Über 20 Millionen Franken hat die Rad-WM die öffentliche Hand gekostet.
Die Rad-WM in Zürich sollte ein verbindendes Volksfest werden. Und nicht nur das: Sie sollte Standortmarketing der Superlative sein, mit einer Bruttowertschöpfung von Dutzenden Millionen Franken.
Doch beides traf nicht ein. In Erinnerung bleiben wird die Rad-WM als etwas anderes: als Prototyp einer Grossveranstaltung, die der Öffentlichkeit mit überzogenen Erwartungen verkauft wurde. Von Zürcher Politikerinnen und Politikern, die die Lage völlig falsch eingeschätzt haben.
Am Freitag, ein halbes Jahr nach der WM, gab der organisierende Verein bekannt, dass er in Nachlassstundung gehe. Das ist peinlich, weil es sich bei diesem Verein um ein quasistaatliches Konstrukt handelt, mit den Chefs der Sportämter von Kanton und Stadt im Vorstand. Dennoch lässt der Verein private Gewerbetreibende mutmasslich seit Monaten auf unbeglichenen Rechnungen sitzen.
Nicht weniger peinlich ist, dass die öffentliche Hand ein weiteres Mal Geld einschiessen muss. Einnahmen von 19 Millionen Franken stehen Ausgaben von 23,5 Millionen Franken gegenüber. Macht ein Defizit von 4,5 Millionen Franken. Zulasten des Staates.
Zunächst war «nur» von 16 Millionen Franken die Rede, die die öffentliche Hand einschiessen sollte. Und zwar schön portioniert: Der Bund zahlte 5 Millionen, der Kanton 3 Millionen, die Stadt 8 Millionen Franken.
Ein Jahr vor dem Anlass wurden weitere Kredite nötig – klar deklariert als «Überbrückungsdarlehen». Stadt und Kanton zahlten je 2 Millionen Franken.
Geld, das sie nun nicht mehr zurückerhalten. Zudem wird die Stadt weiteres Geld, geschätzt eine halbe Million Franken, sprechen müssen, damit die Rechnung aufgeht. Womit der Beitrag der öffentlichen Hand auf 20,5 Millionen Franken steigt. Nicht darin enthalten sind Leistungen und unzählige Stunden, die die Verwaltungen von Kanton, Stadt und Seegemeinden aufwenden mussten.
Ein Gegenwert für diesen Betrag ist nicht zu erkennen. Der Anlass schädigte manche Private und Gewerbetreibende gar, vor allem im Zürcher Seefeld, wo viele wegen der zweiwöchigen Strassensperrungen mit dem Auto nicht mehr zu ihren Liegenschaften fahren konnten.
Der Anlass wurde überschattet vom Tod einer jungen Rennfahrerin, weshalb kurzfristig Events abgesagt werden mussten. Andere Argumente des veranstaltenden Vereins klingen hingegen wie Ausreden. Er beklagt das schlechte Wetter – als ob es eine Überraschung wäre, wenn es in der Schweiz regnet.
Auch die Presse soll schuld sein: Die Kontroverse rund um Strassensperrungen habe potenzielle Sponsoren abgeschreckt. Das ist nicht glaubwürdig, denn Sponsorenverträge werden in der Regel lange vor einem Anlass unterzeichnet.
Der Anlass war schlicht zu schwach besucht. Die budgetierten Einnahmen durch Ticket-Einnahmen und Gastronomie entpuppten sich als reines Wunschdenken.
Das Versagen liegt in erster Linie bei den Behörden von Stadt und Kanton. Sie haben die Rad-WM in einem viel zu rosigen Licht gesehen, als sie sich 2018 um sie bewarben.
Und sie wehrten sich zu wenig gegen den Rad-Weltverband UCI, um den Unsinn einer rigiden zweiwöchigen Strassensperrung zu verhindern. Im Kanton war das Sicherheitsdepartement von Regierungsrat Mario Fehr (parteilos) federführend, in der Stadt das Präsidialdepartement unter Corine Mauch (SP), assistiert vom Schul- und Sportdepartement von Filippo Leutenegger (FDP).
Die lange Strassensperrung war in jeder Hinsicht ein Kardinalfehler. Sie kam zustande, weil man ein Miteinander von Spitzen-, Behinderten- und Breitensport anstrebte. Alle sollten sie auf derselben Strecke unterwegs sein und beklatscht werden. Aber das Volk kam nur an den beiden Sonntagen, als die Elite am Start war. Zürich war Versuchskaninchen: Die UCI hat diese Idee der Inklusion im Hinblick auf die nächste WM in Kigali (Rwanda) bereits wieder fallengelassen. Dort hat die UCI andere Probleme: Die Zweifel wachsen, ob die Sicherheitslage eine Austragung überhaupt zulasse.
In Zürich lautet die simple Erkenntnis für die Stimmberechtigten: noch genauer hinschauen, wenn Politikerinnen und Politiker Grossveranstaltungen anpreisen, für die die Öffentlichkeit zahlen muss. In Bewerbungsbroschüren lässt es sich leicht von Luftschlössern fabulieren. Sicher sind in solchen Fällen aber einzig die Kosten, die an der öffentlichen Hand hängenbleiben.