Wenn der Platz in der neuen Wohnung für Zimmerpflanzen nicht ausreicht oder der grüne Daumen einfach nicht so recht will: fünf Pflanzenbrockis, die Grünes aus zweiter Hand entgegennehmen.
Das Konzept eines Pflanzenbrockis ist genau dasselbe wie das eines traditionellen Brockis – anstelle von alten Möbeln, Büchern oder Kleidern werden hier Pflanzen abgegeben und weiterverkauft. Während es in der Schweiz rund 600 Brockis mit Vintage-Schätzen gibt, sind solche mit einem exklusiven Angebot an Zimmerpflanzen weitaus seltener.
Das erste und wohl auch bekannteste Schweizer Pflanzenbrocki befindet sich in Bern. Das Geschäft am Viktoriaplatz wurde im Jahr 2022 von Nora Hürlimann und Kristina Hodel gegründet. Die beiden Frauen nehmen alle Arten und Variationen von Pflanzen entgegen, die ihnen gebracht werden – ganz egal, in welchem Zustand diese sind. Mit ihrem Fachwissen als gelernte Gärtnerinnen päppeln sie jede Pflanze wieder auf.
Die Frauen haben sich vor 20 Jahren in der Gartenbauschule in Niederlenz kennengelernt. Nachdem beide an verschiedenen Orten im Gartenbau und in der Floristik gearbeitet hatten, waren sie bereit für ein neues Projekt – und fanden es auch. Als absolutes Novum in der Schweiz eröffneten sie ein Brockenhaus für den ausschliesslichen An- und Verkauf von Pflanzen.
«Die abgegebenen Pflanzen haben meistens viel Liebe von ihren Vorbesitzern erfahren, weshalb wir es nun als unsere Aufgabe ansehen, sie mit dem gleichen Mass an Zuwendung weiterzupflegen», erzählten sie bereits gegenüber der NZZ. Als häufigster Grund für die Spende wird neben Platzmangel und Wohnungswechsel auch der mit den Pflanzen verbundene Aufwand genannt. Vor allem ältere Menschen hätten irgendwann nicht mehr die Kapazität für die teilweise aufwendige Pflege.
Gerade diesen Austausch mit den Menschen schätzen die beiden Frauen an ihrer Arbeit im Pflanzenbrocki sehr. So manche Geschichte wurde ihnen schon anvertraut über die Schützlinge, die von ihren Besitzern oft schweren Herzens abgegeben werden. Doch dank dem Engagement von Nora Hürlimann und Kristina Hodel erhalten die Pflanzen ein zweites Leben.
Pflanzenbrocki Bern, Viktoriastrasse 70, 3013 Bern.
Eine weitere Brockenstube mit ähnlichem Konzept befindet sich in Basel. Die «Pflanzebroggi» öffnete erst letzten Sommer ihre Türen und nimmt alles entgegen, was irgendeinen Bezug zu Pflanzen hat: Neben Zimmer- und Aussenpflanzen können auch Gartenwerkzeuge, Vasen, Bilder mit Pflanzen und Gartenmöbel vorbeigebracht werden. Kranke Pflanzen werden ebenfalls angenommen.
Jasmin, Ariane und Stefan, die drei Köpfe hinter der Basler «Pflanzebroggi», haben sich zum Ziel gesetzt, so viel wie möglich zu retten. Obwohl keiner und keine von ihnen beruflich aus der Gartenbranche kommt, verbinden alle drei ein grosses Interesse für Pflanzen und natürlich ein grüner Daumen. «Wenn wir mal nicht weiterwissen, informieren wir uns einfach im Internet, in Büchern oder fragen Freunde», so Stefan.
Nach bald einem Jahr hat sich die «Pflanzebroggi» in Basel einen Namen gemacht. Immer mehr Leute wissen um die Möglichkeit, ihre Zimmerpflanzen, für die sie aus unterschiedlichen Gründen keine Verwendung mehr haben, an der Kleinhüningerstrasse vorbeizubringen. Handelt es sich um grosse Pflanzen, dir nur mühsam von selbst in das Geschäft transportiert werden können, bietet die «Pflanzebroggi» sogar einen Abholservice an.
Neben der Rettung von Pflanzen war es dem Team der Basler «Broggi» von Anfang an ein grosses Anliegen, einen regelmässigen und aktiven Austausch mit seinen Besucherinnen und Besuchern zu pflegen. Aus diesem Grund stellt die «Pflanzebroggi» ihre Räumlichkeiten auch immer wieder als Treffpunkt für verschiedene Anlässe zur Verfügung. So verwandelte sich das Lokal zusammen mit dem Basler «somos café» im Januar während einer Woche in ein Pop-up-Café unter dem Motto «Pflanze und käffele». An einem Sonntagsverkauf im Dezember wurden Knoblauchschnitten verteilt, und erst kürzlich konnte unter Monsterablättern und Palmwedeln bei einem Getränk gemeinsam gestrickt werden.
Pflanzebroggi Basel, Kleinhüningerstrasse 109, 4057 Basel.
Zeitgleich wie die Basler «Pflanzebroggi» entstand vergangenen Sommer ein weiteres Brockenhaus in Kriens. Eigentümerin ist Ursula Brunner. Die gelernte Floristin führte zehn Jahre lang das Blumengeschäft Las Flores, bis ihr vor drei Jahren die Idee eines Pflanzenbrockis kam. Im September 2024 war es schliesslich so weit, und aus Las Flores wurde das erste Pflanzenbrocki in der Zentralschweiz.
Das Geschäft befindet sich in einem kleinen Lagerhaus auf dem Belle-Areal in Kriens. Die Suche nach einem passenden Lokal sei relativ mühelos verlaufen. «Plötzlich ist alles sehr schnell gegangen: Bevor ich die neuen Räumlichkeiten überhaupt habe beziehen können, hatte ich schon erste Pflanzen bekommen», erzählt Ursula Brunner. Neben Pflanzen nimmt das Brocki auch Gartenzubehör entgegen sowie florale Objekte und Bilder mit Blumen. In den Räumlichkeiten werden auch immer wieder Werke von regionalen Künstlern ausgestellt. «Das Belle-Areal ist voll von jungen Kunstschaffenden, die dankbar sind, wenn sie ihre Werke an einem Ort präsentieren können», so die Floristin.
Mittlerweile ist das Krienser Pflanzenbrocki weit über die Region hinaus bekannt. Sogar aus dem Kanton Zug oder dem Baselbiet sind schon Leute angereist. Aufgrund der steigenden Nachfrage möchte Ursula Brunner demnächst auch verschiedene Workshops rund um das Thema Pflanzen und Blumen anbieten, wie zum Beispiel Kurse für Blumenarrangements. Ursula Brunners eigene florale Kreationen sind bereits dreimal in der Sammlung «International Floral Art» erschienen – einem Buch, das die Arbeiten von talentierten Blumendesignerinnen und -designern präsentiert.
Das Pflanzen-Brocki Kriens, Obernauerstrasse 6, 6012 Kriens.
180 Kilometer entfernt, in Davos, nimmt auch Cornelia Lorenz Pflanzen aus zweiter Hand bei sich auf – seit Mai 2023 führt sie an der Promenade ihr eigenes Pflanzenbrocki. Dabei war es nicht einfach, einen geeigneten Raum zu finden. Ursprünglich war sie auf der Suche nach einem Atelier, um dort ihrer Leidenschaft für Mosaik-Kunstwerke nachgehen zu können. Zufällig sei sie dann auf dieses Ladenlokal mit grossen Fenstern und viel Licht gestossen. «Die Räumlichkeiten waren zu gross, um nur Mosaike auszustellen, eigneten sich aber perfekt für das Halten von Zimmerpflanzen», erzählt Cornelia Lorenz. Denn neben dem Mosaik-Handwerk hegt sie schon seit langem auch eine Leidenschaft für Zimmerpflanzen.
Seit fast zwei Jahren kümmert sich die ehemalige Sozialarbeiterin aus Luzern mit viel Leidenschaft und Liebe nun schon um ihre Schützlinge, daneben zieht und vermehrt sie auch selbst Pflanzen. Neben einer treuen Stammkundschaft aus der Region wird das Davoser Pflanzenbrocki vor allem in den Wintermonaten von Feriengästen und Touristen gut besucht. Der Höhepunkt ist jeweils während des WEF: «An diesen Tagen konnte ich sogar schon Pflanzen vermieten», erinnert sich Cornelia Lorenz.
Pflanzenbrocki & Mosaik Atelier Davos, Promenade 125, 7260 Davos.
Basel, Bern, Davos, Kriens – aber wie sieht es denn in Zürich aus? In Embrach betreibt das VESO, eine Institution für Sozialpsychiatrie, ein Gartenbrockenhaus, das 15 Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung beschäftigt. Neben gebrauchten Zimmer- und Gartenpflanzen nimmt das Gartenbrockenhaus auch gut erhaltene Gartenartikel, -möbel und -geräte entgegen. Neuware wird ebenfalls angeboten.
In der Stadt Zürich gibt es noch kein Brockenhaus mit reinem Pflanzenangebot. Schaut man aber in die anderen grösseren Städte Bern und Basel, scheinen die Pflanzenbrockis genau den Nerv der Zeit in Sachen Recycling und Nachhaltigkeit zu treffen. Die Zürcherinnen und Zürcher dürfen also gespannt sein – vielleicht öffnet schon bald ein sechstes Pflanzenbrocki in ihrer Nähe.
VESO Gartenbrockenhaus, Römerweg 17, 8424 Embrach.