Nach Jahren voller Rückschläge sind die Tigers aus dem Emmental zurück in den Play-offs. Es ist das Verdienst ihres Präsidenten. Sein Lebenswerk ist aber noch nicht vollendet.
Man nannte die Gegend einst leicht spöttisch und abwertend «das Tal der heulenden Winde». Der Ausdruck hat seinen Ursprung in den 1970er Jahren, als der damalige SC Langnau aus dem Emmental eine Macht im Schweizer Eishockey war und 1976 zum bisher einzigen Mal Meister wurde. Jene Mannschaft fuhr der Konkurrenz derart um die Ohren, dass dieser Hören und Sehen verging. Es heulten die Winde.
Aus dem Schlittschuh-Club Langnau sind unterdessen die SCL Tigers geworden, und sie sind der Stolz einer wirtschaftlich eher zurückgebliebenen Region. Der ehemalige Langnauer Gemeindepräsident Bernhard Antener bezeichnete die Talschaft einmal als eines der «Armen-Häuser der Schweiz». Der Klub stiftet da Zusammenhalt, Selbstbewusstsein und Stolz. Zumindest im Eishockey ist man jemand, während die alten Käse-Barone, die mit ihrem Handel einst Wohlstand über die Talschaft gebracht hatten, den Einfluss in der nationalen Wirtschaft und Politik längst verloren haben.
Schweizer Meister werden die Tigers in diesem Frühling kaum. Doch allein die Tatsache, dass sich Langnau heuer erstmals seit 2019 für die Play-offs qualifiziert hat, ist Anlass genug, dass die Talschaft in einen Ausnahmezustand versetzt wird. Peter Jakob, der Präsident der SCL Tigers, sagt: «Es war wieder einmal Zeit. Jüngst hat mir ein Sponsor gesagt: ‹So alle drei bis fünf Jahre solltet ihr es schon schaffen.›»
Früher zog der Klub Gaukler und Glücksritter an
Peter Jakob ist der gute Mann von Langnau. Als er die Tigers 2008 übernommen hatte, herrschte im und um den Klub das nackte Chaos. Der Unternehmer sagte damals, er bleibe, bis das Ärgste überstanden sei. Dann sei er wieder weg. Nun ist er, der mit Drahtseiltechnik beruflichen Erfolg hat, immer noch da. Die Übernahme des Präsidiums war für ihn ursprünglich kein Thema. Niemand wusste damals genau, wie man die Rechnungen bezahlen sollte.
Jakob wirtschaftet nach einer Maxime, die ebenso einfach wie schlüssig ist. Er gibt nur aus, was er zuvor eingenommen hat. Hexerei ist das nicht. Doch im Sport gibt es immer wieder Leute, die glauben, dass diese Doktrin für sie nicht gelte.
Eben, man muss nur auf den SC Langnau schauen, in die Zeit, als sich die Euphorie der späten 1970er Jahre verflüchtigt hatte. Es gab eine Phase, da schämte man sich für den Klub und die Menschen, die ihn steuerten. Er zog Gaukler und Glücksritter an wie etwa den Innerschweizer IT-Unternehmer Armin Müller. Diese Leute dienten weniger dem Wohl des Klubs, wollten vielmehr ihr Ego befriedigen. Waghalsige Investitionen brachten den Verein in Existenznöte.
Als Peter Jakob dem angeschlagenen Tiger zu Hilfe eilte, war das Vertrauen in den Klub und seine Führung auf den Nullpunkt gesunken. Die Gemeinde half mit einem Darlehen in der Höhe von 800 000 Franken, damit die Organisation zumindest den wichtigsten Verbindlichkeiten wie den Löhnen und Sozialabgaben nachkommen konnte.
Die Hilfe war sogar im Eishockey-verrückten Langnau umstritten. Die Leserbriefspalten der lokalen Medien waren voll mit kritischen Beiträgen. Jakob erzählte der NZZ vor zwei Jahren: «Meiner Frau wurde beim Einkauf im Dorf vorgeworfen, sie glaube ja wohl selbst nicht, dass auch nur ein Rappen dieses Geldes je zurückfliessen werde.»
Es floss zurück. Dass die SCL Tigers heute schuldenfrei dastehen, ist Quelle des berechtigten Stolzes, der Peter Jakob umgibt. Er sagt, schon jetzt sei klar, dass der Klub auch die gegenwärtige Saison mit einem kleinen Gewinn abschliessen werde. Wie hoch dieser ausfallen wird, hängt vom weiteren Verlauf der Play-offs ab. Siege bringen jedoch nicht nur zusätzliche Zuschauereinnahmen, die Spieler erhalten dadurch auch höhere Prämien.
Sie könnten für eine der grössten Überraschungen der Play-off-Geschichte sorgen
Klar ist auch: Der vorsichtige Kurs betreffend die Investitionen ins Kader macht es den Tigers schwer, konkurrenzfähig zu bleiben. Fast alle in der mittlerweile auf 14 Teams aufgeblasenen National League rüsten auf. Viel branchenfremdes Geld fliesst Jahr für Jahr in den Kreislauf der Liga.
Ein Beispiel dafür bietet Langnaus Play-off-Gegner, der Lausanne HC. Mit dem neuen Stadion und dem potenten Besitzer Gregory Finger, einem russisch-amerikanischen Geschäftsmann, der als Hedge-Funds-Manager ein Vermögen gemacht hat, kann sich dieser Klub praktisch alles leisten. Die Waadtländer haben weitaus bessere Voraussetzungen als die Tigers und haben die Qualifikation auf Platz 1 abgeschlossen.
Jakob sagt, auf dem Papier sei das Duell zwischen Lausanne und seinen Langnauern ein ungleiches. Doch was auf dem Papier steht, ist nicht entscheidend. Nach zwei Partien steht es in der Viertelfinal-Serie 1:1. Am Samstag gewannen die Tigers ihr erstes Heimspiel nach Verlängerung 4:3. Als Brian Zanetti in der 77. Minute den Siegtreffer erzielte, schien der Emmental-Versicherung-Arena das Dach wegzufliegen.
Sollten sich die Tigers mit ihrem Headcoach Thierry Paterlini tatsächlich gegen Lausanne durchsetzen, wäre das die grösste Play-off-Überraschung seit dem Sieg des alten Zürcher SC gegen das «Grande Lugano» im März 1992. Doch so weit ist es noch nicht. Deshalb geniessen der Langnauer Anhang und der Vereinspräsident Peter Jakob den Moment umso mehr. Die Tickets für die beiden Heimspiele, welche die Play-off-Qualifikation garantierten, waren innerhalb von Minuten verkauft.
Stadionauslastung von über 95 Prozent
Das Publikum ist einer der grossen Trümpfe des Klubs. Es hielt ihm auch die Treue, als er zum Ende des vergangenen Jahrtausends bis ins Amateur-Eishockey abstieg und ein erstes Mal vor dem Lichterlöschen stand. In der vergangenen Qualifikation lag der Zuschauerdurchschnitt in der heimischen Arena bei 5733 Besucherinnen und Besuchern pro Match. Das entspricht einer Stadionauslastung von 95,55 Prozent und ist für eine Gemeinde mit 9488 Einwohnern (Stand 2023) eine erstaunliche Zahl.
Pascal Müller ist als Sportchef der Architekt der Mannschaft, die in dieser Saison über den Erwartungen spielt. Er sagt: «Im Moment sprechen wieder einmal alle hier vom Eishockey. Die ganze Region ist von einer Energie erfasst worden, die uns mitträgt. Man ist stolz auf unsere Farben.»
Und dank Peter Jakob sind die Tigers wieder ein verlässlicher Geschäftspartner. Der Präsident hebt aber auch jetzt nicht ab, da er ernten und sich im Glanz des Moments sonnen dürfte. Vor dem ersten Play-off-Heimspiel am Samstag sagte er: «Für mich war die Eröffnung unseres Trainingszentrums im Herbst der wichtigste Moment in dieser Saison, wichtiger noch als die Play-off-Qualifikation.»
Dieser Anbau ist Teil 2 seines Tigers-Lebenswerks, er verschafft dem Klub hochprofessionelle Trainingsbedingungen, die jenen des EV Zug im OYM nur wenig nachstehen.
Nun soll noch Teil 3 folgen, ein Hotel, in dem die Sportler untergebracht werden können. Ist auch dieses realisiert, will sich Peter Jakob langsam zurückziehen und den Klub in andere Hände übergeben. Er wird genau hinschauen, an wen er die Tigers weiterreicht.