Die neue Bekleidung und Ausrüstung der Schweizer Armee wurde einst für 2022 versprochen. Jetzt wird die Einführung auf Ende Jahr verschoben. Schuld daran ist auch das Finanzloch vom letzten Jahr.
Die Armeebotschaft 2018 verkündete: «Ab 2022 soll die gegenwärtige Kampfbekleidung durch ein neues modulares Bekleidungs- und Ausrüstungssystem (MBAS) für die Armeeangehörigen abgelöst werden.»
Mittlerweile ist März 2025. In Rekruten- und Kaderschulen, in den Wiederholungskursen rennen die Miliz-Armeeangehörigen weiterhin mit Grundtrageinheit und Kampfrucksack Jahrgang 1990 und – in jenen Truppengattungen, die darüber verfügen – der Schutzweste aus dem Jahr 1996 herum. Rasche Nachrüstung in Krisenzeiten sieht anders aus. Und die nächste Verspätung des MBAS zeichnet sich bereits ab. Was läuft schief?
Gestaffelt und je nach Verfügbarkeit
Schon 2018 war klar, dass die Einführung länger dauern würde. Das MBAS ist, bei allen Vorteilen für den Soldaten, ein logistisches Ungetüm: Das System umfasst 148 Bestandteile. Sie ersetzen unter anderem den bisherigen Tarnanzug, die Grundtrageinheit – in der Munition, Handgranaten, Trinkflasche verstaut werden – und den Kampfrucksack. Dazu kommt eine neue Schutzweste.
Einen Teil der Ausrüstung erhalten Soldaten als persönliche Ausrüstung. Diese nehmen sie mit nach Hause. Andere Kleidungsstücke werden nur für die Zeit einer Dienstleistung abgegeben.
Vor zwei Jahren hatte die Armee noch geplant, dass alle Offiziers- und Unteroffiziersanwärter ab Januar 2025 mit dem MBAS ausgerüstet würden. Im Sommer dann alle Rekrutinnen und Rekruten und ab 2026 die Soldaten in den Wiederholungskursen.
An einem internationalen Militärwettkampf diesen Februar in Deutschland präsentierten sich die Schweizer Teilnehmer in der neuen Kampfmontur. Doch in Offiziers- oder Unteroffiziersschulen ist die Ausrüstung nicht angekommen. Einzig die Spezialkräfte sollen per Mitte April vollständig umgerüstet sein, sowohl ihre Berufs- als auch die Milizformationen.
Doch wie steht es um die Neueinführung beim Rest der Armee? Auf Nachfrage der NZZ sagt der Armeesprecher Stefan Hofer, dass MBAS noch dieses Jahr eingeführt werde. Die Einführung erfolge jedoch gestaffelt, über einen längeren Zeitraum. Neu erfolge die Abgabe in Rekruten- und Kaderschulen ab dem vierten Quartal 2025, «je nach Verfügbarkeit des Materials, aber immer so rasch als möglich». Danach würden die Milizverbände schrittweise ausgerüstet.
Gestaffelt, längerer Zeitraum, je nach Verfügbarkeit, so rasch wie möglich: Es sind Floskeln, die wenig optimistisch klingen.
In Armeekreisen wird darüber spekuliert, weshalb es erneut zur Verspätung kommt: von Finanzierungsproblemen aufgrund der Budgetdebatten im Parlament bis hin zu Lieferverzögerungen einzelner Bestandteile des MBAS. Die Armee beharre darauf, die Ausrüstung jeweils nur als gesamtes Set an Armeeangehörige abzugeben.
«Das bestellte Material wurde bisher fristgerecht geliefert», sagt Hofer. Auch bei den noch offenen Lieferungen zeichneten sich zurzeit keine Verzögerungen ab. Warum also die Verspätung bis Ende Jahr?
Das Problem liegt beim «Liquiditätsengpass» der Armee, der Anfang 2024 Medien und Politiker wochenlang beschäftigt hatte. Das Parlament hatte Ende 2023 die Erhöhung des Armeebudgets auf ein Prozent des Bruttoinlandproduktes um fünf Jahre auf 2035 verschoben. Der Armee wurde weniger Geld zugeteilt, deshalb, sagt Hofer, «konnten die Bestellungen im Jahr 2024 nicht wie geplant erfolgen». Folglich verzögere sich auch die Lieferung des neuen Materials.
Liefert die Armee nicht, kauft der Soldat selber ein
Bei der Miliz sorgt das für Unmut. Die Ausrüstung aus den 1990er Jahren ist überholt, unhandlich und für die neuen Herausforderungen auf dem Gefechtsfeld ungeeignet. Die Soldaten müssen kontinuierlich mehr und neueres Material bei sich haben: Nachtsichtgeräte, Mini-Drohnen, Laserpointer für die Zielerfassung. Diese passen nicht mehr in oder auf die alte Ausrüstung, müssen extern angebracht werden. Kurz: eine Mühsal, die sich einfach beheben liesse – und lässt.
Soldatinnen und Soldaten decken sich teilweise privat mit Militärmaterial ein. Zahlreiche Online-Händler, auch aus der Schweiz, bieten von Schutz- und Tragwesten, Helmen, Rucksäcken bis hin zu Pistolenholstern alles Mögliche an. Ein Teil entspricht offiziellem Armeematerial, anderes wird als Material kampferprobter Armeen angepriesen.
In den Rekrutenschulen herrscht eigentlich Nulltoleranz gegenüber privater Ausrüstung. Ausschliesslich das sogenannte Ordonnanz-Material ist erlaubt. Trotzdem marschieren vor allem junge Kader mit modernen Rucksäcken oder Pistolenholstern über Schweizer Waffenplätze.
Das bereitet den Kommandanten und Feldweibeln Probleme. Eigentlich sollten sie eine einheitliche Ausrüstung durchsetzen. Privat beschafftes Waffenzubehör kann bei Gefechtsschiessen sogar gefährlich werden – hier gelten strikte Verbote. Die Sicherheitsvorschriften sind auf offizielles Armeematerial ausgelegt.
Während das gut begründet und verboten werden kann, ist dies etwa bei einer online gekauften Tragweste schwierig. Vor allem, wenn diese bei den Spezialkräften bereits verwendet wird – sie ist quasi schon offizielles Armeematerial, das sich der Soldat einfach selber beim Händler beschafft hat. Auf das MBAS, das ihm einst auf 2022 versprochen wurde, will er nicht mehr warten.