Am informellen Treffen der Finanz- und Wirtschaftsminister der EU-Länder diese Woche nimmt auch die Bundespräsidentin teil. Pikant: Am Treffen soll der Vorschlag für einen europäischen Verteidigungsfonds aufs Tapet kommen.
Die Regierung Trump erzählt nicht nur Unsinn. Zu den nachvollziehbaren Äusserungen aus Washington gehört die Kritik, dass Europa Trittbrettfahrerin der USA in der Verteidigung sei. Die Schweiz war sozusagen Trittbrettfahrerin der Trittbrettfahrerin. Doch Trump hat das Trittbrett weggezogen, zumindest verbal. Europas Vertrauen in den amerikanischen Schutzschild ist gebrochen; dieses Vertrauen dürfte auch nach einem Regierungswechsel in Washington kaum vollständig zurückkommen.
Der europäische Kaiser ist nackt: Eine glaubwürdige «europäische Nato» ohne amerikanische Unterstützung lässt sich nicht über Nacht aufbauen. Viele Länder rüsten auf, und gleichzeitig suchen die Europäer nach mehr Effizienz. Eine Europäisierung könnte dank Skalenerträgen und Vermeidung von Doppelspurigkeit grosse Effizienzgewinne bringen, doch die Verteidigungspolitik gehört zum Kern des Kerns von Nationalstaaten.
Idee für Verteidigungsfonds
Laut einem Bericht des Nachrichtenportals «Politico» wird das informelle Treffen der Finanz- und Wirtschaftsminister der EU-Länder diesen Freitag in Warschau die Idee eines neuen europäischen Verteidigungsvehikels diskutieren – unter Beizug von Ministern aus der Schweiz, aus Norwegen und aus dem Vereinigten Königreich. Das Brüsseler Denkinstitut Bruegel hat dazu am Montag eine Analyse zuhanden des Ministertreffens publiziert. Der Vorschlag ist angelehnt an den Europäischen Stabilitätsmechanismus, der als Folge der Finanzkrise von 2008 entstanden war. Laut Bruegel könnte das vorgeschlagene Vehikel in gewissen strategischen Bereichen als exklusive Quelle für Planung, Einkäufe und Finanzierung dienen. Das Vehikel wäre auch für Nicht-EU-Länder offen; vorgesehen wären Mitgliederbeiträge in Form von Quoten.
Das Bruegel-Papier enthält indes auch weniger weitgehende Vorschläge – zum Ausbau bestehender Kooperationsvehikel wie der Europäischen Verteidigungsagentur. Konkrete Beschlüsse sind für den Freitag nicht zu erwarten. Das informelle Treffen soll dem Meinungs- und Informationsaustausch dienen.
In Bern hat das Finanzdepartement (EFD) am Montag per Medienmitteilung bestätigt, dass Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter teilnehmen werde. Die «erstmalige Einladung» zu einem solchen Treffen der EU-Minister hat die Schweiz laut EFD im vergangenen Jahr von Polen erhalten, das derzeit die EU-Rats-Präsidentschaft führt. Polen ist in der gleichen Stimmrechtsgruppe wie die Schweiz beim Internationalen Währungsfonds und der Weltbank.
«Noch keine Beurteilung»
Das EFD sagte auf Anfrage, dass sich die Schweiz bei diesem Treffen nicht an Diskussionen über einen europäischen Verteidigungsmechanismus beteiligen werde. Im Verteidigungsdepartement hiess es, man prüfe laufend, inwiefern neue Initiativen von Interesse sein könnten. Und: «Bezüglich eines allfälligen Rüstungsfonds liegt noch keine Beurteilung vor.»
Es würde jedenfalls nicht unbedingt erstaunen, wenn die Schweiz früher oder später mit europäischen Forderungen zur Mitfinanzierung von Verteidigungsprojekten konfrontiert wäre.
Auch für die Schweiz sind europäische Gremien in Sachen Verteidigung nicht zwingend ein Tabu. Im Oktober 2024 unterzeichnete die Schweiz die Beitrittserklärung zur European-Sky-Shield-Initiative. Diese soll namentlich eine stärkere Koordination in Sachen Beschaffung, Ausbildung und Logistik zur bodengestützten Luftverteidigung ermöglichen. Jener Beitritt ist laut Bundesrat vereinbar mit der Schweizer Neutralität – nicht zuletzt wegen eines neutralitätsrechtlichen Vorbehalts.