flugtaxis wohl nicht ausgelegt wären.
Dabei ist die Flugtaxi-Branche derzeit ohnehin in Turbulenzen: Insolvenzanträge des deutschen Herstellers Volocopter sowie die wohl endgültige erneute Insolvenz des Flugtaxibauers Lilium Ende Februar sorgen für Aufsehen. Dazu verschwanden zahlreiche Startups weltweit, die elektrische und im optimalen Fall klimaneutrale Senkrechtstarter entwickeln und produzieren wollen. Airbus gab im Januar bekannt, dass es mit der Flugerprobung seines geplanten eVTOL City Airbus NextGen pausiert, da die Batterietechnik noch nicht ausreichend für die geplante Reichweite von 100 Kilometern sei. Keines der europäischen oder amerikanischen Flugtaxis hat bislang eine Luftfahrtzulassung erreicht, lediglich ein Hersteller in China, dessen Zertifizierung aber im Westen nicht anerkannt wird.
Auch in Europa droht nun Gegenwind
Mit der FAA-Studie kommt nun ein womöglich weiterer Sargnagel auf die Branche zu, was bislang völlig unbeachtet blieb. Es ist zu erwarten, dass auch die Experten der europäischen Flugsicherheitsagentur EASA die FAA-Studie und daraus resultierende Folgerungen genau lesen werden.
Der deutsche Hersteller Lilium wollte bis zu seiner zweiten Insolvenz im Februar einen Siebensitzer, der Wettbewerber Volocopter nach einem Zwei- später Vier- bis Fünfsitzer zur Zulassung bringen. Das sind Leistungswerte, die etwa einem Turbinenhelikopter der 2,5-Tonnen-Klasse entsprechen.
Sicher scheint auch, dass die Studie der FAA beim Bau von Vertiports eine mögliche Wettbewerbsfähigkeit und das geplante Geschäftsmodell von Flugtaxi-Herstellern nicht einfacher macht. Die europäische EASA dürfte vermutlich einige der Vorgaben der FAA übernehmen, was Volocopter und Co eine grössere Verbreitung ihrer Luftfahrzeuge zusätzlich erschweren könnte, falls sie überhaupt eine Zulassung erreichen.
Die Produzenten herkömmlicher Helikopter dürfte das FAA-Szenario hingegen freuen. Ihre Heliports samt Flugbetrieb sind seit Jahrzehnten etabliert, und die vermuteten Wettbewerbsnachteile von Helikoptern gegenüber der leiseren und zumindest lokal CO2-emissionsfreien elektrischen eVTOL-Konkurrenz scheinen derzeit deutlich kleiner zu werden.