Der Textilmaschinenhersteller Rieter befindet sich seit über drei Jahren im Abschwung. Das Management versucht zu sparen, wo es nur geht. Der Konzernchef verzichtet freiwillig auf 10 Prozent seines Fixsalärs.
Die Kleiderschränke vieler Konsumenten würden überquellen, heisst es immer wieder. Auch fehle den Leuten wegen der deutlich gestiegenen Lebenshaltungskosten das Geld für neue Outfits.
Kleiderhändlern läuft es besser als Maschinenbauern
Trotz diesen Vorbehalten lief es der Modebranche im vergangenen Jahr aber nicht schlecht. Die Umsätze mit Bekleidung und Accessoires stiegen laut dem Datenanbieter Statista in allen drei Hauptmärkten der Branche. Am stärksten fiel das Wachstum mit 3 Prozent in Europa aus. 2024 gaben europäische Konsumenten umgerechnet fast 490 Milliarden Dollar für Bekleidung aus. In den USA betrug die Steigerung 2 Prozent. Am schlechtesten lief es für die Branche in China, wo wegen der angespannten Konsumstimmung die Verkäufe beinahe stagnierten.
In der Erfolgsrechnung des weltgrössten Herstellers von Spinnereimaschinen, Rieter, spiegelte sich die robuste Verfassung der Modemärkte indes noch nicht – im Gegenteil. Der Winterthurer Traditionskonzern erlebte 2024 ein weiteres Krisenjahr.
Nur knapp an Verlust vorbeigeschrammt
Bereits bekannt gewesen war der Umsatzeinbruch von 39 Prozent auf 859 Millionen Franken. Wie die Investoren am Donnerstag an der Bilanzmedienkonferenz erfuhren, sank das Betriebsergebnis (Ebit) um über 70 Prozent. Mit 28 Millionen Franken verfehlte es sogar noch um rund 10 Prozent die tiefen Erwartungen, die Finanzanalytiker im Durchschnitt in den operativen Gewinn des Unternehmens gesetzt hatten.
Das Konzernergebnis, das von 74 auf 10 Millionen Franken fiel, bewegte sich nicht weit von der Verlustzone. Wie Thomas Oetterli, der CEO von Rieter, sagte, kämpften Textilmaschinenhersteller 2024 mit einem abermals widrigen Marktumfeld. Mittlerweile sei man im Jahr Nummer vier des Abschwungs angelangt. «Egal, mit wem man in der Branche spricht, an eine derart lange Krise kann sich niemand erinnern.»
Die meisten Spinnereien hielten sich denn auch noch immer mit Investitionen zurück. Der Branche setzten ausser in Indien, wo die Kapazitätsauslastung befriedigende 87 Prozent erreichte, weiterhin Überkapazitäten zu. In China, dem weltgrössten Absatzmarkt für Spinnereimaschinen, erholte sich die branchenweite Auslastung laut Rieter lediglich um einen Prozentpunkt auf 56 Prozent. Im Rest der Welt beschränkte sie sich auf 68 Prozent.
Sparen auch bei der Forschung und Entwicklung
Die schwache Marktnachfrage zwang Rieter, stark auf die Kosten zu achten. So wurden die Ausgaben für Forschung und Entwicklung um über einen Fünftel zurückgefahren. «Wir haben den Gürtel überall enger geschnallt», sagte der Finanzchef Oliver Streuli.
Streuli, der als enger Vertrauter des Grossaktionärs Peter Spuhler gilt, erwähnte, dass man auch die Reisekosten drastisch beschnitten habe. Zudem habe das Unternehmen an fast allen Standorten Kurzarbeit für die Beschäftigten eingeführt.
Am Hauptsitz in Winterthur müssen die Mitarbeitenden deswegen einen oder zwei Arbeitstage pro Woche zu Hause bleiben. Weil dies mit Lohneinbussen einhergeht, will auch der CEO mit gutem Beispiel vorangehen. Er verzichte auf 10 Prozent seines Basissalärs, sagte er. Im vergangenen Jahr betrug dieses 850 000 Franken, die gesamte Vergütung Oetterlis erreichte 2,2 Millionen Franken.
Analytiker waren mit ihren Schätzungen zu optimistisch
Im vergangenen Oktober musste Rieter in Winterthur einen weiteren Stellenabbau bekanntgeben, nachdem es dort bereits im Vorjahr ebenso wie an anderen Standorten zu einer Restrukturierung gekommen war. Weitere Personalmassnahmen seien am Hauptsitz nicht mehr geplant, sagte Oetterli.
Allerdings rechnet das Unternehmen erst in der zweiten Hälfte des laufenden Jahres mit einer Belebung seiner Geschäfte. Insgesamt dürfte der Umsatz lediglich auf dem schwachen Vorjahresniveau von knapp 900 Millionen Franken verharren.
Die meisten Marktbeobachter wurden dadurch auf dem falschen Fuss erwischt. Sie waren bisher von einer deutlichen Erholung auf knapp 1,2 Milliarden Franken ausgegangen. Auch die Prognose für die Ebit-Marge, welche das Rieter-Management bei 0 bis 4 Prozent sieht, zeugt von wenig Zuversicht. Finanzanalytiker hatten bis anhin mit einer Verbesserung auf knapp 6 Prozent gerechnet.
Der Aktienkurs des Unternehmens tauchte am Donnerstag bis zum Nachmittag um rund 5 Prozent auf unter 82 Franken. Zuvor hatte er noch stärker nachgegeben. Die Konzernführung wird bei Anlegern noch viel Arbeit leisten müssen, um das ramponierte Vertrauen in Rieter wiederherzustellen.