Der Kreml lehnt einen Waffenstillstand in der Ukraine ab und hält an seinen Maximalforderungen fest. In dieser Situation müssten die USA den Druck auf Russland erhöhen. Aber zu diesem Sprung über den eigenen Schatten scheint Donald Trump unfähig.
«Die Welt ist heute viel sicherer geworden! Historisch! Episch!» Nach bald einem Jahrzehnt mit Donald Trump auf der politischen Bühne wirkt solch rhetorischer Überschwang sattsam vertraut. Doch in diesem Fall stammt die Formulierung nicht vom Grossmeister des Ausrufezeichens im Weissen Haus. Es war vielmehr der russische Unterhändler Kirill Dmitrijew, der nach dem zweistündigen Telefonat der Präsidenten Putin und Trump den Stil des Amerikaners auf Social Media mit maliziöser Ironie kopierte. Trump dagegen blieb in seinem Netzwerk Truth Social unüblich lange stumm, bis er eine zurückhaltend formulierte Nachricht absetzte.
Meilenweit auseinander
Auch Stille kann vielsagend sein. Der von Washington erhoffte Durchbruch in den Verhandlungen über eine Waffenruhe in der Ukraine ist am Dienstag ausgeblieben. Stattdessen zeigt sich nun, wie kompliziert das Ganze wird. Der Kreml machte nach dem Telefonat klar, dass es ihm mit einer Vereinbarung keineswegs eilt. Ein bedeutsames Ergebnis hat Trump dennoch herausgeholt: Russland willigte ein, Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur für dreissig Tage einzustellen.
Dies ähnelt dem Vorschlag, den die Ukraine vor zwei Wochen gemacht hatte. Auch wenn sich Präsident Selenski noch nicht verbindlich geäussert hat, zeigte er in einer ersten Reaktion die Bereitschaft, solche Angriffe in Russland ebenfalls zu stoppen. Einer Vereinbarung über die Schonung von Energieanlagen waren die beiden Kriegsparteien schon im letzten Sommer nahe gewesen, damals noch unter katarischer Vermittlung. Lichterloh brennende Erdölraffinerien in vielen Provinzen West- und Zentralrusslands haben in letzter Zeit die zerstörerische Kraft der ukrainischen Langstreckendrohnen illustriert. Putins jetzige Geste ist deshalb kein Gnadenakt, sondern im eigenen Interesse.
Von einem Moratorium für bestimmte Luftangriffe zu einem echten Frieden bleibt es jedoch ein langer Weg. In den zentralen Fragen haben sich die Positionen eher verhärtet. Hatte sich Putin letzte Woche noch wohlwollend über die Idee eines vollständigen Waffenstillstands geäussert, so stellte er nun im Gespräch mit Trump harte Bedingungen.
Der Westen soll die Militärhilfe an die Ukraine einstellen und keine nachrichtendienstlichen Informationen an Kiew mehr senden. Die Ukraine darf nach Vorstellungen des Kremls einen Waffenstillstand nicht nutzen, um Soldaten zu rekrutieren und ihre Truppen neu auszurüsten. Selbstredend denkt Russland nicht im Traum daran, seine eigenen Streitkräfte in gleicher Weise einzuschränken. Putin sieht sich am längeren Hebel. Wenn er einem Waffenstillstand zustimmt, so mit dem Ziel, die Ukraine in eine noch schwächere Position zu bringen.
Die russische Seite lehnt es auch beharrlich ab, sich mit den Ukrainern an einen Tisch zu setzen. Vom direkten Gespräch mit Trump erhofft sich Putin mit gutem Grund mehr. Aber auch diese Art der Verhandlungen kann nicht endlos weitergehen. Eine Abkühlung im Ton lässt sich daran erkennen, dass anders als beim ersten offiziellen Telefonat der beiden Präsidenten nun kein Wort mehr über ein baldiges amerikanisch-russisches Gipfeltreffen gefallen ist. Die wichtigsten Streitfragen zum Krieg werden Expertengruppen übertragen – das kann sich als nützlich erweisen, sich aber auch als russische Verzögerungstaktik herausstellen.
Trump an einer Wegscheide
Putin hat ein Zwischenziel erreicht: Er hat Trump ausgebremst, ohne dessen Zorn heraufzubeschwören. Die amerikanische Führung steht nun an einer Wegscheide: Soll sie die Ukrainer stärker unter Druck setzen und ihnen die von Putin geforderten Konzessionen abverlangen? Das Ziel eines fairen, dauerhaften Friedens würde damit endgültig zur Illusion. Oder kommt der Moment, die Daumenschrauben erstmals auch gegenüber Russland anzuziehen?
Zu Letzterem scheint Trump noch nicht bereit. Erst kürzlich ist er gegenüber Putin in einem weiteren Punkt eingeknickt: Die USA haben ihre Zusammenarbeit bei den Ermittlungen zur massenhaften Verschleppung ukrainischer Kinder nach Russland eingestellt. Davon profitiert vor allem Putin, der wegen dieses Verbrechens unter Anklage beim Internationalen Strafgerichtshof steht.