Eine neue Schweizer Studie zeigt: An frischem Obst und Gemüse haften häufig antibiotikaresistente Bakterien. Fäkalverschmutzung dürfte die Hauptursache sein.
Kistenweise reihen sich Tomaten, Äpfel oder Salate in den Läden aneinander. Das üppige Angebot an frischen pflanzlichen Lebensmitteln bereichert den Speiseplan – und hat Vorteile für die Gesundheit. Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, täglich mindestens 600 Gramm Obst und Gemüse zu essen. Das sichere die Versorgung des Menschen mit essenziellen Nährstoffen und helfe, diversen Krankheiten vorzubeugen. Doch offenbar gibt es eine Kehrseite.
Wissenschafterinnen der Eidgenössischen Forschungsanstalt Agroscope in Bern haben untersucht, inwiefern pflanzliche Frischkost mikrobiell kontaminiert ist («Science of the Total Environment»). Das Team analysierte dafür 150 Proben von Karotten, Erdbeeren, Tomaten, Eisbergsalat sowie Koriander. Die eine Hälfte davon entstammte Schweizer Produktion, die andere war importiert. Die Tests zielten darauf ab, antibiotikaresistente Bakterien und deren Erbgut aufzuspüren. Derartige Verunreinigungen stellen ein potenzielles Gesundheitsrisiko dar, wie die Studienleiterin Elisabet Marti Serrano erklärt. «Viel frisches Obst und Gemüse wird roh verzehrt», sagt sie. Das erhöhe die Gefahr.
Die Forscherinnen sind fast durchgängig fündig geworden. Zunächst wiesen sie in gut einem Drittel der Proben lebende Enterobakterien mit einer Resistenz gegen mindestens ein Antibiotikum nach. Multiresistente Keime waren in 16 Fällen präsent. Zusätzlich fand das Team multiresistente Stämme von Pseudomonas aeruginosa – einem opportunistischen Krankheitserreger, der unter anderem Lungenentzündungen hervorrufen kann.
Gut für die Bakterien, schlecht für den Menschen
Noch bedenklicher ist der molekularbiologische Befund. Nicht weniger als 95 Prozent der Proben enthielten Gene für die Abwehr von Antibiotika und diversen Desinfektionsmitteln. Solche DNA-Sequenzen weisen nicht nur auf die weitverbreitete Anwesenheit von riskanten Bakterien in der Produktionskette hin; sie ermöglichen es anderen Mikroben, ebenfalls resistent zu werden – durch die Weitergabe des genetischen Materials sogar über Artgrenzen hinweg.
Bakterien können frei flottierende DNA aus ihrer Umgebung aufnehmen und in ihr eigenes Erbgut integrieren. Diese mobilen genetischen Elemente, kurz MGE, enthalten Bauanleitungen für spezielle Enzyme oder molekulare Maschinerien wie Membranpumpen. Diese wiederum dienen unter anderem dazu, Antibiotika zu neutralisieren oder Giftstoffe aus den Zellen heraus zu befördern.
Für Bakterien stellt der Informationsaustausch über MGE eine zentrale Überlebensstrategie dar. Doch der Medizin bereitet sie zunehmend Schwierigkeiten. Gemäss einer Erhebung fordern antibiotikaresistente Keime jährlich weltweit mehr als 1,2 Millionen Todesopfer, Tendenz steigend.
Um der Herkunft der mikrobiellen Belastung von Obst und Gemüse auf die Spur zu kommen, nahm das Agroscope zunächst ein harmloses Gen ins Visier – eine spezifische Sequenz aus dem Erbgut des Darmbakteriums E. coli. Diese DNA diente als Indikator für eine Kontamination mit Fäkalien, sowohl menschlichen als auch tierischen Ursprungs.
Resistenzen wird Vorschub geleistet
Die Sequenz kam in den Proben meist gekoppelt mit einem bestimmten Antibiotikaresistenzgen vor. Das gemeinsame Auftreten weise auf Fäkalverschmutzung als eine wichtige Quelle für Antibiotikaresistenzen hin, erklärt Elisabet Marti Serrano. Der Kot selbst könnte aus Klärschlamm, Mist oder Jauche, aber auch von Wildtieren stammen.
Ob die freien Resistenzgene die menschliche Gesundheit direkt gefährden, ist derzeit unklar. Ihre Häufigkeit in Obst und Gemüse dürfte jedoch der Übertragung von Resistenzen Vorschub leisten und die Risiken allgemein erhöhen, sagt Marti Serrano. Zwar seien die gefundenen Konzentrationen nicht extrem hoch – tierische Lebensmittel wie Fleisch wiesen normalerweise stärkere Belastungen auf. Sie würden aber meistens nicht roh gegessen. «Kochen und braten tötet Bakterien», sagt die Forscherin. So oder so sei gründliches Waschen empfehlenswert. Das beseitige viele Kontaminationen.
Was der Fachfrau ebenfalls Sorge bereitet, ist die Verbindung zwischen Antibiotikaresistenzgenen und Genen, die Desinfektionsmitteln und Giftstoffen entgegenwirken. Beide Kategorien kommen offenbar gehäuft in denselben MGE vor. Die Weitergabe der mobilen Elemente werde durch Kontakt mit Giften beschleunigt, erklärt Marti Serrano. Bakterien reagieren damit auf toxische Umweltverschmutzungen und nehmen gleichzeitig verstärkt Resistenzgene auf. Der Mensch begünstige sowohl die Verbreitung als auch die Weiterentwicklung solcher Gene, sagt die Expertin. «Das muss dringend weiter erforscht werden.»
Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag»