6000 Werke in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen sind raubkunstverdächtig. Nur 24 sind in den letzten Jahrzehnten restituiert worden. Die staatlichen Häuser versuchen, die Sache in die Länge zu ziehen.
Es sind Politikersätze, wie man sie kennt. Die grüne Kulturstaatsministerin Claudia Roth fordert «schnelle und umfassende Aufklärung», der bayrische Kollege Markus Blume (CSU) verlangt «mehr Transparenz und Tempo». Undurchsichtig ist der Skandal um die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen (BStGS), die die Bearbeitung möglicher Raubkunstfälle in die Länge gezogen oder solche Fälle verschleiert haben sollen, jedenfalls.
Der «Süddeutschen Zeitung» war ein sammlungsinternes Dossier von rund 900 Seiten zugespielt worden, das ein höchst ungünstiges Licht auf den Umgang mit Raubkunst und Restitution wirft. Werke von Picasso, Paul Klee und Max Beckmann befinden sich noch in den Häusern des Museumsverbundes, obwohl der Verdacht besteht, dass sie ihren ehemaligen Besitzern von den Nationalsozialisten abgepresst wurden.
Rund 200 Werke sollen in der Datenbank der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen als «rot» eingestuft sein und wären damit laut den verbindlichen Kriterien des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste (DZK) «für den Zeitraum zwischen 1933 und 1945 höchstwahrscheinlich oder eindeutig belastet».
Der Museumsverbund hätte die Werke in die Lost-Art-Datenbank eintragen müssen. Und er wäre vor allem auch verpflichtet gewesen, die Suche nach heutigen Anspruchsberechtigten voranzutreiben. Beides ist in vielen Fällen nicht geschehen. Die staatlichen Häuser versuchen, die Sache in die Länge zu ziehen.
Task-Force und mehr Geld
Das haben etwa die Erben des von den Nationalsozialisten vertriebenen Sammlers und Galeristen Alfred Flechtheim und der Brüder Lion, ehemals Kunsthändler in München, zu spüren bekommen. Bei Letzteren geht es unter anderem um das Gemälde «Junges Mädchen mit Strohhut» von Friedrich von Amerling. Teil der Causa Flechtheim ist Max Beckmanns «Chinesisches Feuerwerk».
Von den rund 6000 Werken, die in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen potenziell raubkunstverdächtig sind und deshalb überprüft werden, sind in den letzten 27 Jahren nur 24 restituiert worden. Der Rest ist möglicherweise Schlamperei, Verschleppung und Verschleierung.
Markus Blume, Bayerns Kulturstaatsminister und damit eigentlich oberster Zuständiger für Restitutionen, hat in einer Plenarsitzung des Bayerischen Landtags Ende Februar bei der Beratung eines Dringlichkeitsantrags von «unerträglichen Zuständen» gesprochen und gefordert, «schnellstmöglich eine Tiefenrecherche einzuleiten». Schon kurz zuvor hatte Blume angekündigt, dass es eine Million Euro für zusätzliches Personal gebe und dass eine ministerielle Task-Force eingesetzt werden solle.
Späte Stellungnahme
Jetzt erst? Das fragen sich nicht nur die Anwälte der Erben. Schon lange soll in den Staatsgemäldesammlungen ein Konflikt zwischen leitenden Mitarbeitern und dem Generaldirektor Bernhard Maaz geschwelt haben. Im Mai 2022 haben die damaligen beiden Stellvertreter Oliver Kase und Andreas Schumacher eine mehrseitige «Stellungnahme zum Stand der Provenienzforschung der BStGS» verfasst, die offenbar auf Langzeiterfahrungen im Haus beruht.
Auch dieses Papier wurde von der «SZ» öffentlich gemacht. Man nehme in der Provenienzforschung nur eine kontraproduktive Priorisierung vor. Schnell zu erledigende Recherchen ziehe man dem vor, was kunsthistorisch relevant wäre. Was nach aussen dringe, seien Erlebnisse kosmetischer Erfolge. Substanzielle Arbeit werde systematisch verzögert.
Schon beim ersten öffentlich gewordenen Dokument ist Generaldirektor Bernhard Maaz auf eher defensive Weise in die Offensive gegangen. Er hat es als «bestürzend» empfunden, dass interne Informationen an die Medien gelangt waren. Seine Pressestelle hat in ihrer bislang letzten Verlautbarung die Angaben der «Süddeutschen Zeitung» bestritten und mit dem Medienanwalt gedroht.