Vor fünfzig Jahren wurde der Zürcher Verlag gegründet. Neben Max Frisch sorgte ausgerechnet eine Abtreibungsgegnerin für einen Bestseller.
Nach den Gesetzen der Ökonomie dürfte es den Verlag gar nicht geben. Denn das eingesetzte Kapital erzielt eine miserable Rendite. Und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird auch die Belegschaft nicht reich. Und trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – ist der Limmat-Verlag unter allen kleinen Verlagen in der Schweiz jener mit der grössten Ausdauer. Vor exakt fünfzig Jahren wurde er ins Zürcher Handelsregister eingetragen.
Niemand wird behaupten wollen, ohne den Limmat-Verlag wäre die Schweiz nicht, was sie ist. Was man aber ohne jede Einschränkung sagen kann: Die Schweiz wäre farbloser, es fehlten ihr einige der bemerkenswertesten Bücher, sie wäre ärmer an Kontroversen. Und man hätte vielleicht hierzulande längst vergessen, wie geschmeidig sich ein sorgsam ausgewähltes Papier in der Hand anfühlt, wie leicht sich ein nach allen Regeln der Kunst gebundenes Buch umblättern lässt, wie ein Schriftbild förmlich zum Lesen einlädt.
Skandal als Geburtshelfer
Denn das hat dieser Verlag, den es eigentlich nicht geben dürfte, in den fünfzig Jahren seines Bestehens unter Beweis gestellt: Bücher sind nicht nur ein intellektuelles Ereignis, sie ermöglichen ebenso sehr ein sinnliches Erlebnis. Das wiederum ist nicht selbstverständlich bei einem Verlag, der gleichsam aus einer Verlegenheit heraus gegründet worden ist und dessen Programm anfänglich eher für ideelle als schöngeistige Inhalte stand.
Der Limmat-Verlag entstand nur, weil es da 1975 ein Buch gab, das niemand wollte und das darum wie eine heisse Kartoffel weitergereicht wurde: Eine Gruppe von Zürcher Studenten suchte einen Verlag für ihre Dokumentation zur Geschichte der Schweizer Arbeiterbewegung. Ein erster sagte zu und wieder ab, Suhrkamp sprang in die Bresche und zog sich nach einer Intervention seiner Winterthurer Geldgeber zurück.
Das sorgte für einige Aufregung in Zürich, manche riefen gar «Skandal!», aber es war schliesslich die Geburtsstunde eines Verlags, bei dem die politisch engagierten Gründer nicht ahnen konnten, wohin er sie führen würde. 1981 sprangen sie kühn über den eigenen Schatten und veröffentlichten das Buch einer erklärten Abtreibungsgegnerin. Adeline Favres Lebenserinnerungen als Hebamme im Val d’Anniviers wurden zum grössten Verkaufserfolg des Verlags und sind noch immer lieferbar.
Noch eine heisse Kartoffel
1989 kam wieder ein Buch in den Verlag, das erst einmal keiner wollte: Suhrkamp lehnte Max Frischs «Schweiz ohne Armee» ab. Wieder sassen die Winterthurer Geldgeber dem Frankfurter Verlag im Nacken. Frisch ging zu Limmat, dort liess man sich nicht zweimal bitten und brachte die Streitschrift zur Armeeabschaffungsinitiative heraus. Zwar wurde die Armee dann doch nicht abgeschafft, aber das Buch trug einen tüchtigen Gewinn ein.
So waren es Glück und Geschick, die dem Verlag zu seinem Nimbus verhalfen. Nicht nur Politisches, auch Schöngeistiges fand sich alsbald in seinem Programm. Er wurde zu einer Adresse für mehrere Generationen von Autorinnen und Autoren: von Niklaus Meienberg, Isolde Schaad und Laure Wyss bis zu den Jungen von heute: Julia Weber oder Meral Kureyshi.
Im Grunde macht der Limmat-Verlag, was alle anderen auch tun. Einzigartig allerdings sind seine zweisprachigen Gedicht-Editionen. Die Dichter aus der Romandie, dem Tessin oder der rätoromanischen Schweiz hat der Verlag mit Büchern beschenkt, die nichts Vergleichbares kennen. Wer nach Gründen sucht, wozu man gedruckte Bücher braucht, er findet sie hier. Wer es nicht wusste, merkt es mit diesen Büchern: Man liest immer mit den Augen und den Händen. Und manche Limmat-Bücher kann man einfach nicht oft genug anfassen.