Wieso wird ausgerechnet eines der ärmsten Länder der Welt mit den höchsten Zöllen bestraft?
«Niemand hat je von diesem Land gehört», sagte der amerikanische Präsident vor wenigen Wochen. Das Thema waren nicht Zölle, sondern die amerikanische Entwicklungshilfe, die Trump gestoppt hatte, weil sie angeblich Unsummen an amerikanischen Steuergeldern verschwendete. Zum Beispiel in Ländern wie dem afrikanischen Kleinstaat Lesotho, in den Augen Donald Trumps offenbar ein Schwarzes Loch, das Dollarmillionen verschlingt.
Am Donnerstag hantierte Trump dann im Rosengarten des Weissen Hauses mit einer grossen Tafel, auf der rund hundert Länder aufgelistet waren, die «uns sehr schlecht behandelt haben», ja «betrogen», und deshalb mit Zöllen bestraft werden. Auf der Tafel – und das kam überraschend – stach dann ausgerechnet jenes Land hervor, von dem laut Trump noch nie jemand gehört hatte: 50 Prozent Zoll muss künftig bezahlen, wer Waren aus Lesotho in die USA einführen will. Kein anderes Land wurde so hart bestraft, nicht China, auch nicht die Europäische Union. Im Vergleich zu Lesotho, schrieben Kommentatoren, seien die Pinguine auf den Heard- und McDonald-Inseln in der Antarktis, die auch Zölle auferlegt erhalten hätten, deutlich besser davongekommen.
Was war da los, weshalb ausgerechnet Lesotho?
Das höchstgelegene Skigebiet, eine der höchsten HIV-Raten
Ein wenig Allgemeinbildung: Lesotho hat drei Viertel der Fläche der Schweiz und etwas mehr als zwei Millionen Einwohner, es ist vollständig umschlossen von Südafrika. Lesotho liegt in einer spektakulären Gebirgslandschaft, komplett auf über 1000 Metern über Meer, wird deshalb – und wegen seiner monarchischen Staatsform – «Königreich im Himmel» genannt. Lesotho hat das höchstgelegene Skigebiet in Afrika, aber auch eine der höchsten HIV-Raten und die weltweit höchste Suizidrate. Es ist eines der ärmsten Länder der Welt.
Und dieses Land hat die 340 Mal grösseren USA so schlecht behandelt, dass es höhere Zölle bezahlen muss als jedes andere Land? Zölle notabene, die seine Wirtschaft in den Ruin treiben könnten?
Man muss sich die Struktur der Wirtschaft von Lesotho anschauen. Der grösste private Arbeitgeber in Lesotho sind Textilfabriken, die mehr als 30 000 Arbeiter beschäftigen, die meisten von ihnen Frauen. Sie stellen ein Produkt her, das amerikanischer kaum sein könnte: Jeans, für legendäre Marken wie Levi’s und Wrangler. 2024 exportierte Lesotho Waren im Wert von 237 Millionen Dollar in die USA, das war mehr als ein Zehntel seines BIP. Drei Viertel der Exporte in die USA waren Textilien.
Lesothos Textilsektor war eine Erfolgsgeschichte, entstanden in einer Zeit, in der die USA Entwicklungsländern noch gepredigt hatten, sie würden durch Handel Wohlstand erlangen. 2000 verabschiedete die Regierung des damaligen Präsidenten Bill Clinton die African Growth and Opportunity Act (Agoa). Sie gewährte schliesslich mehr als 30 afrikanischen Ländern zollfreien Zugang für fast 2000 Produkte auf dem amerikanischen Markt. Lesotho zeigte, wie sich mit Freihandel Entwicklung fördern lässt – bis es nun abgestraft wurde vom selben Land, dessen Lehren es befolgt hatte.
«Idiotische» Formel trifft arme Länder am härtesten
Lesothos Verhängnis war die Formel, die Trumps Wirtschaftsteam für die Berechnung der Zölle verwendet hat – und die etwa der renommierte Wirtschaftshistoriker Adam Tooze als «idiotisch» bezeichnet hat.
Die Formel bestraft arme Länder am härtesten, die einen grossen Handelsüberschuss gegenüber den USA haben. Lesotho zum Beispiel importierte 2024 amerikanische Güter im Wert von nur 2,8 Millionen Dollar. Das liegt daran, dass es sich die allermeisten Bewohner Lesothos schlicht nicht leisten können, iPhones, Teslas oder Boeing-Jets zu kaufen.
Die Trump-Zölle trafen denn eine Reihe armer Länder besonders hart, in Südostasien zum Beispiel und viele in Afrika. Madagaskar wird mit einem Zoll von 47 Prozent bestraft, Mauritius mit 40 Prozent, Botswana mit 37.
Für Lesotho sind die Zölle existenzbedrohend. «Dies ist ein niederschmetternder Tag für uns», sagt Teboho Kobeli, der Gründer des Kleidungsherstellers Afri-Expo Textiles, der BBC. Dem Land drohen Fabrikschliessungen und die Entlassung von Tausenden von Arbeiterinnen. «Der 50-Prozent-Zoll wird den Textilsektor töten und damit das ganze Land», sagte Thabo Qhesi, ein Wirtschaftsanalyst in Lesothos Hauptstadt Maseru, der Nachrichtenagentur Reuters.
Lesothos Handelsminister Mokhethi Shelile hat angekündigt, eine Delegation nach Washington zu schicken, um das Gespräch mit der amerikanischen Regierung zu suchen. Er spricht auch davon, die Handelsbeziehungen diversifizieren zu wollen. Zum Beispiel mit anderen afrikanischen Ländern oder mit China. Dieses verfolgt gegenüber Afrika eine den USA entgegengesetzte Handelspolitik. Im Dezember hat es Importzölle für Produkte aus 33 afrikanischen Ländern aufgehoben. Bereits jetzt ist China für die meisten afrikanischen Länder der wichtigere Handelspartner als die USA – Lesotho war eine der wenigen Ausnahmen.