Das Geschäft brummt. Der deutsche Sportartikelhersteller hat derzeit die Chance, dem grossen Konkurrenten Nike Marktanteile abzunehmen. An der Börse spiegelt sich das ungenügend, für Anleger eine interessante Konstellation.
3:0 und 2:0: Es dürften zwei Resultate so recht nach dem Geschmack von Adidas gewesen sein. Bayern München – mit den bekannten drei Streifen auf der Brust – deklassierte Anfang März in der Champions League und damit auf der grösstmöglichen Fussballbühne den Rivalen Bayer Leverkusen in Castore-Ausstattung.
Auch an der Börse läuft es trotz des jüngsten Rücksetzers für die von The Market empfohlene Adidas im Vergleich zu den Konkurrenten Puma und Nike. Es spricht einiges dafür, dass der Sportartikelhersteller das Tempo halten kann.
Adidas produziert vor allem Schuhe, wobei deren Umsatzanteil in den vergangenen zehn Jahren gewachsen ist, aber auch Bekleidung für Sport und Freizeit sowie Zubehör gehören zum Angebot.
Sportlerbekleidung ist ein Wachstumsmarkt. Das gründet zum einen im gestiegenen Gesundheitsbewusstsein der Menschen, aber auch in der Veränderung des modischen Geschmacks. Das Analysehaus Verified MarketResearch rechnet damit, dass der weltweite Sportbekleidungsmarkt bis 2031 jedes Jahr um fast 7% wachsen wird.
Ein grosses Spielfeld zur Verfügung zu haben ist aber nicht automatisch gleichbedeutend mit grossem Erfolg. Drei Faktoren erschweren Adidas das Geschäft.
- Die Wachstumsaussichten ziehen auch die Konkurrenz an, Puma zum Beispiel oder Nike, aber auch Under Armour oder relativ neue Wettbewerber wie On oder Hoka.
- Der Trend hin zu «Athleisure», einem hybriden Kleidungsstil aus Sport- und Freizeitmode, ist herausfordernd. Die Crux: Weil neue Anbieter teilweise ohne Athletikhintergrund auftauchen, drohen die arrivierten Anbieter austauschbar zu werden, urteilt das Beratungshaus KPMG.
- Der Krieg in der Ukraine, die Wirren der US-Politik und die Wachstumsschwäche in Deutschland machen die Verbraucher einkaufsmüde. So ist das GfK-Konsumklima in Deutschland deutlich gesunken. Auch in den USA schwächen sich die Konsumindikatoren ab.
Im Markt für Schuhe und Mode gibt es keinen natürlichen Burggraben. Schützen kann Adidas sich vor neuen Konkurrenten nicht, bestätigt Thomas Jökel, Fondsmanager und Konsumgüterexperte der Fondsgesellschaft Union Investment. Allerdings könne sich das Unternehmen auf ein solches Umfeld vorbereiten, etwa durch neuartige Produkte, die den Geschmack der Kunden treffen, aber auch durch eine starke Marke.
So lancierte das Unternehmen mit Sitz in Herzogenaurach sowohl erfolgreiche Modeprodukte wie die Superstar 92-Sneaker mit dem amerikanischen Musiker Pharrell Williams als auch ernsthafte Sportschuhe wie der Adizero Prime X 2.0 Strung mit Carbon-Einsätzen für die Langstrecke. Begehrlichkeiten wecken sollen auch Markenbotschafter. In den USA etwa hat Adidas zuletzt die NBA-Spielerin Satou Sabally und den College-Football-Spieler Travis Hunter unter Vertrag genommen. Dazu brauche es tiefe Taschen, sagt Fondsmanager Jökel. Marketing koste Geld, aber es rechne sich. Knapp 12% gab Adidas 2024 für Marketing und Point-of-Sale-Aktivitäten aus, 12% mehr als im Vorjahr. «Aufmerksamkeit ist gut fürs Geschäft», so fasst es CEO Bjørn Gulden auf der Bilanzpressekonferenz.
Tatsächlich ist der Umsatz seit 2014 nahezu kontinuierlich gestiegen: von 14,5 Mrd. € auf 23,7 Mrd. im vergangenen Jahr. Allein 2024 betrug das Plus 10,5%. Nachdem 2023, das Jahr der Übernahme durch Gulden, noch ein Übergangsjahr gewesen war. Zum Vergleich: Puma verzeichnete 2024 lediglich ein Wachstum von 2,5%, beim Branchenprimus Nike ging der Umsatz zum Stichtag Ende 2024 (Geschäftsjahr per Ende Mai) sogar um 5% zurück.
«Der Gorilla liegt am Boden, Arme und Beine zeigen in die Luft», so Fondsmanager Jökel. Adidas könnte Nike also Marktanteile abnehmen. Man könne überall die Nummer 1 werden, nur nicht in den USA, sagte Gulden auf der Pressekonferenz.
Für das laufende Jahr prognostiziert Adidas ein Umsatzwachstum im hohen einstelligen Prozentbereich – zu wenig für die Börse. Allerdings neigen Gulden und sein Finanzchef Harm Ohlmeyer zu konservativen Prognosen. Das Analysehaus Stifel nennt das die Gulden-Methode, «under-promise and over-deliver»: vorsichtige Prognosen abgeben und sie dann übertreffen.
Diese Vorsicht ist durchaus angebracht. Schliesslich ist nicht absehbar, welche Zölle US-Präsident Donald Trump noch verhängen wird. Adidas setzt vor allem auf Indonesien und Vietnam als Produktionsstandorte, um die USA zu beliefern.
Auch der operative Gewinn vor Abschreibungen Ebitda zeigt nach oben. Im Jahr 2014 erzielte Adidas ein Ebitda von 1,2 Mrd. €, 2024 waren es 1,8 Mrd. Für die kommenden Jahre trauen Analysten dem Unternehmen noch mehr zu.
Schaut man auf die Ebitda-Marge, liegt Adidas mit 7,8% für 2024 unter dem Schnitt der vergangenen zehn Jahre (9,3%). 2025 und 2026 soll mit mehr als 12 beziehungsweise 14% aber wieder mehr drin liegen, zeigen die Vorhersagen der Analysten. Demgegenüber erwartet der Konsens bei Nike ein Rückgang von 14,8% 2024 auf 10,6% im laufenden Jahr.
Dabei arbeitet Adidas allerdings nicht so rentabel wie Nike, zeigt die Kapitalrendite (Return on Invested Capital, ROIC) von 8,8% im Vergleich zu 19% im letzten Geschäftsjahr. Damit haben die Deutschen die Kapitalkosten nur knapp erwirtschaftet. Die kleinere Puma indes rangiert mit einer Rendite von 10,9% in etwa auf dem Niveau von Adidas. Kostenmassnahmen, wie die Vision einer schlankeren Zentrale, das Unternehmen will sich von bis zu 500 Mitarbeitern in Herzogenaurach trennen, dürften dabei helfen, künftig mehr Wert für die Aktionäre zu schaffen.
Ein wichtiger Faktor für die positive Entwicklung ist CEO Gulden. Er hat das Unternehmen bei seinem Amtsantritt umgekrempelt und zum Beispiel Entscheidungsbefugnisse in die Landesgesellschaften verlagert. Dort wisse man am besten, wie der lokale Markt funktioniere, nicht in «Herzo», wie die Zentrale im Firmenjargon genannt wird.
Folgen für Adidas könnte eine Personalie bei Nike haben. Dort steht nun mit Elliott Hill wieder ein «Produktmensch» an der Spitze, wie Simon Jäger, Portfoliomanager und Analyst beim Vermögensverwalter Flossbach von Storch, sagt. Sein Vorgänger John Donahoe habe vor allem auf die Direct-to-Customer-Strategie gesetzt. Doch der Ansatz mit weniger Präsenz- und mehr Onlinehandel floppte, weshalb Hill angeheuert wurde. Dessen Ansatz, die Verbindung zum Handel zu stärken, erinnert an Gulden und dürfte den Wettbewerb zwischen den beiden Unternehmen langfristig verschärfen. Allerdings werde Nike noch einige Zeit brauchen, um den optimalen Platz in den Regalen der Einzelhändler zu finden, meint Jäger.
Auch Fondsmanager Jökel ist optimistisch – unter anderem, weil Adidas dank Schuhen wie Samba oder Handball Spezial immer noch viel Markenmomentum hat. Ein solches Momentum kann drei bis fünf Jahre anhalten.
Irgendwann endet freilich auch das stärkste Momentum. Helfen können dann die umfangreichen Archive. Weil Modezyklen sich wiederholen, kann sich das Unternehmen daraus bedienen und etwa den Retro-Trend bei den Sneakern weiter spinnen. Dazu kommt: Gulden setzt auch auf den Sport, etwa Krafttraining oder Trekking. Dieser Markt ist weniger von Modetrends geprägt als das Lifestyle-Segment. Man sei also nicht so schnell «in» und wieder «out», sagt Jäger. Vorausgesetzt, die Markenstrahlkraft wird stetig befeuert.
Dafür hat Adidas eine gute finanzielle Ausgangslage, weil sie ihre Nettoverschuldung von 2022 bis 2024 von fast 5,6 Mrd. auf gut 3 Mrd. € gesenkt hat. Im Verhältnis zum Ebitda wird der dadurch gewonnene Spielraum deutlich: 2022 lag die Kennzahl bei 2,9, 2024 bei 1,2. Für das Kostenbewusstsein sprechen auch die geplanten Stellenkürzungen in Herzogenaurach.
Der Verbraucher kann ebenso ein Problem sein, viele Konsumgüterhersteller sind insbesondere mit Blick auf den US-Markt zuletzt pessimistischer geworden. Die Konsumentenstimmung hat sich eingetrübt. Allerdings träfe die Shopping-Müdigkeit der US-Kunden die Deutschen nicht so hart wie Nike, die dort über 40% ihres Umsatzes erzielen, bei Adidas sind es etwas über 20%. Zuletzt war das US-Wachstum zudem mit 15% noch robust.
Trotz des jüngsten Kursrücksetzers distanziert sich Adidas an der Börse von der Konkurrenz.
Die Aktien sind mit Blick auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) basierend auf dem geschätzten Gewinn der kommenden zwölf Monate aber weiterhin niedriger bewertet als jene von Nike.
Im Vergleich mit den vergangenen fünf Jahren weisen die Aktien mit einem KGV von 29 für 2025 eine deutliche Prämie auf. Lassen sich die skizzierten Wachstumsaussichten und die Profitabilitätsverbesserungen umsetzen, dürften sie aber in die Bewertung hineinwachsen.
Adidas hat unter Gulden die Hausaufgaben gemacht, um den Herausforderungen langfristig begegnen zu können. So kann das Unternehmen mit einer Mischung aus neuen Produkten und Markenmomentum Marktanteile gewinnen. Es hat auch einen bewährten Plan, beim Kunden Begehrlichkeiten zu wecken. Dieser ist auch nötig: Das Umsatzwachstum muss in den kommenden Jahren hoch bleiben, um die Kursentwicklung zu rechtfertigen. Auf einen zögerlichen Ausblick reagiert die Börse derzeit schnell mit einer gelben Karte.