In zwei Monaten findet der ESC in Basel statt. Die Zürcherinnen und Zürcher können das Spektakel auch vor einem grossen Bildschirm mitverfolgen.
Die Stadt Zürich hat im letzten Sommer eine Niederlage einstecken müssen, mit der sie so gar nicht gerechnet hatte: Nicht Zürich, sondern Basel ist zum Austragungsort des Eurovision Song Contest (ESC) erkoren worden.
Ja, Basel.
Dabei war man sich an der Limmat so sicher: Zürich und der ESC, das passt perfekt zusammen. 20 Millionen Franken wollte die Stadt für den Anlass bereitstellen, im Parlament genehmigte eine Dreiviertelmehrheit den entsprechenden Kredit elektrisiert. Durchgeführt werden sollte der ESC im Hallenstadion, der grössten Konzerthalle der Schweiz. Alles schien bereit. Doch das Schweizer Fernsehen entschied anders.
Der Gesangswettbewerb wird nun also am 17. Mai in der St. Jakobshalle in der Host-City Basel stattfinden. Zürcherinnen und Zürcher, die das Spektakel mitverfolgen wollen, müssen deshalb eine Reise in den Nordwesten der Schweiz unternehmen – oder sich in der Heimat mit einem Bildschirm begnügen.
Ein bisschen Partystimmung rund um den Mega-Anlass soll auch in Zürich aufkommen. Am Mittwoch hat die SVP im Stadtparlament mit einem Vorstoss angeregt, Public Viewings auf öffentlichem Grund «unbürokratisch und ohne zusätzliche Auflagen» zu bewilligen.
Dass ausgerechnet die SVP dem Gesangswettbewerb so wohlgesinnt ist, erstaunt im ersten Moment. Denn sie hatte sich vehement dagegen ausgesprochen, den ESC nach Zürich zu holen – dieser müsse selbsttragend sein und dürfe nicht zulasten der Steuerzahler gehen, so das Argument. Nachdem das Stadtparlament den 20-Millionen-Kredit genehmigt hatte, ergriff die Junge SVP gar das Referendum.
Auch am Mittwoch schien es zunächst, als hätte sich an der Haltung der SVP nichts geändert. Der Fraktionschef Samuel Balsiger sagte, er sei stolz darauf, dass die SVP den Anlass in Zürich verhindert habe. Nach deren Intervention habe die SRG Angst bekommen und Zürich nicht in die engere Auswahl genommen.
Im selben Atemzug machte Balsiger auch klar, dass er für das Lied der Sängerin Zoë Më, die die Schweiz am ESC vertritt, wenig übrig hat: «Voyage» sei eine «französische Ballade, die auch vor fünfzig Jahren hätte geschrieben werden können». Gegen den Eurovision Song Contest an sich habe man aber nichts, erklärte er. Und die Gastrobetriebe in der Stadt sollten daran verdienen können. Deshalb seien Public Viewings eine gute Sache.
Gegenwehr gab es von der Alternativen Liste. Diese hatte im November 2022 erfolgreich Public Viewings im Rahmen der Fussball-WM in Katar gebodigt, weil diese «menschenunwürdig und klimafeindlich» sei.
Nun sind die Umstände beim ESC bekanntlich etwas anders. Der Anlass feiert Werte wie Toleranz und Weltoffenheit, auch wenn letztes Jahr in Malmö rund um den Auftritt der israelischen Wettbewerbsteilnehmerin Eden Golan an Demonstrationen israelfeindliche Parolen skandiert worden waren. Und es muss auch niemand mit dem Flugzeug in einen Wüstenstaat reisen, sondern man kann den Zug nach Basel nehmen.
Trotzdem stellte sich die AL auch dieses Mal gegen Public Viewings. Der öffentliche Grund sollte in erster Linie für unkommerzielle Nutzungen zur Verfügung stehen, sagte Michael Schmid. Der Vorstellung, «den ESC auf einer zwei mal zwei Meter grossen Leinwand mitzuverfolgen und zusätzlich zum Eintrittspreis acht Franken für ein Bier zu bezahlen», konnte er wenig abgewinnen.
Schmid war auch dagegen, bei den Auflagen für Public Viewings ein Auge zuzudrücken. Diese seien durchaus sinnvoll, etwa um die Emissionen für Anwohnerinnen und Anwohner in einem «erträglichen Mass» zu halten oder den Zugang zu einem Areal für Blaulichtorganisationen zu gewährleisten.
Mit dieser Haltung fand die AL aber keine Mehrheit. Die Umstände seien ganz anders als während der WM in Katar, sagte Nicolas Cavalli (GLP). Es handle sich beim ESC auch nicht um eine Klamauk-Veranstaltung oder den «Inbegriff von Kapitalismus», wie es die AL impliziere. Die GLP sei grundsätzlich offen für Grossveranstaltungen. «Die Stadt lebt, wenn Leute in den Beizen und auf den Strassen unterwegs sind.» Deshalb unterstütze man das Anliegen der SVP.
Schliesslich wurde der Vorstoss mit grossem Mehr an den Stadtrat überwiesen. Den Public Viewings zum ESC dürfte somit nichts mehr im Wege stehen – und Zürich kann die Schmach, den Anlass an Basel verloren zu haben, vielleicht doch noch überwinden.