Richemont steckt mitten im Umbruch: Die Uhrenmarken kämpfen mit Umsatzrückgängen, die Führungsetagen rotieren. Statt auf Uhren setzt der Konzern zunehmend auf das lukrative Schmuckgeschäft.
So kommunizieren Richemont-Manager sonst nicht: Am Montagabend verkündete Jean-Marc Pontroué, CEO der konzerneigenen Uhrenmarke Panerai, auf Linkedin und Instagram seinen Abschied. Emotional und persönlich – ein Stilbruch in der diskreten Welt des Luxuskonzerns. Nach 25 Jahren verlässt er Richemont.
Pontroué, bekannt für seine offene und umgängliche Art, wollte nicht einfach still und leise verschwinden. Richemont hingegen schien keine öffentliche Mitteilung geplant zu haben. Auch zur Nachfolge äusserte sich das Unternehmen nicht offiziell.
Doch die Information blieb nicht lange unter Verschluss. Bereits am späten Montagabend berichtete das französische Online-Medium Miss Tweed über die Nachfolge, und die NZZ konnte dies am Dienstag gestützt auf weitere Quellen bestätigen: Emmanuel Perrin übernimmt Panerai. Perrin war bis jetzt Leiter der Uhrendivision von Richemont und damit Pontroués Vorgesetzter. In dieser Funktion beaufsichtigte er alle acht Uhrenmarken des Konzerns, darunter IWC, Jaeger-LeCoultre und A. Lange & Söhne.
Was dieser Wechsel für die Struktur der Uhrendivision des Genfer Luxusgüterkonzerns bedeutet, bleibt unklar. Offenbar soll die Dachabteilung über den einzelnen Marken weiterbestehen, doch ein Nachfolger für Perrin ist nicht vorgesehen.
Das CEO-Karussell dreht sich weiter
Der Wechsel bei Panerai ist nur der jüngste in einer langen Reihe. Im vergangenen Jahr tauschte Richemont bei vier seiner acht Uhrenmarken die Führung aus. Auch beim Konkurrenten LVMH kam es zu einem massiven Umbau: Dort wurden sämtliche grossen Uhrenmarken (TAG Heuer, Hublot, Zenith und Bulgari Watches) mit neuen CEO besetzt.
Hinter diesen Rochaden steckt nicht zuletzt die schwächelnde Uhrenkonjunktur. Zwar sanken die Schweizer Uhrenexporte 2024 nur um knapp 3 Prozent, doch die Zahlen täuschen. Während einige Marken weiterwachsen, kämpfen viele mit erheblichen Umsatzrückgängen.
Laut einer Studie von Morgan Stanley und Luxeconsult konnten vor allem die «big four» – Rolex, Patek Philippe, Audemars Piguet und Richard Mille – ihren Marktanteil ausbauen. Auch einige Schmuckmarken, die Uhren herstellen (Cartier, Van Cleef & Arpels und Bulgari), legten zu. Bei den Richemont-Uhrenmarken hingegen fiel der Umsatz laut Morgan Stanley um 9 bis 25 Prozent.
Eigene Boutiquen wurden zu stark forciert
Ob die neuen Köpfe das Ruder herumreissen können, hängt davon ab, wie viel Freiraum sie innerhalb des Konzerns erhalten. Ein zentrales Problem der vergangenen Jahre war die Vertriebsstrategie – eine Entscheidung, die nicht bei den einzelnen Marken lag.
Die Marschrichtung kam von oben, konkret von Emmanuel Perrin. Die Marken wurden angehalten, sich von Multi-Marken-Händlern wie Bucherer oder Wempe zurückzuziehen und stattdessen stärker auf eigene Boutiquen zu setzen. Exklusive Modelle waren nur noch dort erhältlich. In Ländern mit wenigen Boutiquen führte dies jedoch zu massiven Umsatzeinbussen, weil begehrte Modelle schlicht nicht verfügbar waren.
Richemonts Fokus verlagert sich zum Schmuck
Generell setzt Richemont mehr denn je auf Schmuck statt auf Uhren. Noch vor einem Jahr war der CEO ein «Uhren-Guy», jetzt leitet Nicolas Bos den Konzern – zuvor Chef der Schmuckmarke Van Cleef & Arpels. Auch in der Geschäftsleitung wurden die Uhrenleute durch Vertreter der Schmuckmarken ersetzt.
Die stärkere Orientierung hin zum Schmuckgeschäft ist nachvollziehbar: Hier wächst der Konzern, hier verdient er das meiste Geld. Im Weihnachtsquartal steigerten Richemonts Schmuckmarken (vor allem Cartier und Van Cleef & Arpels) ihren Umsatz um 14 Prozent und erwirtschafteten fast drei Viertel des gesamten Konzernumsatzes. Die Uhrenmarken hingegen lagen 8 Prozent unter Vorjahr. Ihr Anteil am Gesamtumsatz betrug 14 Prozent.
Dass der Schmuckbereich so stark wächst, hängt allerdings nicht nur mit der Stärke von Marken wie Cartier oder Van Cleef & Arpels zusammen, sondern auch mit dem Marktumfeld. Während der Uhrenmarkt fast ausschliesslich von etablierten Marken dominiert wird, ist der Schmuckmarkt weit weniger besetzt. Morgan Stanley schätzt, dass weltweit nur 40 Prozent des Schmucks von Marken stammen – bei Uhren sind es 100 Prozent.
Dabei handelt es sich um eine vergleichsweise unkomplizierte Goldgrube. Uhren müssen regelmässig gewartet werden, dafür braucht es qualifizierte Uhrmacher. Die grossen Uhrenmarken unterhalten weltweit Servicezentren.
Schmuckstücke hingegen kehren kaum je zum Hersteller zurück; allenfalls bringen die Kunden sie einmal zum Polieren. Zudem spielt der Produktionsstandort kaum eine Rolle. Niemand fragt, wo genau ein Cartier-Armreif gefertigt wurde – Hauptsache, es steht Cartier darauf. Das erlaubt Margen, von denen die Uhrenhersteller mit ihrem «Swiss made» nur träumen können.