Nationale Sicherheit geht der Weltoffenheit vor. Dieser globale Trend hat auch das Schweizer Parlament erfasst. Den jüngsten Beleg hat der Ständerat am Montag geliefert.
Wirtschaftliche Offenheit gilt heute vielerorts eher als naiv denn als klug. Zentrale Treiber dieser Tendenz sind neben den Erfahrungen aus der Pandemie vor allem das verstärkte Misstrauen gegenüber China, Russlands Krieg und die Unberechenbarkeit der USA.
Die Aufwertung der nationalen Sicherheit hat auch die Schweiz erfasst. Dies nicht nur in Sachen Aufrüstung der Armee, sondern auch in der Wirtschaftspolitik. Diesen Monat hat das Parlament dem Bundesrat per Motion verboten, die auf die Raumfahrttechnik spezialisierte Ruag-Tochter Beyond Gravity an Private zu verkaufen, obwohl das Unternehmen kein bedeutender Lieferant der Schweizer Armee ist.
Und das Parlament hatte den Bundesrat schon 2020 per Motion beauftragt, ein Gesetzesprojekt zu einer staatlichen Kontrolle bei Übernahmen von Schweizer Firmen durch Ausländer vorzulegen. Im Visier standen vor allem staatsnahe Investoren aus China.
Vertrauensbruch
Was als «Lex China» begann, kann man seit einiger Zeit auch als «Lex Russland» bezeichnen – und neuerdings vielleicht auch als «Lex USA». So hatte diesen Januar in Washington die abtretende Regierung Biden die Schweiz als nicht vertrauenswürdig eingestuft und deshalb den Schweizer Zugang zu gewissen Computerchips eingeschränkt. Und mit dem Regierungswechsel zu Trump II wurde es rhetorisch für die meisten Demokratien noch viel wilder.
Der Bundesrat erwartet von einer staatlichen Investitionskontrolle mehr Nachteile als Vorteile, doch er erfüllte den Befehl des Parlaments zähneknirschend – mit einem Gesetzesprojekt für ein relativ eng begrenztes Kontrollregime. Erfasst wären dabei vor allem Übernahmen von Schweizer Firmen durch staatlich kontrollierte Auslandinvestoren in speziell heiklen Bereichen wie etwa bei Kriegsmaterial-Herstellern und Energieproduzenten ab einem Jahresumsatz von 10 Millionen Franken oder ab 50 Vollzeitbeschäftigten. In weiteren heiklen Branchen wären Übernahmen ab 100 Millionen Franken Jahresumsatz oder Bruttoertrag kontrollpflichtig. Dies betrifft etwa Zentrumsspitäler, Pharmafirmen, Betreiber von Transportinfrastruktur, Lebensmittelverteiler, Telekomfirmen und Grossbanken.
Der Nationalrat baute die Gesetzesvorlage noch aus. Die wichtigste Änderung: Das Kontrollregime soll in den als heikel definierten Sektoren nicht nur Firmenübernahmen durch staatliche Akteure umfassen, sondern alle Übernahmen über gewissen Schwellenwerten. Laut Schätzung des Wirtschaftsdepartements würde dies die Zahl der notwendigen Kontrollen etwa verzehnfachen – von einigen wenigen auf 30 bis 40 pro Jahr.
Das Prinzip der staatlichen Investitionskontrolle ist auch im Ständerat mehrheitsfähig. Dieser beschloss am Montag vor allem kraft einer Allianz von links und der Mitte mit 29 zu 16 Stimmen entgegen dem Antrag seiner Wirtschaftskommission Eintreten auf das Gesetzesprojekt. Das Geschäft geht damit zurück in die Kommission zur Detailberatung.
Laut den Befürwortern haben die meisten europäischen Länder eine staatliche Investitionskontrolle, und die USA seien besonders stark protektionistisch unterwegs. Die Verschlechterung der geopolitischen Lage habe die Risiken von staatlich gelenkten Investitionen zum Schaden der Schweiz erhöht. Das Fehlen einer staatlichen Investitionskontrolle habe dazu beigetragen, dass die USA den Schweizer Zugang zu Hochleistungs-Computerchips beschränkt hätten. Nichts tun hiesse warten, bis ein drängendes Problem die Politik zu Feuerwehrübungen zwinge.
Laut den Gegnern hat die Schweiz schon heute höhere Hürden für ausländische Investitionen als der Durchschnitt der Industriestaaten. Bis anhin seien keine Firmenübernahmen bekannt, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Schweiz gefährdet hätten. Die kritische Infrastruktur sei typischerweise ohnehin schon in Staatsbesitz. Auch Österreich gelte in den USA trotz staatlicher Investitionskontrolle als nicht vertrauenswürdig. Das Gesetzesprojekt bringe Rechtsunsicherheit und bürokratischen Aufwand.
Diverse Befürworter sagten, dass ihnen der Beschluss des Nationalrats zu weit gehe und sie ein Gesetzesprojekt in der Nähe des Bundesratsvorschlags wünschten – mit Kontrollen beschränkt auf staatliche oder staatlich finanzierte Firmenkäufer aus dem Ausland.
Ablehnungsquote 1 Prozent
Laut einem Bericht der EU-Kommission hatten 2024 bereit 24 der 27 EU-Mitglieder eine staatliche Investitionskontrolle, und in den übrigen 3 Ländern bahnte sich eine solche an. Gemäss dem Bericht hatten die Mitgliedländer 2023 total knapp 500 Kontrollen von Firmenübernahmen gemeldet. In 85 Prozent der Fälle wurde die Übernahme durch die nationalen Behörden schlank bewilligt, bei weiteren 10 Prozent gab es eine Bewilligung mit Auflagen. Nur bei 1 Prozent der Fälle wurden die Übernahmen abgelehnt, bei weiteren 4 Prozent zogen die Absender ihr Gesuch zurück.
Gemäss einer Analyse des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel für die Periode 2007 bis 2022 führten staatliche Investitionskontrollen in EU- und OECD-Ländern in den betroffenen Sektoren zu einer Reduktion von grenzüberschreitenden Firmenübernahmen um 12 bis 16 Prozent. Laut den Autoren dürften die Kontrollen auch wohlstandsfördernde Übernahmen abgeschreckt haben.