Wie ein brachliegendes Freibad zum Schandfleck einer Stadt geworden ist.
Es sind Bilder wie aus einem Sommertraum: junge Leute, die im Licht der untergehenden Sonne tanzen und mit bunten Drinks anstossen. Feiner Sand, der durch Hände rieselt. Entspannen im Whirlpool. So bewirbt der umtriebige Eventmanager Martin Roth im Frühling 2023 auf seiner Website die neue «Lido Beach Bar».
Der Ort, an dem der Sommertraum wahr werden soll: ein heruntergekommenes, über siebzig Jahre altes Freibad neben der Eishalle in Rapperswil-Jona, das nicht mehr in Betrieb ist.
Bei der Stadt freut man sich über die Zwischennutzung, bis ein neues Freibad gebaut werden kann. Hauptsache, das Gelände liegt nicht brach. Man glaubt, auf den richtigen Mann gesetzt zu haben. Roth hat Erfahrung in der Branche, in den letzten Jahren hat der 43-Jährige zahlreiche grosse Anlässe mitorganisiert.
Um echtes Beach-Feeling zu erzeugen, kippt Roth rund fünfzig Tonnen Sand auf das Gelände des ehemaligen Freibads, stellt Palmen auf, lässt aufblasbare Plastik-Flamingos im ehemaligen Sprungbecken treiben, das Roth «Teich» nennt. Bald schwimmen darin ein paar Goldfische.
Roth ist zuversichtlich. Als die Badi vor ein paar Jahren noch in Betrieb war, tummelten sich hier im Sommer Hunderte von Gästen. Er glaubt, die Bar werde ebenfalls ein Erfolg.
Doch es kommt alles anders.
Lieber zum Apéro ins Stadtzentrum
Die Schwierigkeiten fangen damit an, dass Roth im Jahr 2023 erst am 1. September eröffnet – dann also, wenn die Saison in der Sommergastronomie schon fast vorbei ist. Roth sagt, er habe die Zeit bis dahin zur Vorbereitung benötigt.
Er hofft auf ein paar gute Wochen, für ihn steht viel auf dem Spiel: Rund 80 000 Franken habe er bereits in die Bar investiert, sagt er am Tag vor der Eröffnung zur «Linth-Zeitung».
Doch der Start ist harzig. Er habe geglaubt, dass der Standort so nahe beim See attraktiv sei, sagt Roth. «Aber die Leute gehen zum Apéro lieber ins Stadtzentrum.» Ein Problem ist, dass er seine Bar jeweils schon um neun Uhr abends schliessen muss.
Bei der Stadt selbst ist man zunächst guter Dinge. Der zuständige Stadtrat Ueli Dobler sagt zur NZZ, Roth habe der Stadt ein überzeugendes Konzept vorgelegt. Doch schon bei der Eröffnung im September 2023 habe er sich gewundert, warum die Bar nicht wenigstens teilweise überdacht gewesen sei und geschlossene Räume gefehlt hätten, sagt Dobler. «So kommt doch niemand vorbei, wenn es kühl ist und regnet.»
Aus Kulanzgründen habe man dem Pächter schliesslich zwei Monatsmieten erlassen.
Der Pächter Roth sagt, ihm sei bewusst gewesen, dass er in die Bar hätte investieren müssen. Doch ihm habe das Geld dafür gefehlt. Als im Frühling 2024 die neue Saison startet, regnet es wochenlang. Die Flamingos und die Goldfische im «Teich» bleiben einsam.
Und dann stellt Roth fest, dass er Konkurrenz hat: Direkt an der Seepromenade, wenige Meter vor seiner Bar, steht ein Container mit einem kleinen Gastronomieangebot. «Dort wurden auch Bier und Aperol Spritz verkauft. Das hat mir endgültig das Genick gebrochen.»
Ab Mitte Juli 2024 habe er seine Mitarbeiter, die auf Stundenbasis für ihn tätig gewesen seien, nicht mehr entlöhnen können. «Also habe ich allein weitergemacht und ebenfalls nichts verdient.»
Roth zahlt keine Miete mehr. Und die Stadt kündigt ihm die Pacht per Ende Jahr.
Also schliesst der Pächter die Bar. Doch er lässt das Inventar zurück: Möbel, Plastik-Flamingos, Sonnenschirme. «Ein Riesenpuff», sagt der Stadtrat Dobler. «Es sah aus wie im Krieg.»
Im Januar hätten er und Roth noch Kontakt gehabt. «Ich habe ihm erklärt, dass er die Bar räumen müsse. Doch er sagte mir, er mache gar nichts mehr, weil seine Firma kein Geld mehr habe.» Man habe sich dann darauf geeinigt, dass er wenigstens die Fische füttere.
Doch auch das klappte offenbar nicht. Worauf der Stadtrat selbst dafür sorgte, dass die Tiere gefüttert wurden.
Immerhin: Im ehemaligen Schwimmbad erging es ihnen offenbar prächtig, mittlerweile tummelten sich fast 200 Stück im Becken.
Spezialisten retten die Goldfische
Heute, eineinhalb Jahre später, ist am Lido von Strandgefühlen nichts mehr zu spüren. Im März hat das Kreisgericht See-Gaster die Räumung des Areals angeordnet, es ist mit einem Metallzaun abgesperrt. Das Mobiliar mitsamt Plastik-Flamingos ist weg, das Wasser im «Teich» abgelassen.
Neben dem Zaun steht eine vertrocknete Palme in einem kaputten Topf, in einer Ecke ein zusammengeknülltes Banner mit der Aufschrift «Lido Beach Bar». Und die fünfzig Tonnen Sand sind auch noch da. Das Areal ist zu dem Schandfleck geworden, den die Stadt verhindern wollte.
Um die Goldfische zu retten, hat der Stadtrat Dobler ein spezialisiertes Unternehmen beauftragt. Sie sollen «unter bestmöglichen Bedingungen in ein neues, geeignetes Zuhause gebracht werden». Ein Teil der Fische habe bereits platziert werden können. Der Rest ist in einer Halle des Unternehmens untergebracht.
Dobler rechnet damit, dass die Räumung einige tausend Franken kosten wird. Zuvor hatte die Stadt bereits 125 000 Franken in die Aufwertung des Areals gesteckt.
Theoretisch könnte die Stadt Roth die Kosten für die Räumungsarbeiten in Rechnung stellen. Aber es sei wohl kein Geld mehr da, sagt Dobler. «Es ist eine menschliche und finanzielle Tragödie.»
Roth sagt, seine Firma befinde sich im Konkursverfahren.
Das Experiment Zwischennutzung am Lido ist gescheitert. Vorerst wird die Brache bleiben, wie sie ist. Dobler sagt: «Wir sind vorsichtig geworden.»
Der Eventmanager Roth sucht nun eine Festanstellung in seinem ursprünglichen Beruf, er ist gelernter Koch. Von der Selbständigkeit hat er genug.
Vom Sommertraum übrig bleibt der Sand, aus dem inzwischen Pflanzen spriessen. Bis hier gebaut wird, wird es noch lange dauern: Letzten Herbst hat die Stimmbevölkerung ein Projekt für ein neues Freibad abgelehnt.