Swisscom-CEO Christoph Aeschlimann erklärt, wie wichtig der Telekomkonzern für die nationale Sicherheit ist, wo Swisscom noch wachsen will und ob er sich nochmals einen Tesla kaufen würde.
Sie sind vier Jahre lang einen Tesla gefahren. Würden Sie wieder einen kaufen?
Ich war damals sehr zufrieden. Aber jetzt würde ich es mir zweimal überlegen.
Weil es jetzt peinlich ist?
Nein, nicht peinlich. Das Auto ist nach wie vor ein sehr gutes Auto. Aber man kann sich schon gewisse Fragen darüber stellen, wie sich der Besitzer der Firma benimmt.
«I bought this before Elon went crazy»: Mehr und mehr Tesla-Fahrer haben einen solchen Kleber am Heck. Was ist Ihre Meinung? Sind Musk und Trump verrückt geworden?
Es ist nicht meine Rolle, diese Personen zu kommentieren. Ich glaube, Elon Musk hat unbestritten sehr Grosses geleistet. Er hat mehrere Firmen gross gemacht und unglaubliche Innovationen hervorgebracht. Aber er ist sicher auch eine exzentrische Person.
Sie müssen doch eine Haltung zu ihm haben. Immerhin verhandeln Sie mit Musks Firma Starlink und mit Kuiper von Jeff Bezos im Rahmen der Grundversorgung über ein Satellitenangebot.
Ja, wir verhandeln mit diesen Firmen, aber nicht mit den Besitzern, sondern mit Repräsentanten der Firmen.
Das machen Sie sich jetzt zu einfach.
Ja, klar, aus Schweizer Sicht sieht das natürlich schon komisch aus, was da abläuft.
Zur Person
Christoph Aeschlimann – CEO Swisscom
Seit Juni 2022 ist Aeschlimann CEO der Swisscom mit über 19 000 Mitarbeitenden, davor leitete er den Geschäftsbereich IT, Netzwerk und Infrastruktur. Vor seiner Zeit beim Telekommunikationskonzern war er CEO des Schweizer Software-Entwicklers Erni. Er hat ein Diplom als Informatik-Ingenieur der ETH Lausanne und einen MBA der McGill University in Kanada.
Sie haben noch nicht unterschrieben?
Nein, wir haben noch gar nichts entschieden.
Wann fällt denn der Entscheid?
Im Verlaufe dieses Jahres.
Mit einem solchen Deal würde die Schweiz ja ähnlich wie das restliche Europa zu einer digitalen Kolonie der USA werden.
«Digitale Kolonie», das ist etwas an den Haaren herbeigezogen. Wir besitzen in der Schweiz eine hervorragende Netzinfrastruktur, grundsätzlich sind wir souverän. Es gibt noch gewisse Lücken in diesen Netzen, und jetzt geht es darum, wie man diese Lücken am sinnvollsten füllt.
Aber die digitale Kolonie ist ein Fakt. Wenn wir nur schon am Morgen unser iPhone in die Hand nehmen und die Whatsapp-Nachrichten checken, wird es augenfällig. Sollte am Ende die Telekommunikation auch noch über die Satelliten der Amerikaner laufen, sind wir gefährlich abhängig.
Ich habe das mehr in Bezug auf unsere Netze gemeint. Wenn wir jetzt Satelliten einsetzen würden oder werden, ist das nur ein marginaler Teil unserer Netzinfrastruktur. Der mit Abstand grösste Teil der Daten läuft über unsere eigene Swisscom-Infrastruktur. Da sind wir sehr gut aufgestellt und unabhängig. Aber natürlich, wenn man die Apps anschaut, geht ohne die USA nichts. Ich glaube, viele Nutzer realisieren nicht, was diese Firmen mit den Daten der Konsumenten machen. Es ist auch wichtig, dass Europa jetzt aufwacht und unabhängige Anbieter aufbaut.
Sie sagen, man wisse nicht, was die Amerikaner mit den Daten machten. Bei Starlink ist der Besitzer Teil der Regierung von Donald Trump. Ist das für Sie nicht ein Ausschlusskriterium, mit ihnen noch zu verhandeln?
Wieso sollte das ein Ausschlusskriterium sein?
Weil Sie nicht wissen, welche staatliche Institution bei Starlink mitliest und mitentscheidet.
In meiner Welt ist die USA immer noch ein Rechtsstaat, wo Gesetze gelten.
In den meisten anderen Welten nicht mehr.
Gut, die Präsidenten sind ja auch nicht auf ewig gewählt. Da gibt es auch eine Amtszeitbeschränkung.
Welchen Einfluss politische Entscheidungen der US-Regierung auf die Schweiz haben, zeigt die Exportbeschränkung für Hochleistungscomputerchips für die Schweiz. Die Swisscom arbeitet für eine KI-Initiative mit dem amerikanischen Chips-Hersteller Nvidia zusammen. Was sagen Sie zu dieser Einfuhrbeschränkung?
Es ist für unser Land sicher nicht gut, wenn sie eingeschränkt wird. Für die Schweiz wäre es wichtig, dass sie auf die Liste der privilegierten Länder kommt.
Neben Nvidia ist auch Amazon einer Ihrer wichtigen Partner. Sie arbeiten seit zwei Jahren zusammen an der Cloud-Lösung der Swisscom. Würden Sie Stand heute wieder eine Partnerschaft eingehen?
Diese amerikanischen Firmen sind im Moment führend in ihrem Feld. Es gibt zwar noch asiatische oder konkret chinesische Alternativen, aber in Europa gibt es kein vergleichbares Angebot.
Also hätte es keine Alternative gegeben.
Andere Lösungen wären mit viel mehr Aufwand, höheren Kosten und weniger Innovation verbunden. Das muss man am Ende gegen Themen wie Souveränität und Abhängigkeit abwägen.
Und die Kunden fragen nicht nach einer rein schweizerischen Cloud-Lösung?
Doch, diese bieten wir auch schon seit vielen Jahren an. Die Firmenkunden entscheiden, was in einer privaten Cloud in der Schweiz laufen muss und was nicht unbedingt. Das hängt davon ab, wie sensitiv die Daten sind.
Sensitivität ist das entscheidende Stichwort. Können Sie ausschliessen, dass es bei den Produkten, die Sie zusammen mit amerikanischen Firmen anbieten, keine Hintertüren für die CIA gibt?
Zumindest keine, die uns bekannt sind.
Sie können es also nicht ausschliessen.
Man kann auch nicht beweisen, dass ein System fehlerfrei ist, das ist unmöglich. Und wenn es eine Lücke gibt, müssen Hacker auch erst einmal die Daten herausbekommen. Das überwachen wir, und es ist unsere Aufgabe, dass wir diese Infrastrukturen sicher betreiben.
Apropos Geheimdienst: In diesen Kreisen wähnen sich manche schon am Vorabend des dritten Weltkriegs, unter anderem wegen der Intensität globaler Cyberattacken. Ist das übertrieben oder eine reale Gefahr?
Cybersecurity ist ein Riesenthema. Wir haben Jahr für Jahr mehr Angriffe. Mittlerweile registrieren wir monatlich über 200 Millionen Angriffe auf unsere Infrastruktur. Es wird auch immer mehr in den Schutz gegen Cyberattacken investiert.
Um welchen Faktor haben die Angriffe in den letzten zehn Jahren zugenommen?
Aufgrund neuer Technologien lässt sich diese Zahl nicht direkt vergleichen. Angriffe sind heute besser erkennbar. Auf der anderen Seite ist es heute sehr einfach, Hackerangriffe ohne besondere Kenntnisse zu starten – Cybercrime quasi als Dienstleistung.
Woher kommen die meisten Angriffe, und was sind die häufigsten Ziele hierzulande?
Es wird eigentlich alles angegriffen, was sicht- und angreifbar ist. Hacker zielen zuerst darauf ab, Ziele zu finden. Und dann versuchen sie, offene Türen zu entdecken und da reinzugehen. Ein PC, der ungeschützt online geht, der wird in weniger als fünf Minuten gefunden und gehackt.
So genau wollten wir es nicht wissen. Nochmals: Woher kommen die meisten Angriffe? Und was sind die beliebtesten Ziele in der Schweiz?
Dazu machen wir keine Aussage.
Die USA sind also auch unter diesen Angreifern?
Ja, natürlich hat es da auch Angreifer. Hacker sind auf der ganzen Welt verstreut. Die agieren unter anderem aus dem Home-Office, etwa um Geld zu erpressen.
Wie müssen wir uns das vorstellen: Sitzen Sie und Ihre Leute jede Woche mit dem VBS und dem Nachrichtendienst zusammen und erörtern die Bedrohungslage?
Das Erste und Wichtigste ist immer: Wir sind dafür verantwortlich, unsere Infrastrukturen zu schützen. Wir investieren immer mehr Mittel in diese Abwehr. Und natürlich sind wir auch in einem regen Austausch mit den relevanten Gremien in der Schweiz. Mit dem Bund, der Armee, dem Nachrichtendienst. Wir informieren uns gegenseitig über Bedrohungslagen, damit wir koordiniert agieren können.
Was heisst das, Sie investieren immer mehr?
Wir haben mittlerweile über dreihundert Personen bei Swisscom, die Cybersecurity betreiben, für uns und unsere Kunden. Wir bieten den Geschäftskunden in der Schweiz auch bald ein neues Produkt im Bereich der IT- und Informationssicherheit an, um diese vor Angriffen zu schützen.
Die Schweiz ist also nur bedingt abwehrbereit im Cyberwar.
Die Schweiz macht das grundsätzlich sehr gut. Es gibt viele Firmen, die sich hervorragend schützen. Das sind insbesondere die grossen Unternehmen, die auch die Mittel haben und das Wissen und die IT-Abteilungen. Aber es gibt auch Hunderte von Servern, die nicht richtig geschützt sind in der Schweiz. Da gibt es definitiv Handlungsbedarf.
Wie sieht denn das Schutzniveau bei den staatlichen Institutionen aus?
Das kann ich zu wenig beurteilen.
Sie sind oft der Partner.
Der Bund ist wie eine grosse Firma. Er hat viel Know-how und Kompetenzen und ist grundsätzlich gut aufgestellt.
Wenn man etwa die internen Revisionsberichte vom VBS liest, ist das schwer zu glauben. Die wissen nicht, wo ihre Daten lagern. Die Cyberabwehr hat zu wenig Personal. Das wirkt eher wie ein offenes Scheunentor.
Ich lese dieselben Berichte wie Sie. Der Bund muss für sich selbst beurteilen, wo er Handlungsbedarf hat. Wir helfen sicher gerne mit, wenn wir angefragt werden.
Na ja, das klingt jetzt sehr bescheiden. Die Swisscom ist ein integraler Bestandteil der nationalen Sicherheit. Angesichts der geopolitischen Situation ist deshalb auch das Thema Privatisierung vom Tisch.
Laut der Analyse des Bundesrats ist der Hauptgrund für die Bundesmehrheit an der Swisscom die nationale Sicherheit oder eine gewisse Souveränität. Das zeigt einfach das neue Bewusstsein.
Wie traurig sind Sie, dass es mit der Privatisierung vorläufig nichts wird?
Solange der Bund der Swisscom gewisse unternehmerische Freiheiten gibt, können wir gut mit dieser Bundesmehrheit leben.
Immerhin bleibt Ihnen die Staatsgarantie erhalten, falls der 8-Milliarden-Euro-Deal in Italien ein Flop werden sollte.
Ich glaube nicht, dass wir eine Staatsgarantie brauchen und haben. Die Swisscom hat seit dem Börsengang 24 Milliarden Franken an den Bund ausgeschüttet.
Jedes Jahr wollen Sie durch den Zusammenschluss von Vodafone und Fastweb Synergien von 600 Millionen Euro holen. Synergien sind wie das Loch-Ness-Ungeheuer, alle reden darüber, keiner hat es je gesehen. Warum soll das bei Ihnen anders sein?
Auf der Kostenseite gibt es klare Hebel, wie wir diese Synergien jetzt realisieren wollen. Zuerst werden wir die Fastweb-Mobilfunkkunden auf das Vodafone-Netz migrieren. Das generiert alleine jährlich 200 Millionen Euro an Einsparungen. Das ist schon ein Drittel von diesen 600 Millionen Euro. Das werden wir dieses Jahr umsetzen und dann ab nächstem Jahr realisiert haben.
Und wie viele Vodafone-Mitarbeiter müssen gehen?
Es gibt gewisse Überlappungen auf der Personalseite, zum Beispiel im Finanzbereich. Da werden wir einige Stellen reduzieren. Wir werden versuchen, das meiste über Pensionierungen und Fluktuationen abzufedern. Aber wir bauen an anderen Stellen auch wieder neue Stellen auf. Insgesamt reden wir von ein paar hundert Stellen auf insgesamt 7000 Arbeitsplätze in Italien.
Die Qualität des Mobilfunknetzes ist in Italien deutlich tiefer, die Zahlungsbereitschaft der Italiener und das Preisniveau auch. Wie wollen Sie da eine Wachstumsgeschichte schreiben?
Indem wir die Angebote wie in der Vergangenheit weiter ausbauen.
Vielleicht braucht es mehr Phantasie. Vodafone Italien war das schlimmste Sorgenkind im Vodafone-Konzern. Warum sollte es bei Ihnen besser laufen?
Wir haben in Italien zwischen 26 und 30 Prozent Marktanteil. Wir können neue Kundinnen und Kunden gewinnen, wir können neue Angebote lancieren. Im Energiebereich oder im IT-Lösungsgeschäft ist der italienische Markt stark fragmentiert. Da gibt es noch viele Wachstumsmöglichkeiten.
Gibt es auch Synergien zwischen Italien und der Schweiz?
Wir haben eine sehr ähnliche Kundenbasis, wir betreiben genau das gleiche Geschäft. Das heisst, da kann man sich austauschen dazu, wie man das Geschäft führt. Man kann gewisse Dinge sicher auch zusammenfassen.
Das heisst, es gibt Doppelspurigkeiten zwischen Italien und der Schweiz, und die könnten zu weiteren Kosteneinsparungen führen.
Genau.
Auch zu Personalabbau?
Eher Einsparungen. Einiges läuft besser in Italien und umgekehrt. Jeder kann vom anderen profitieren. Wir haben uns etwa angeschaut, wie Callcenters in Italien funktionieren. Da gibt es Prozesse, die wir für die Schweiz übernehmen wollen.
Da haben Sie Impulse auch dringend nötig. Das Geschäft in der Schweiz schrumpft. Ihre Suche nach der Wachstumsphantasie wirkt mitunter wie die hektische Weiterentwicklung der Swisscom in einen Gemischtwarenladen. Da fragt man sich, was als Nächstes kommt.
Bei einer Firma in der Grösse der Swisscom braucht es auch eine gewisse Breite an Angeboten und Produkten, damit wir überhaupt für alle Kunden relevant sind.
Warum genau passen Kinos zu einer Telekommunikationsfirma?
Wir würden heute keine Kinokette neu dazukaufen. Aber wir haben sie seit dem Kauf von Cinetrade und dem Einstieg ins TV-Geschäft vor rund zwanzig Jahren. Sie ist auch profitabel. Ausserdem sind wir in der ganzen Verwertungskette im Entertainment stark vertreten. In diesem Sinne passen die Kinos schon auch dazu.
Und das umstrittene Modelabel 079?
Die Ambition war nie, ein Modegeschäft aufzubauen. 079 ist eine Kampagne, die nun ausläuft. Und sie hat auch sehr viel Kommunikation generiert.
Stimmt, die Entrüstung war gross. Haben Sie auch selber Swisscom-Mode im Kleiderschrank?
Ja, das 079-Fussballshirt habe ich zu Hause. Das trage ich regelmässig.
Den Anspruch auf ein sportliches Wachstumstempo müssen Sie in der Schweiz beerdigen, wenn Sie ehrlich sind.
Die Telekommunikation ist ein grosses Geschäftsfeld. Wenn Sie dort 1 oder 2 Prozent Umsatzrückgang haben, dann heisst das bei uns einfach 50 oder 100 Millionen Franken, die wegfallen. Und wenn Sie auf der anderen Seite 30 Millionen Franken aufbauen, dann haben Sie netto immer noch einen Rückgang. In diesem Sinne ist der Aufbau von neuen Geschäften absolut zentral für den Erfolg der Swisscom. Niemand will in einer schrumpfenden Firma arbeiten.
Fakt ist, es funktioniert nicht. Wird es früher oder später ein Sparprogramm geben?
Das Telekommunikationsgeschäft ist rückläufig, die Stellen gehen tendenziell zurück. Aber das IT-Geschäft mit Firmenkunden wächst. Dort bauen wir laufend Stellen auf. Und wir sind erfolgreich unterwegs.
Weil Sie erfolgreich schrumpfen?
Ja, über alles gesehen ist der Umsatz leicht rückläufig. Aber wir haben sehr viele Themen, die erfolgreich gewachsen sind. Cybersecurity und Anwendungen mit künstlicher Intelligenz wachsen sehr stark, mit über 40 Prozent.
Apropos schwierige Aufgabe: Gibt es eigentlich einen Clash of Cultures zwischen der Schweiz und Italien?
Keinen Clash, aber Italien ist schneller und unternehmerischer unterwegs. Die Schweiz ist hingegen strukturierter. Das braucht es jetzt auch mehr in Italien.
Sie sind jetzt häufiger in Mailand. Wie ist Ihr Italienisch inzwischen?
Eher rudimentär.
Also eine echte Wachstumsphantasie.
Sagen wir es so: Ich bin dran, mir Kenntnisse anzueignen. Aber für eine Verhandlung oder ein Interview reicht es noch nicht.
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