In den Wechseljahren leiden viele Frauen unter körperlichen und psychischen Symptomen. Ob Östrogene aus pflanzlichen Lebensmitteln ihre Symptome lindern können, erklärt eine Gynäkologin.
Leserfrage: Mit der Menopause verliert der Körper Östrogen. Manche pflanzliche Lebensmittel wie Weizen enthalten meines Wissens Phytoöstrogen. Ist es sinnvoll, sie zu essen, um dem Körper das Hormon wieder zuzuführen?
Die Wechseljahre gehen mit einer ganzen Reihe an Beschwerden einher: Hitzewallungen, Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme, Herzrasen, Gelenkschmerzen. «Allerdings erleben Frauen die Wechseljahre individuell sehr unterschiedlich», betont Professorin Mandy Mangler, Chefärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe am Vivantes Klinikum in Berlin. Das spiegeln auch grosse Studien wider: Während manche kaum Beschwerden haben oder davon zumindest nicht im Alltag beeinträchtigt werden, fühlt sich etwa ein Drittel stark eingeschränkt. Teils so sehr, dass sie früher aus dem Erwerbsleben ausscheiden – schliesslich dauern die Wechseljahre im Schnitt fünf bis zehn Jahre. Verantwortlich für die Symptome sind hormonelle Veränderungen, insbesondere der Rückgang von Östrogen und Progesteron. Die hormonellen Veränderungen können zudem die Entstehung von Osteoprose begünstigen.
Auf der Suche nach Linderung stossen viele Frauen auf Phytoöstrogene. «Das sind Inhaltsstoffe von Pflanzen, die dem körpereigenen Östrogen strukturell ähneln. Deshalb können sie im Körper an Östrogenrezeptoren binden», erklärt Mangler. Aus dieser chemischen Ähnlichkeit ergibt sich das Wirkprinzip der Pflanzenhormone: Sie balancieren Schwankungen der Hormone aus. Das funktioniert in beide Richtungen, also sowohl bei einer Verminderung als auch bei einem Überschuss von Östrogen.
«Zirkuliert zu viel Östrogen im Körper, blockieren die Phytoöstrogene Rezeptoren und regulieren so den Hormonspiegel. Ist zu wenig im System, haben sie eine stimulierende Wirkung», so Mangler. Dass das grundsätzlich funktionieren kann, zeigen Studien. Insbesondere bei Hitzewallungen und vaginaler Trockenheit lassen sich Effekte nachweisen. Allerdings ist die Studienlage insgesamt lückenhaft.
Manche brauchen mehr als nur Östrogene aus der Ernährung
Darüber hinaus braucht es Geduld. «Bei akuten Beschwerden ist keine sofortige Linderung zu erwarten, Phytoöstrogene wirken oft erst nach einigen Wochen», sagt Mangler, «ausserdem helfen sie eher bei milden Beschwerden, nicht aber bei starken Symptomen.» Bei der Behandlung von Patientinnen in den Wechseljahren geht die Gynäkologin deshalb nach einem Stufenmodell vor.
Zunächst gelte es, Lebensstilfaktoren zu überprüfen. Wie sieht die Ernährung aus? Wie das Gewicht? Wie steht es um Sport und Bewegung? Wer an diesen Stellschrauben dreht und etwa auf ein normales Gewicht, ausreichend Bewegung, Krafttraining und eine proteinreiche Ernährung achtet, kann schon viel tun, um besser durch die Wechseljahre zu kommen und beispielsweise Osteoporose vorzubeugen.
Über die Ernährung kann man prophylaktisch Phytoöstrogene zu sich nehmen, sie stecken vor allem in Soja, aber auch in Leinsamen, Sesam, Salbei und Hülsenfrüchten. Weizenbrot enthält ebenfalls Phytoöstrogene, allerdings in geringeren Mengen als die genannten Lebensmittel – der Einfluss auf hormonelle Beschwerden ist daher geringer. Nach den Wechseljahren verpufft die Wirkung übrigens langsam. Es schadet zwar nicht, auch danach Phytoöstrogene zu sich zu nehmen, aber sie haben keinen grossen Effekt.
Die zweite Stufe ist die gezielte Behandlung mit Phytoöstrogenen. «Sie kann auch über die Ernährung gesteuert werden, leichter zu dosieren ist sie aber mit Präparaten in Form von Pillen oder Kapseln», sagt Mangler. Soja-Isoflavone sind dabei am besten untersucht, es gibt aber auch Wirkstoffe aus Rotklee, Traubensilberkerze, Rhapontik-Rhabarber, Kudzu-Bohnen oder Liebfrauenstöckl. Vor der Einnahme sollte man ärztlichen Rat suchen, denn auch pflanzliche Mittel sind nicht immer harmlos: Kudzu-Präparate stehen im Verdacht, die Leber zu beeinflussen, Traubensilberkerze steht auf der Liste potenziell gesundheitsschädlicher Nahrungsergänzungsmittel und Soja kann die Schilddrüsenfunktion drosseln. «Man sollte also vorher abklären, welches Mittel und welche Dosis im Einzelfall geeignet sind», rät Mangler. Zumal nicht alle Frauen gleich reagieren: Was der einen gut hilft, kann bei einer anderen wirkungslos verpuffen.
Ihr Fazit: Phytoöstrogene haben absolut ihre Berechtigung, können bei leichten Beschwerden helfen und sind auch darüber hinaus ein guter Kompromiss, wenn bei einer Frau keine Hormonersatztherapie möglich oder gewünscht ist. Das nämlich wäre die dritte Stufe der Massnahmen gegen Wechseljahrsbeschwerden. Je nach Belastung und individuellem Risikoprofil kann auch eine solche medikamentöse Therapie eine gute Lösung sein, etwa wenn ein starkes Osteoporose-Risiko besteht. Auch hier gilt aber: „Das sollte ganz individuell entschieden und mit der Ärztin besprochen werden.»
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