Xherdan Shaqiri überstrahlt alles im FC Basel. Im Schatten des Stars wachsen aber auch andere – zum Beispiel Dominik Schmid, der zum Führungsspieler heranreift.
Wenn Dominik Schmid mit einem Becher Kaffee in der Hand den Medienraum im St.-Jakob-Park betritt, beginnt nicht gerade die Star-Beleuchtung zu blinken. Pulli ohne Marke, höfliche Begrüssung, wacher Blick. Schmid wird sich als angenehmer Zeitgenosse herausstellen, reflektiert, frei von Eitelkeit.
Schmid bearbeitet für den FCB die linke Platzhälfte. Unnachgiebig und unermüdlich rennt er von Grundlinie zu Grundlinie, stets mit dem Gespür für den Abschluss, den letzten Pass oder die mögliche Gefahr, wenn der Ball beim Gegner landet. «Laufbereitschaft und immer hundertprozentiger Einsatz sind die Basis», sagt Schmid.
Der 27-Jährige hat in dieser Saison im FCB am meisten Spielminuten gesammelt, mehr als der Goalie Marwin Hitz. So steht Schmid für jene Verlässlichkeit und Konstanz, die Basel in den letzten Jahren gefehlt haben. Anders gesagt: Schmid ist ein wichtiger Teil der Stabilität, ohne die keine Geniestreiche von Xherdan Shaqiri, keine Spektakeltore von Kevin Carlos oder Bénie Traoré möglich sind. Schmid lächelt. Bis vor dem Match gegen die Young Boys hat er drei Tore erzielt und sechs Assists gespielt.
Und jetzt, Dominik Schmid: Führt im Mai der Weg zurück auf den Balkon?
«Das ist das Ziel», sagt er und vergisst nicht, ein kräftiges «definitiv» nachzuschieben. Seit 2018 sind die Titelfeiern auf dem Barfüsserplatz, wo das Team jeweils dem Anhang einen Pokal zeigt, ausgeblieben. Es gibt nicht viele FCB-Spieler mit Balkon-Erfahrung. Xherdan Shaqiri war vor dem Transfer zu Bayern München 2013 mehrfach dabei, Taulant Xhaka und Albian Ajeti kennen die Balkon-Partys, sie sind Erinnerungen an ihre besseren FCB-Zeiten. Und Dominik Schmid, als Balkon-Grünschnabel beim vorletzten Gewinn der Meisterschaft.
Lehr- und Wanderjahre statt FC Basel
«Selbstverständlich erinnere ich mich!» Urs Fischer ruft es fast ins Telefon. Es war Ende Mai 2017, der FC Basel war mit dem Trainer Fischer bereits Meister und stand vor dem Double-Gewinn. Im zweitletzten Meisterschaftsspiel liess Fischer den 18-jährigen Schmid im defensiven Mittelfeld debütieren. «Gute Technik, Spielübersicht, athletisch mit Potenzial, als Typ zurückhaltend», sagt Fischer. Heute freut er sich, wenn er Schmid spielen sieht. «Er erledigt den Job auf der linken Seite hervorragend. Er machte einen langen Umweg. Vor allem zeigt Dominik, dass sich Arbeit auszahlt, wenn man dranbleibt.»
Schmid strahlt. Er habe Fischer als harten, fordernden Trainer erlebt, als er im Winter 2017 aus dem Nachwuchs ins Kader der ersten Mannschaft kam. «Menschlich war Fischer top, vor allem hat er alle gleich behandelt, egal, wie alt einer war oder wie viele Partien einer absolviert hat», sagt er. Ein halbes Jahr nach dem Debüt musste sich Schmid auf den «langen Umweg» machen. Er dauerte fast fünf Jahre. Und es war nicht der Umweg ins Ausland in eine grosse Liga, sondern zum harten Brot in Lausanne, in Wil, bei den Grasshoppers.
Schmid sollte als ein Beispiel herhalten für das «Für immer rot-blau»-Projekt von Bernhard Burgener, der im Frühling 2017 den FCB übernahm. Die Idee auf dem Papier verhiess, eigene Nachwuchsspieler reifen zu lassen, für gutes Geld in eine grosse Liga zu verkaufen und bei Bedarf zurückzuholen. Wie früher Alex Frei, Benjamin Huggel, Fabian Frei oder Marco Streller, der sich unter Burgener als Sportchef versuchte. Streller sagte zu Schmid, er müsse «spielen, spielen, spielen», und schickte ihn im Winter 2018 zu Lausanne-Sport. Schmid hatte nach dem Debüt ein halbes Jahr fast nicht mehr gespielt.
Die anderthalb Jahre im Welschland seien im Nachhinein eine Erfahrung gewesen, die er nicht missen möchte, sagt Schmid heute. «Erstmals alleine weg von zu Hause, die Sprache, die andere Mentalität – das alles hat mir geholfen.» Nach dem Abstieg und wenigen Einsätzen in der Challenge League führte ihn der Umweg zum FC Wil, wo ihm der Trainer Ciriaco Sforza vorschlug, auf der linken Seite zu spielen, wo auch heute seine Stammposition ist. «Ich konnte den Vorschlag gut annehmen und entdeckte neue Fähigkeiten in mir», sagt Schmid. Das läuferische Talent, den Drang zum gegnerischen Tor. GC holte ihn für den Wiederaufstieg, in der Super-League-Saison danach ging es mit GC wieder in den St.-Jakob-Park. Nach Hause.
«Es hat mich Energie gekostet, den Traum vom FCB-Stammspieler zu verdrängen – doch beim ersten Spiel mit GC im Joggeli merkte ich wieder, dass mein Herz rot-blau klopft», sagt Schmid. Im Sommer klingelte endlich das Telefon: Der FCB überwies ein paar hunderttausend Franken und holte Schmid heim. Er sagt: «Zugegeben – die erste Saison nach meiner Rückkehr müsste man aus den Geschichtsbüchern streichen. Aber jetzt sind wir auf sehr gutem Weg.»
Shaqiri macht alles besser
Das hat viel mit Xherdan Shaqiri zu tun. Als er sich im Rückkehrerrummel erstmals den FCB-Fans zeigte, sprach auch er von dem Balkon, auf dem man Titel feiert. Seither dreht sich alles im FCB um Shaqiri. Shaq hier, Shaq da, Shaq überall. «Es ist richtig und aus Sicht der Medien nachvollziehbar, dass Shaq fast die ganze Aufmerksamkeit absorbiert», sagt Schmid. Der Druck, dem Shaqiri selbst ausgesetzt gewesen sei, sei riesig gewesen. «Er hat das super gemacht, allein seine Statistik zeigt das. Ich kann nicht widersprechen, dass seine Qualität enorm ist, gerade auf den letzten Metern. Er erwartet in jedem Training viel von uns Mitspielern. Das muss so sein, weil er uns alle besser macht.»
Schmid könnte noch länger schwärmen, aber wenn Shaqiri momentan so wichtig ist für den FCB – welche Bedeutung hat Dominik Schmid für das Team? «Ach, das sollen andere beurteilen», sagt er, das lasse sich nur von aussen beurteilen. Schmid denkt kurz nach. «Ich mache mich immer etwas kleiner, als ich bin», hat er im Magazin «Zwölf» einmal gesagt. Schmid sagt: «Ich gebe den anderen Tipps, versuche zu helfen – als junger Spieler, der Profi werden wollte, musste ich egoistisch sein, doch diese Zeit ist für mich vorbei.»
So spricht einer, der sich offenbar gerade die Rolle des «Captain Future» aneignet, die ihm die Lokalzeitung einst zugeschrieben hat. Schmid grinst. «Ich bin stolz, wenn ich die Binde trage. Aber ich gebe sie sofort einem anderen, wenn uns das nur ein halbes Prozent besser macht. Shaq ist ein herausragender Captain.»
Schmid weiss, dass es wahrscheinlich nicht mehr reichen wird für die grosse Karriere im Ausland. Wenn er heute an einer Baustelle vorbeifährt, denkt er an seine Lehrlingsjahre als Maler zurück, er habe grossen Respekt vor dem, was von den Arbeitern geleistet werde, die jeden Morgen um sechs Uhr zur Arbeit erschienen, sagt er. «Ich bin bodenständig und demütig, ich weiss, wo ich herkomme und hingehöre.» Er ist ein Spieler aus Kaiseraugst bei Basel, der sich nach langen Umwegen den Bubentraum vom FCB erfüllt hat. Und der, wer weiss, vielleicht schon bald zum zweiten Mal auf dem Balkon über dem Barfüsserplatz einen Titel feiert.
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