Weil er an einer Gala-Veranstaltung in Moskau auftreten will, wird die frühere Stürmer-Legende der AS Roma heftig kritisiert.
Sein zweites Leben fällt ihm offensichtlich schwer. Seit Francesco Totti, legendäre Nummer 10 der AS Roma, an jenem Sonntag Ende Mai 2017 das weinende Stadio Olimpico verlassen und die Fussballschuhe an den Nagel gehängt hat, will ihm nichts mehr so richtig gelingen – ausgerechnet ihm, dem sympathischen Ragazzo aus dem Volk, der den Fussball als die einfachste Sache der Welt aussehen liess.
Erst bestimmte er mit einer langen und ziemlich hässlichen Scheidungsgeschichte die Schlagzeilen. Es ging um Betrugsvorwürfe, vernachlässigte Kinder, geklaute Rolex-Uhren und entwendete Louboutins. Zwischen dem «Capitano», wie ihn seine Fans nennen, und Ilary Blasi, seiner Model-Frau, flogen die Fetzen. Kein Detail wurde ausgespart, über Wochen machte die Trennung des ehemaligen Traumpaars Schlagzeilen.
Rom ist eine grosszügige Stadt. Einer wie Totti, der in all den Jahren den Verein nie gewechselt hat, konnte immer mit Nachsicht rechnen. Doch die Scheidungsgeschichte hat Spuren hinterlassen. Der «Pupone», so sein zweiter Kosename, das Riesenbaby – es wird nicht mehr mit der gleichen mütterlichen Zärtlichkeit betrachtet wie früher, als es draussen im Olimpico ein Tor nach dem anderen schoss.
Nun hat er sich wieder in die Nesseln gesetzt. Am 8. April soll er in Moskau an einer Gala eines bekannten russischen Portals für Sportwetten teilnehmen. Seine Anwesenheit wird derzeit auf grossen Video-Werbeflächen in der russischen Hauptstadt angekündigt. «Der Imperator besucht das Dritte Rom», heisst es darauf. Nach der Ewigen Stadt als früherem Zentrum des Römischen Reichs und nach Konstantinopel wird Moskau in einer populären Wendung oft als das «Dritte Rom» bezeichnet.
Un video gigante di Totti spunta a Mosca: «L’imperatore sta andando nella terza Roma». Perché lo celebrano https://t.co/A3LFQ19RXN
— Corriere della Sera (@Corriere) March 14, 2025
Die Veranstaltung soll laut Medienberichten im «Irina Viner-Usmanova Gymnastics Palace» stattfinden, einer Moskauer Arena, die von dem mit Sanktionen belegten russischen Milliardär Alisher Usmanow finanziert worden sein soll und nach dessen früherer Frau benannt ist.
Damit ist Totti in ein politisches Minenfeld getreten. Politiker werfen ihm vor, sich zum nützlichen Idioten Wladimir Putins zu machen, der jede Gelegenheit nutze, um der Welt weiszumachen, dass sein Land trotz dem Krieg in der Ukraine immer noch sehr bewundert werde.
Besonders in den sozialen Netzwerken ist der Ton rau. «Schäm dich!», schreibt einer an die Adresse des «Capitano»; «Was für ein übles Ende!», kommentiert ein anderer. Andere sind etwas gnädiger. Ein Fussballer sei kein Politiker, sagen sie, ein Auftritt Tottis in Russland unterminiere nicht die westliche Haltung in der Ukraine-Frage. Auch der Sänger Al Bano sei kürzlich zu einem Konzert auf dem Roten Platz eingeladen worden.
Die Meldung kommt zu einem Zeitpunkt, da in Italien heftig über den künftigen Kurs gegenüber Russland gestritten wird. Sowohl in der Regierungskoalition von Giorgia Meloni als auch im oppositionellen Partito Democratico (PD) tun sich dieser Tage tiefe Gräben auf.
Totti hat wohl nicht bedacht, was er mit seiner Zusage auslösen würde. Der inzwischen 48 Jahre alte Star dürfte angenommen haben, es reiche, wenn er sich in Moskau so verhalte wie früher, als alles noch weniger kompliziert war: ein kurzer Auftritt auf der Bühne, ein Witz über sich selbst, fertig. «Tutte le barzellette su Totti» («Alle Witze über Totti»): In Buchform waren seine Sprüche ein Verkaufsrenner, damals, als er noch der römische Fussballgott schlechthin war.
«Francesco, denk doch noch einmal drüber nach», fordert ihn nun Andrea Massaroni auf, ein römischer Politiker der liberalen Partei «Più Europa». Und Francesco Totti muss miterleben, dass ihm selbst in seiner Heimatstadt nicht mehr alles verziehen wird. Er werde sich die Sache überlegen, liess er unterdessen ausrichten.