Am Freitag trifft die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft auf Nordirland. Es ist ein weiteres Spiel in einem Wettbewerb, den kein Mensch braucht. Die Reise nach Belfast lohnt sich trotzdem.
Es geschieht ja schnell einmal, dass Fussball einen irritiert. Torhüterzeitspiel. Bizarre Bezahlsysteme in den Stadien mit einer Plastikkarte, die sonst nirgendwo funktioniert. Den Ausführungen von Mattia Croci-Torti zu lauschen, dem Trainer des FC Lugano, der die Nerven hat, die Auswüchse des modernen Fussballs anzuprangern, weil sein Team gerade gegen den Tabellenfünften der übermächtigen slowenischen Liga aus dem Europacup gerasselt ist. Wo sich als Hüter des Traditionalismus doch kaum jemand weniger eignet als Lugano mit seinem Bitcoin-Logo auf der Brust und einem amerikanischen Hedge-Fund-Milliardär im Rücken, der pro Saison fast 20 Millionen Franken einschiesst.
Jedenfalls: Der Fussball kann einen emotional machen, zornig, er kann brüskieren. Tendenziell aber nicht in einem Rahmen, in dem man angewidert in sein eigenes Auto spuckt.
In Belfast ist das anders, da reicht es je nachdem schon, den Namen eines lokalen Fussballvereins zu nennen. So ist das passiert auf der ersten Pilgerfahrt nach «The Oval», dem hinreissendsten Fussballstadion der Welt. Wer denn da heute spiele, wollte der Taxifahrer wissen. Und auf die Gegenfrage, ob sein Herz vielleicht für den Linfield FC schlage, spuckte er einfach auf den Beifahrersitz, so gequält war er davon, den Namen des nordirischen Rekordmeisters nur zu hören.
Gegen Cliftonville spielte der Glentoran FC an jenem Tag in den frühen 2010er Jahren, aber eigentlich war das ein bisschen nebensächlich, denn das Oval, 1892 erbaut und seither nur notdürftig renoviert, ist ein so wunderbares Stadion – vermutlich wäre dort sogar ein Spiel des FC Lugano erträglich. Es sei der «Heilige Gral für Groundhopper» schrieb die BBC vor ein paar Jahren, es ist die vermutlich wahrste Schlagzeile in der Geschichte des Internets.
Die Kurven sind von Gras überwuchert, überall knarzt es im Gebälk, und doch haben die Tribünen etwas Majestätisches. Die Atmosphäre ist von so betörender Schönheit, man könnte eine Träne vergiessen, wäre man Fussballpurist. Und der Stadionbesuch kommt ganz gut ohne von Crypto-Firmen gesponserte Corner, ohne VAR und Pausenunterhaltung von beschämender Qualität aus: erschwingliche Pints, hie und da eine Blutgrätsche, wetternde Rentner auf den Holzbänken.
Kurz: The Oval ermöglicht eine Zeitreise in die goldene Epoche des Fussballs. Nicht finanziell gesehen, klar, aber was das Erlebnis angeht. In eine Ära, in der die Stadien noch etwas Unverkennbares hatten. Nicht wie heute, wo man keine Ahnung hat, ob man sich gerade in Schaffhausen, Luzern oder Heidenheim befindet, weil die Arenen so sterbenslangweilig identisch aussehen; Uefa-genormte Stangenware aus Dystopia.
Die Schweizer Fussballnationalmannschaft gastiert am Freitagabend im Rahmen der Nations League im Windsor Park. Ein paar Stunden später, am Samstagnachmittag, empfängt Glentoran die Crusaders im Oval – die lokale Liga unterbricht ihren Betrieb nicht, sie stellt ohnehin keine Nationalspieler. Zwischen dem Windsor Park und dem Oval liegen nur knapp sechs Kilometer. Mit dem Taxi sind das 20 Minuten. Man muss nur darauf achten, nicht vorne zu sitzen.
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