Seit achtzig Jahren senden die USA fundierte Nachrichten in alle Welt, vor allem auch in autoritär regierte Staaten. Nun wurden fast alle Mitarbeiter entlassen. Auch geschichtsträchtige Sender wie Radio Free Europe / Radio Liberty werden abgeschaltet.
Ab dem Zweiten Weltkrieg hat Voice of America Länder, in denen es sonst kaum verlässliche Informationsquellen gab, mit Nachrichten aus aller Welt versorgt. «Leuchtfeuer der Freiheit» wurde der Sender genannt. Doch jetzt strich der amerikanische Präsident Donald Trump die Gelder für die «Stimme Amerikas» radikal.
Am Freitag ordnete er die Auflösung der Muttergesellschaft des Senders an, der United States Agency for Global Media. Am Wochenende erhielten fast alle der 1300 Mitarbeiter am Hauptsitz in Washington die Nachricht, sie seien beurlaubt, hätten keinen Zutritt mehr zu ihren Büros und müssten Presseausweise, Diensttelefone und andere Ausrüstung abgeben.
Ausländische Journalisten verlieren ihr Visum
Einer von ihnen ist Rendy Wicaksana. Der 33-Jährige stammt aus Indonesien und arbeitete seit drei Jahren Vollzeit für Voice of America in New York. «Letzten Sonntagabend bekam ich die Kündigung per E-Mail», sagt er im Gespräch. «Weil ich keinen Beamtenstatus habe, bin ich ein leichtes Ziel.» Sein Visum ist an die Anstellung gekoppelt. Wenn er nicht rasch eine neue findet, erlischt seine Aufenthaltsbewilligung, und er muss nach Indonesien zurückkehren. Bei so vielen entlassenen Journalisten wird die Arbeitssuche jedoch schwierig.
Noch existenzieller sei die Situation jedoch für Kollegen aus Ländern wie Iran, China oder Russland, sagt er. «Sie gelten in ihrer Heimat als Verräter, weil sie für den Sender gearbeitet haben. Die Rückkehr kann für sie lebensgefährlich werden.»
Er nimmt an, der Sender Voice of America werde ausgekernt, um dann als rechtes Trump-Medium neu lanciert zu werden. Dass Kari Lake sagte, die Institution sei ein Haufen von radikalen Linken, der «Fake News» produziere, kränkt ihn auch persönlich. Er hat schon vor sieben Jahren von Indonesien aus für den Sender gearbeitet, wie viele Kollegen unter schwierigen Bedingungen und beträchtlichem Risiko.
Kari Lake, eine ehemalige Fox-News-Moderatorin und glühende Trump-Verehrerin, wurde Anfang März zur «leitenden Beraterin» der United States Agency for Global Media ernannt. Zur Direktorin konnte Trump sie nicht machen, weil er den für die Wahl zuständigen Vorstand entlassen hatte. Lake sagte, Voice of America sei ein Sicherheitsrisiko für die Nation, korrupt und «obszön teuer». Der Sender kostet die Steuerzahler 270 Millionen Dollar pro Jahr. Die «Washington Post» schätzt, dass China allein für seine Sender in Afrika jährlich Milliarden von Dollars ausgibt.
Nur noch Musik auf den Kanälen
Die Inhalte von Voice of America werden hauptsächlich in Washington produziert und dann an Standorten in aller Welt bearbeitet, übersetzt und ausgestrahlt. Gestoppt wurde auch die Finanzierung der mit Voice of America verbundenen Sender wie Radio Free Europe / Radio Liberty, Radio Free Asia und Middle East Broadcasting Networks. All diese Redaktionen arbeiten auf der Basis von Subventionen, die vom Kongress bewilligt werden, und sind durch Statuten von der Beeinflussung durch die Regierung geschützt.
Die Institution sei eines der «Elemente der Bundesbürokratie, die der Präsident für unnötig hält», heisst es in der «executive order». Die Einsparungen würden sicherstellen, dass «die Steuerzahler nicht länger für radikale Propaganda aufkommen müssen». Durch die drastische Kürzung werden die Sender nicht mehr in der jetzigen Form weiterexistieren. Schon am Montag wurde auf einigen Nachrichtenkanälen nur noch Musik gesendet. Manche senden nur noch in China und Russland produzierte Nachrichten statt das frühere globale Angebot.
Der Chef von Radio Free Europe / Radio Liberty, Stephen Capus, nannte Trumps Entscheidung ein «massives Geschenk an Amerikas Feinde». Die iranischen Ayatollahs, die kommunistischen Führer Chinas und die Autokraten in Moskau und Minsk könnten sich über das Verschwinden nach 75 Jahren nur freuen. Die Entscheidung sorge dafür, dass die Gegner Amerikas stärker würden – und Amerika schwächer.
Fünfzig Sprachen, 360 Millionen Zuhörer
Voice of America wurde 1942 gegründet, um der Nazi-Propaganda eine liberale, demokratische Stimme entgegenzusetzen. Später waren die Sendungen vor allem an Zuhörer hinter dem Eisernen Vorhang gerichtet, als Alternative zur kommunistischen Propaganda. Radio Free Europe war auch ein Produkt des Kalten Krieges; es sendete ab 1949 aus München und zog 1995 auf Einladung des damaligen tschechischen Präsidenten Vaclav Havel nach Prag um. Der tschechische Aussenminister Jan Lipavsky sagte zur drohenden Schliessung, Radio Free Europe / Radio Liberty seien zwei der wenigen freien Informationsquellen für Menschen, die in Unfreiheit lebten, von Weissrussland bis Iran, von Russland bis Afghanistan.
Radio Free Europe / Radio Liberty produziert auf Russisch das Radioprogramm Radio Swoboda (Radio Freiheit) und den Fernsehkanal Current Time. Der Sender strahlt auch Programme in zahlreichen anderen Sprachen wie Ukrainisch, Weissrussisch, Ungarisch und Persisch aus. In Russland gilt der Sender seit Februar 2024 als unerwünschte Organisation.
Das amerikanische Netzwerk sendete in rund fünfzig Sprachen, in Afrika beispielsweise auch auf Bambara, Swahili oder Haussa, und erreichte wöchentlich etwa 360 Millionen Zuhörer, vor allem auch in Ländern wie China oder Iran, die den Zugang zu nichtstaatlichen Medien stark einschränken.
Verteufelung der Medien
Trump versuchte bereits während seiner ersten Amtszeit, den Auslandsendern die Mittel zu entziehen, wurde jedoch durch die Gerichte gestoppt. Auch jetzt hat die American Foreign Service Association, der die Angestellten von Voice of America angehören, Klagen vor Gericht angekündigt.
Die drohende Auflösung ist Teil einer grösseren Kampagne gegen die von Trump so genannten Mainstream-Medien, die seiner Meinung nach links unterwandert sind. Schon während seines Wahlkampfs beschimpfte Trump routinemässig anwesende Journalisten als «Feinde des Volkes». Ende Februar wurden die Presseagenturen Associated Press und Reuters vom Medienpool des Weissen Hauses ausgeschlossen. Die Regierung entscheidet nun, welche Medien Zugang zum Präsidenten erhalten, nicht mehr wie während hundert Jahren die White House Correspondents’ Association.
Das Pentagon hat verschiedene Medien wie CNN, NBC und «Politico» aus ihren Büros verjagt und sie durch Trump-freundliche Medien wie den «Washington Examiner» ersetzt. Den Bundesbehörden wurde auch untersagt, Abonnemente für Nachrichtenmagazine wie «Politico» abzuschliessen.
Übergriffe auf Journalisten haben in den letzten paar Jahren in den USA zugenommen. Auch aus diesem Grund liegt das Land im Index der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen ziemlich weit abgeschlagen auf Platz 55 von insgesamt 180.