Hohe Investitionskosten belasten die Aktien des Peptidspezialisten, doch das negative Sentiment bietet langfristig orientierten Anlegern eine attraktive Kaufchance.
750 Mio. Fr. – so viel hat der Pharmaauftragsfertiger Bachem in seine Produktionsanlage am Hauptsitz in Bubendorf investiert. Bisher, muss man anfügen, denn ursprünglich war nur etwas mehr als die Hälfte dieser Summe veranschlagt. Zum Vergleich: 2024 erzielten die Baselbieter einen Umsatz von knapp über 600 Mio. Fr.
Will heissen: Die Kapitalinvestitionen (Capex), die Bachem für ihre neue Fabrik auf sich nimmt, sind enorm. Da sollte möglichst nichts schiefgehen – und genau hier liegt das Problem. Der geplante kommerzielle Produktionsstart wurde bereits mehrfach verschoben: zuerst von 2024 auf 2025, nun dürfte es frühestens 2026 werden, bis die Fabrik nennenswerten Umsatz generiert. Anhaltende Verzögerungen bei gleichzeitig hohen Capex-Zahlungen kommen an der Börse nie gut an.
Seit Jahren finden die Aktien nicht aus ihrer Schwäche und bewegen sich mit einem Kurs von rund 54 Fr. auf einem Mehrjahrestief.
«Der Markt entwickelt sich hervorragend, Bachem kämpft aber mit hausgemachten Problemen», fasst Vontobel-Analystin Sibylle Bischofberger die Situation zusammen. Auf Sicht der letzten zwölf Monate bilden die Aktien das Schlusslicht unter den fünf an der Schweizer Börse kotierten Auftragsfertigern.
Bachem: Marktführer in strukturellem Wachstumsmarkt
Grundsätzlich handelt es sich bei Bachem um ein echtes Schweizer Qualitätsunternehmen, das sich in einer für die Pharmaindustrie zunehmend wichtigen Nische zum globalen Marktführer entwickelt hat. Die Bubendorfer haben sich auf die Herstellung von sogenannten Peptiden und Oligonukleotiden spezialisiert, die injiziert werden. Peptide sind kurze Ketten von Aminosäuren, die im Körper als Hormone, Signalstoffe und in bestimmten Fällen als Enzyme eine wichtige Rolle spielen. Bachem stellt sie synthetisch her und liefert sie hauptsächlich als Wirkstoffe an Pharmaunternehmen
Peptide galten lange als Nischenprodukt in der Medikamentenforschung. Mittlerweile finden sie immer breitere Anwendung in der Diabetes- und der Krebstherapie sowie neuerdings auch bei Therapien gegen Fettleibigkeit. Typische Peptidmedikamente sind etwa Insulin- und Abnehmspritzen. Vor allem der Hype um Abnehmpräparate hat die Nachfrage nach Peptiden stark angekurbelt. Doch bereits vor dem Boom rund um Adipositas-Medikamente profitierte Bachem vom wachsenden Trend zu injizierbaren Medikamenten. Spritzen gelangen direkt ins Blut, wodurch die Wirkstoffe niedriger dosiert werden können – das spart Ressourcen und reduziert Nebenwirkungen für Patienten.
Bachem selbst schätzt den Markt für Auftragshersteller synthetischer Peptide derzeit auf 1,8 Mrd. Fr. Je nach Analyse dürfte sie einen Marktanteil zwischen 25 und 30% haben. Dass Pharmakonzerne die Wirkstoffproduktion zunehmend auslagern und der Medikamentenbedarf aufgrund der alternden Gesellschaft stetig wächst, sind weitere Faktoren, die die langfristig steigende Nachfrage nach Peptiden begünstigen.
Hinzu kommt, dass der Herstellungsprozess für langkettige Peptide hoch komplex und kapitalintensiv ist – wodurch die Einstiegshürden für neue Konkurrenten besonders hoch sind.
Bachem hält an Ziel fest: Umsatzmilliarde bis 2026
Die Voraussetzungen für eine rosige Zukunft sind also gegeben. Doch das Sentiment um die Aktien ist gedämpft. «Der Markt ist enttäuscht, dass Bachem mit der Erweiterung der Produktionskapazitäten stark im Verzug ist», sagt Bischofberger. Zudem bestehe die Sorge, dass sich der Produktionsstart im Gebäude K weiter verschieben könnte.
Aufgrund des aufkommenden Hypes um Abnehmmedikamente hat das Unternehmen mitten in der Bauphase den Produktionsplan geändert: Statt auf vielen kleinen Produktionseinheiten liegt der Fokus nun auf wenigen grossen Anlagen. Das hat den Prozess massiv verzögert. Bachem plant nun für das zweite Quartal erste Test-Chargen auf der ersten von drei geplanten Einheiten. Ab 2026 soll die gesamte Anlage dann signifikanten Umsatz generieren. Eine Anfrage von The Market zum aktuellen Stand von Gebäude K, und ob weitere Kosten drohen, blieb seitens Bachem bis Mittwochabend unbeantwortet.
Dass Gebäude K bald Umsatz generiert, ist dringend nötig. Denn Bachem hält eisern an ihrem Ziel fest, 2026 die Umsatzmilliarde zu erreichen. Das ist ambitioniert: Für das Jahr 2025 rechnet sie mit einem Wachstum von 10 bis 15%, was einem Umsatz zwischen 666 und 696 Mio. Fr. entspricht. Um 2026 die Umsatzmilliarde zu erreichen, wäre dann ein Wachstum von 44 bis 50% erforderlich.
Gemäss Daten von Bloomberg gehen die durchschnittlichen Analystenschätzungen für 2026 noch von einem Umsatz von 950 Mio. Fr. aus – allerdings fehlen dabei Updates von zwei der zehn Analysten (Barclays und Research Partners), die zum Konsens beitragen. Nach der Veröffentlichung der Jahreszahlen Ende Februar haben Analysehäuser wie UBS, JPMorgan und die Deutsche Bank ihre Schätzungen nach unten korrigiert.
Für Bischofberger ist selbst das für das laufende Jahr angepeilte Wachstum ambitioniert. «Die Produktionsanlagen sind bereits stark ausgelastet. Um 10 bis 15% zu wachsen, muss Bachem mehr aus den Anlagen rausholen», sagt die Analystin, die die Bachem-Aktie derzeit mit «Hold» bewertet. Mögliche Hebel sind weitere Effizienzsteigerungen sowie zusätzliche Nacht- und Wochenendschichten.
Cashflow wird stark belastet
Dass das Gebäude K bald Geld in die Kassen spült, statt weiter Kosten zu verursachen, ist umso wichtiger, weil Bachem weitere grosse Investitionen plant. Im aargauischen Industriegebiet Sisslerfeld soll ein neuer Produktionsstandort entstehen, der auf Grossproduktion ausgerichtet ist. Kostenpunkt: 750 Mio. Fr. Die Fertigstellung ist bis Ende des Jahrzehnts geplant.
Damit werden die Kapitalinvestitionen, die in den letzten beiden Jahren bereits stark gestiegen sind – gegenüber 2019 haben sie sich nahezu verzehnfacht –, noch einmal deutlich zulegen. Analysten rechnen für die nächsten zwei Jahre jeweils mit Capex von rund 360 Mio. Fr.
Das belastet den freien Cashflow (FCF). In einem kapitalintensiven Geschäft wie dem von Bachem als Auftragsfertiger für die Pharmaindustrie ist es nicht ungewöhnlich, dass die frei verfügbaren Barmittel – also der Betrag, der nach Abzug aller Kosten und Investitionen übrig bleibt und für Dividenden, Schuldenabbau oder weitere Investitionen genutzt werden kann – zeitweise ins Negative rutschen.
Doch die FCF-Entwicklung von Bachem zeigt, welche enorme Herausforderung das Gebäude K in Bubendorf und der neue Produktionsstandort in Sisslerfeld für das Unternehmen darstellen. Bachem verzeichnet bereits seit vier Jahren einen negativen freien Cashflow. 2024 hat er erstmals die Marke von –100 Mio. Fr. deutlich unterschritten. In den nächsten zwei Jahren wird das kumulierte Defizit mehr als 430 Mio. Fr. betragen.
Patrik Jäger, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter IFS Independent Financial Service, legt bei seinen Investments grossen Wert auf die Kapitalrendite – in dieser Hinsicht sah es bei Bachem bis vor kurzem einige Jahre lang gut aus. Zwischen 2020 und 2022 lag der ROIC (Return on Invested Capital) deutlich über den gewichteten Kapitalkosten (Weighted Average Cost of Capital, WACC). Das bedeutet, dass Bachem in diesem Zeitraum Wert für die Aktionäre geschaffen hat. Seit 2023 übersteigen die Kapitalkosten die Kapitalrendite jedoch.
«Die ausufernden Kosten für das Gebäude K hindern uns an einem Engagement in Bachem», sagt Jäger. Auch mit den zusätzlich geplanten Investitionen in die Produktionsanlage in Sisslerfeld würde man in Bezug auf die Kapitalrendite bis auf weiteres «nicht auf einen grünen Zweig kommen». Jäger bevorzugt daher im Bereich der Pharmaauftragsfertiger Siegfried, wo die Investitionstätigkeit vergleichsweise bescheiden ausfällt.
Über den gesamten Zyklus hinweg plant das auf kleine, chemisch synthetisierte Moleküle (sogenannte Small Molecules) spezialisierte Unternehmen mit durchschnittlichen jährlichen Investitionen im niedrigen zweistelligen Prozentbereich des Umsatzes. Seit 2021 schafft es konstant Mehrwert für die Aktionäre.
Bachem im perfekten Sturm
Bachem steckt derzeit in einem perfekten Sturm: Die ausufernden Kapitalinvestitionen belasten den freien Cashflow stark, während sich der Produktionsstart im wichtigen Gebäude K weiter verzögert. Das gefährdet die Profitabilitätsziele – denn in der Auftragsfertigung gilt: je höher der Umsatz, desto grösser die Gewinnmarge.
Bachem peilt für 2026 neben einem Umsatz von über 1 Mrd. Fr. weiterhin eine Ebitda-Marge von mehr als 30% an. Zuletzt ist sie unter 29% gefallen.
Aufgrund der hohen Ausgaben für den Ausbau dürfte die bisher schuldenfreie Bachem in den kommenden Jahren Fremdkapital aufnehmen müssen. Vontobel-Analystin Bischofberger geht davon aus, dass Bachem im laufenden Jahr Schulden in Höhe von 150 Mio. Fr. aufnehmen wird, 2026 könnten weitere 300 Mio. Fr. und später noch mehr hinzukommen.
Nach Schätzung der Analysten der Deutschen Bank wird sich der Verschuldungsgrad (Nettoschulden im Verhältnis zum Betriebsgewinn vor Abschreibungen und Amortisationen, Ebitda) bis 2028 von derzeit –0,5 auf 2 erhöhen. Damit würde sich Bachem jedoch weiterhin in einem vom Kapitalmarkt weitgehend akzeptierten Rahmen bewegen.
Wann ist Bachem ein Kauf?
Sowohl für Bischofberger als auch für Jäger ist im Aktienkurs von Bachem bereits viel Negatives eingepreist. Die Bewertung – gemessen am Verhältnis von Unternehmenswert (EV) zum Ebitda – hat sich nach den Höhenflügen 2022 normalisiert und liegt mittlerweile auf dem Niveau der Konkurrenten PolyPeptide und Lonza. Siegfried ist wegen ihres tieferen Wachstums traditionell etwas tiefer bewertet.
Aus Sicht von The Market bestehen kaum Zweifel, dass Bachem als Marktführer im Peptidgeschäft langfristig zu den grossen Gewinnern struktureller Trends im Pharmasektor gehört – etwa durch die alternde Gesellschaft, die den Medikamentenbedarf stetig wachsen lässt, und den steigenden Bedarf an Peptiden, der nicht nur vom Hype um Abnehmpräparate getrieben wird.
Der perfekte Sturm, den die Bubendorfer derzeit bewältigen müssen, bietet langfristig die Chance, vergleichsweise günstig in einen Schweizer Qualitätstitel einzusteigen. Allerdings: Die Sorge um weitere Verzögerungen im Gebäude K dürfte die Aktien in den nächsten Monaten noch in Schach halten. Der Markt wird genau hinhören, was das Management bei der Präsentation der Halbjahreszahlen am 24. Juli zur Entwicklung des Kapazitätsausbaus kommuniziert.
Für diejenigen, die weitere Kursschwankungen nach unten in Kauf nehmen können, bietet sich bereits jetzt ein Kauf an. Wer das Risiko begrenzen will, wartet ab, bis mehr Gewissheit über den Produktionsstart im Gebäude K herrscht.