Die ersten Reaktionen von Mitarbeitern auf die frühere Bundesrätin sind durchwegs positiv. Nun soll Metzler verhindern, dass der Bund beim Sport spart.
«Cherchez la femme» ist eine Redewendung, die im 19. Jahrhundert, als Französisch noch Bildungssprache war, auch Einzug in den Wortschatz der deutschen Sprache fand. Sie bedeutet so viel wie: «Sucht die Frau, die dahintersteht und das verantwortet.» Das Äquivalent dazu ist der Spruch, hinter jedem erfolgreichen Mann stehe eine starke Frau – auch das ein Relikt aus einer Zeit mit längst überholten Rollenbildern.
Als Ruth Metzler im vergangenen November die Wahl zur Präsidentin von Swiss Olympic gegen ihren Konkurrenten Markus Wolf überraschend deutlich gewann, profitierte sie nicht nur vom Zeitgeist, der Frauen zu Recht auch in führenden Positionen des Sports verlangt. Mehr noch fiel die Wahl so deutlich auf sie, weil sich viele Sportverbände mit ihr eine bessere Ausgangslage im anstehenden Verteilkampf um die Unterstützungsgelder des Bundes erhofften.
Der Bund muss sparen. In einem Bericht hatte eine Gruppe um den früheren Bundes-Finanzverwalter Serge Gaillard ein Sparpotenzial von 4 bis 5 Milliarden Franken ohne Steuererhöhungen ausgemacht. Unter den vorgeschlagenen Sparmassnahmen ist auch der Sport aufgeführt, bei dem die Finanzexperten Einsparungen in Höhe von 17 Millionen Franken als möglich erachten.
Betroffen davon wären Fördergelder für Jugend + Sport (2,5 Millionen Franken), Betriebsbeiträge an Sportanlagen mit nationaler Bedeutung (10 Millionen) sowie die Förderung von internationalen Sportgrossanlässen, die sich in den kommenden Jahren häufen werden (5 Millionen).
Die Entscheidung, wo gespart werden muss, fällt frühestens im Sommer
Die Verhandlungen über Gaillards Sparvorschläge befinden sich noch bis zum 5. Mai in der Vernehmlassung. In der Sommersession dürfte sich auch das Parlament erstmals mit ihnen beschäftigen. Aber schon der russische Reformer Michail Gorbatschow hatte die Aussage geprägt, wer zu spät komme, den bestrafe das Leben.
Deshalb meldete sich Swiss Olympic bereits Ende Januar in einer Medienmitteilung zu Wort. Der Dachverband schrieb, das erfolgreiche Sportsystem Schweiz sei eine bedeutende Säule für die gesamte Gesellschaft und trage entscheidend zu Gesundheit und Integration bei. «Im Namen von 86 Mitgliedsverbänden und 18 440 Sportvereinen mit fast 2,5 Millionen aktiven Mitgliedern wird sich Swiss Olympic deshalb dafür einsetzen, dass der Sport diese wichtigen Funktionen weiterhin erfüllen kann.»
Gaillards Vorschläge haben die Schweizer Sportszene in helle Aufregung versetzt. Alle wollen sparen – aber niemand bei sich selbst. Und Ruth Metzler soll als ehemalige Bundesrätin nun dafür sorgen, dass das Unheil abgewendet und gespart wird, ohne dass der Sport davon betroffen ist.
Am Dienstag trat die ehemalige Bundesrätin erstmals in ihrer neuen Funktion als Präsidentin von Swiss Olympic vor die Medien. 100 Tage sind seit ihrem Amtsantritt Anfang Januar vergangen. In Ittigen bei Bern sagte die ehemalige Magistratin: «Beim Sport zu sparen, wäre ein völlig falscher Ansatz. Er leistet einen wertvollen gesellschaftspolitischen Beitrag.» Es ist dieselbe Argumentation, zu der auch die Bauern, die Kultur und alle anderen Organisationen greifen, die von den Sparbemühungen betroffen sind.
Tiefe Spuren konnte Ruth Metzler in ihren ersten drei Monaten an der Spitze von Swiss Olympic noch nicht hinterlassen. In den ersten Wochen war sie damit beschäftigt, sich einzuarbeiten und in der neuen Funktion zurechtzufinden. Am Dienstag sprach sie nun von einer «fitten Organisation», die sie vorgefunden habe. «Die erste Zeit war sehr intensiv. Ich habe es mir zum Ziel gesetzt, mindestens einmal pro Woche persönlich im Haus des Sports anwesend zu sein.»
Swiss Olympic steht unter der genauen Beobachtung der ihr angeschlossenen Verbände. Zu gross, zu schwerfällig, zu wenig flexibel – so lauten die Vorwürfe, die im Zusammenhang mit der Organisation immer wieder zu hören sind. Besonders in der Kritik steht der Direktor Roger Schnegg. Vor der Wahl waren Metzler Stimmen unter der Bedingung versprochen worden, dass sie den unpopulären Direktor absetzen wird. Auf diesen Kuhhandel liess sie sich aber nicht ein.
Schon jetzt loben Mitarbeiter die Umgangsformen und die Präsenz der neuen Chefin. Anders als ihr Vorgänger Jürg Stahl scheint Metzler nicht nur das Scheinwerferlicht der Grossveranstaltung zu suchen, sondern tatsächlich auch die Organisation in die Hände nehmen und führen zu wollen. Bei einem Auftritt am Rande der Biathlon-Weltmeisterschaft in Lenzerheide überzeugte Metzler mit einer spontanen Ansprache an die Helfer.
Ende April erstmals beim neuen Chef
Metzlers Engagement für Swiss Olympic übertrifft momentan die rund 50 Prozent, die ihre Aufgabe beanspruchen soll. Und die Arbeit wird für die 60-jährige Ostschweizerin noch grösser.
Denn in den kommenden Jahren stehen in der Schweiz zahlreiche Grossanlässe an. Die Europameisterschaft der Fussballerinnen in diesem Sommer, dann die Eishockey- und die Ski-Weltmeisterschaften 2026 und 2027. Bis 2029 finden in den verschiedensten Sportarten zwölf Welt- und fünf Europameisterschaften statt. Dazu prüft die Schweiz die Übernahme der polysportiven European Summer Games und eine Kandidatur für die Olympischen Winterspiele 2036, für die das IOK der Schweiz einen «privilegierten Dialog» offeriert hat. Doch um dieses Grossprojekt tatsächlich in die Schweiz zu bringen, wird es vor allem auch national noch einiges an Überzeugungsarbeit brauchen.
Ende April werden Metzler und ihr Direktor Roger Schnegg einen ersten offiziellen Austausch mit Bundesrat Martin Pfister haben, der Viola Amherd im VBS abgelöst hat. Metzler wird dann in jenen Bereich eintauchen, den sie aus ihren vier Jahren an der Spitze des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements bestens kennt. Der Seitenwechsel aber scheint ihr gut gelungen zu sein. Jedenfalls sagte sie am Dienstag, sie fühle sich wohl im «jungen Groove», den sie im Haus des Sports angetroffen habe. Das ist zumindest ein guter Anfang.