Die Galionsfiguren der amerikanischen Rechten streiten um ein Programm für ausländische Fachkräfte. Der Präsident hat sich noch nicht entschieden.
Seit er ins Weisse Haus zurückgekehrt ist, markiert Donald Trump Härte gegenüber illegalen Einwanderern – und die Wirtschaft sorgt sich, dass er bald auch die legale Immigration einschränken könnte. Besonders umkämpft sind dabei die H-1B-Visa: Das sind temporäre Arbeitsbewilligungen für qualifizierte ausländische Fachkräfte.
Der Kongress hat das Programm 1990 eingeführt: Amerikanische Firmen können für ausländische Bewerber H-1B-Visa beantragen, wenn sie keine Amerikaner finden, die den Job erfüllen können. 386 318 Petitionen wurden 2023 bewilligt, fast zwei Drittel davon für IT-Fachkräfte. Nur sehr wenige Petitionen werden abgelehnt. Diese Fachkräfte machen nur einen kleinen Teil der ausländischen Bevölkerung (22 Millionen im Jahr 2022) in den USA aus.
Das Programm wird dominiert von indischen Fachkräften – sie erhalten 72 Prozent aller H-1B-Visa. Es folgen Chinesen (12 Prozent), alle anderen Nationen sind weit abgeschlagen. Die Arbeitskräfte verdienen im Schnitt gute Löhne, 2022 waren es im Median 118 000 Dollar. Die meisten bleiben ein paar Jahre in den USA, nur 30 Prozent der Visa wurden für Erstanstellungen erteilt. Die jährliche Zuwanderung durch H-1B-Fachkräfte lag 2023 daher bloss bei 114 247 Personen.
Kritiker in den USA sagen, dass die temporären Zuwanderer das Programm als Sprungbrett für eine Green Card missbrauchen würden, also um sich langfristig in den USA anzusiedeln. Die Bedingungen, um eine Green Card zu erhalten, sind jedoch schwer zu erfüllen. Viele Inder mit H-1B-Visum verlassen die USA wieder. Der Zuwanderungseffekt des Programms ist daher, verglichen etwa mit der illegalen Immigration über die Südgrenze der USA, klein.
Die H-1B-Visa sind bei indischen Fachkräften beliebt, weil sie in den USA viel mehr verdienen können als im Heimatland. Auch indische Regierungsvertreter haben in der Vergangenheit immer wieder betont, wie wichtig das Programm sei. Eine Abschaffung könnte die eigentlich guten Beziehungen zwischen Delhi und Washington trüben – just zu einer Zeit, da Trump mit seinen Zöllen auch Indien ins Visier nimmt.
Streit um die Maga-Zukunft
Das H-1B-Programm spaltet Trumps Maga-Bewegung und hat jüngst zu einem offenen Streit zwischen zwei ihrer Galionsfiguren geführt: dem Rechtsnationalisten und Podcaster Steve Bannon und dem Tesla-Chef Elon Musk.
Inhaltlich ähnelt die Diskussion stark dem Seilziehen um die Drittstaatenkontingente in der Schweiz: Die Gegner des H-1B-Programms (wie Bannon) argumentieren, dass diese Personen Amerikanern Hunderttausende Jobs wegnähmen und dass die USA ohnehin zu viele Zuwanderer aufnähmen. Musk hält dagegen, wie die Tech-Branche insgesamt, dass diese Fachkräfte unerlässlich seien, um den Erfolg Amerikas zu sichern. Sie würden amerikanische Arbeiter nicht ersetzen, sondern ergänzen.
Doch bei diesem Streit geht es nicht bloss um Sachpolitik, sondern um eine Ausmarchung, wer für die Maga-Bewegung sprechen darf. Der 71-jährige Steve Bannon prägt die populistische Rechte in Amerika, seit die Tea-Party-Bewegung 2010 die Republikaner aufzumischen begann. In Donald Trumps erster Amtszeit arbeitete Bannon für sieben Monate als Chefstratege im Weissen Haus, bevor er von Trump entlassen wurde. Dennoch bleibt er auch dank seinem Podcast «War Room» eine wichtige Stimme derjenigen rechten Kreise, die sich als harten Kern der Maga-Bewegung verstehen und «Neumitgliedern» gegenüber misstrauisch bleiben.
Einer dieser Neulinge ist Elon Musk. Der Tesla-Chef hat Trumps Wahlkampf 2024 finanziell stark unterstützt und hat sich zu einem der wichtigsten Berater des 78-jährigen Präsidenten aufgeschwungen. Er führt gewissermassen die Fraktion der libertären «Tech-Bros» an, die eine Affinität zu Kryptowährungen und Science-Fiction-Romanen haben und den Staat als übergriffigen Gegner erachten, der gesundgeschrumpft werden muss.
Früher vertrat Musk, der mit Tesla die Energiewende vorantrieb, zahlreiche liberale Positionen und kritisierte die Politik Trumps immer wieder. Inzwischen nimmt er aber viele rechte kulturkämpferische Positionen ein: Musk wurde in der Pandemie zum erbitterten Gegner harter Corona-Massnahmen und wettert gegen DEI, die in den USA weit verbreiteten Programme zur Gleichstellung aller Geschlechter und Ethnien.
Beleidigungen und gegenseitige Vorwürfe
Vor allem Bannon hat sich an seinem Gegner abgearbeitet. Im Februar nannte er Musk – der in Südafrika geboren wurde, aber seit vielen Jahren einen amerikanischen Pass besitzt – einen «parasitären illegalen Immigranten» und eine «wahrhaft böse Person». Bannons Verbündeter, Raheem Kassam, der Chefredaktor eines rechten Nachrichtenportals, sagte der «New York Times», dass Bannon in Musk einen atheistischen, amoralischen und mit den chinesischen Kommunisten verbündeten Ausländer sehe – der womöglich bald an der Spitze der Maga-Bewegung stehe.
Musk, in den sozialen Netzwerken ebenfalls ein streitlustiger Zeitgenosse, goss für seine Verhältnisse wenig Öl ins Feuer. Er suggerierte in einem Kommentar auf seiner Nachrichtenplattform X aber, dass Bannon ein Grossmaul sei, das nichts Richtiges geleistet habe in seinem Leben. Weil Musk nicht in den USA geboren wurde, kann er niemals amerikanischer Präsident werden. Aber natürlich kann er die Politik weiterhin als Berater und Financier der Republikaner prägen.
Insofern kann man die H-1B-Fehde auch als den Beginn der Diadochenkämpfe um Donald Trumps geistiges Erbe und Nachfolge betrachten. Der hat zwar öffentlich damit kokettiert, eine dritte Amtszeit anzustreben. Aber Trump ist 78 Jahre alt. Die amerikanische Verfassung erlaubt einem Präsidenten zudem nur noch zwei Amtszeiten, seit Franklin Roosevelt 1945 kurz nach Beginn seiner vierten Präsidentschaft im Amt verstorben war.
Der Präsident wartet ab
Wie bei allen wichtigen Fragen im Weissen Haus wird Donald Trump letztlich auch das Ringen um die H-1B-Visa entscheiden. In der Vergangenheit hat er das Programm manchmal verteidigt und manchmal kritisiert. Im Februar hatte er offenbar mehrfach versucht, den Streit zwischen Bannon und Musk hinter den Kulissen zu schlichten.
Noch hat Trump aber keinen Richtungsentscheid zur legalen Migration gefällt. 2020 hat er das H-1B-Programm bereits einmal eingestellt, um Amerikanern Jobs zu verschaffen und um sich mit einer harten Immigrationspolitik die Wiederwahl zu sichern. Das Land befand sich damals aber mitten in der Corona-Pandemie, und die amerikanischen Konsulate im Ausland stellten ohnehin praktisch keine neuen Visa aus. Falls sich Trump diesmal auf die Seite Bannons schlagen sollte, wären die Auswirkungen sicherlich grösser.