Die Leitung von Harvard lehnt es ab, Forderungen der Trump-Regierung umzusetzen. Nun friert die US-Regierung 2,2 Milliarden Dollar Fördergelder ein. Sie wirft der Elite-Uni vor, zu wenig gegen Antisemitismus vorzugehen.
Es ist ein Grundsatz der Forschung, unabhängig und unbestechlich zu sein. Dieser Maxime will die Elite-Universität Harvard in Cambridge treu bleiben. Die Anwälte des Harvard-Präsidenten Alan Garber lehnten in einem Schreiben am Montag ab, was die Regierung vor wenigen Tagen in einem detaillierten Katalog von der Universitäts-Leitung gefordert hatte: unter anderem den Stopp aller Diversitäts- und Inklusionsmassnahmen (DEI) sowie eine Kontrolle und Mitsprache der Regierung bei Personalien und Forschungsinhalten bis mindestens Ende 2028.
Die altehrwürdige Privatuniversität wehrt sie sich gegen die Einmischung des Staats in strategische und operative Entscheidungen: «Weder Harvard noch andere privaten Universitäten können es sich erlauben, von Staat übernommen zu werden.» Im Gegensatz zur Columbia-Universität, die den Forderungen der Regierung Folge leistete, geht Harvard auf Konfrontationskurs mit der Regierung in Washington
Damit riskiert Harvard Einbussen von Forschungsgeldern von mehr als 2,2 Milliarden Dollar. Der Widerstand von Harvard zeichnete sich ab: Im Gegensatz zu andern Universität hatte sich auch geweigert, Diversitäts- und Inklusionsmassnahmen einzuschränken.
Der Streit begann mit einem gepfefferten Brief aus Washington. Am 11. April forderten Vertreter aus dem Gesundheits- und Erziehungsdepartement sowie dem Weissen Haus folgendes: Eine klare, hierarchische Führungsstruktur; eine leistungsorientierte Rekrutierung und Zulassung von Studenten, eine Meinungsvielfalt innerhalb der Fakultäten. Mit Diversitätsprogrammen versuchen amerikanische Unis, der historisch bedingten Diskriminierung von Schwarzen, Frauen und anderen benachteiligten Gruppen entgegenzuwirken. Die Programme stehen unter der Kritik, andere Gruppen zu diskriminieren.
Mehr rechts, weniger links
Zudem forderte die Trump-Regierung, dass ein externes Gremium die Studiengänge bestimmter Institute wie der School of Public Health und dem Zentrum für Gesundheit und Menschenrechte auf antisemitisches Gedankengut überprüft. Mitarbeiter der Fakultäten, die während der pro-palästinensischen Proteste jüdische Menschen diskriminiert und zu Aktivismus angestiftet hätten, müssten gemeldet werden, worauf in Zusammenarbeit mit der Regierung Sanktionen entwickelt würden. Auch ausländische Studierende müsse die Hochschule bei Verstössen gegen die Verhaltensregeln den Behörden melden.
Als besonders heikel dürfte eine Art Gesinnungskontrolle gelten, die der Trump-Regierung vorschwebt. Um die «Meinungsvielfalt» zu gewährleisten, müssten sich die Dozenten und die Studenten ab August einer Untersuchung für «viewpoint diversity» unterziehen. Was die Trump-Regierung darunter versteht, präzisierte sie im Brief an die Universitätsleitung nicht. Republikanische Politiker und konservative Aktivisten kritisieren schon lange, dass konservatives Denkrichtungen an den amerikanischen Universitäten unerwünscht seien.
Harvard will sich diesem Druck nicht beugen. Ein Einlenken würde laut der Uni bedeuten, die Kontrolle über die Schule an eine konservative Regierung abzutreten, die Universitäten als gefährlich linkslastig darstelle. «Keine Regierung – unabhängig davon, welche Partei an der Macht ist – sollte vorschreiben, was private Universitäten lehren dürfen, wen sie zulassen und einstellen dürfen und welchen Studien- und Forschungsbereichen sie nachgehen dürfen», schrieben die Harvard-Anwälte im Auftrag des Uni-Präsidenten Alan Garber.
Antisemitismus als Beweggrund
Nur wenige Stunden nach dieser Absage meldete die Trump-Administration, dass sie Bundesmittel in Höhe von 2,2 Milliarden Dollar (1,8 Milliarden Franken) einfrieren wird. Es geht dabei um mehrjährige Zuschüsse. Zudem legt die Regierung 60 Millionen Dollar (49 Millionen Franken) an langfristigen Verträgen mit Harvard auf Eis. Die Trump-Regierung begründet den Schritt damit, dass die Hochschule angeblich Bürgerrechte missachte und zu wenig gegen Antisemitismus unternehme.
Trump wolle «die Hochschulbildung wieder grossartig machen», sagte am Montag Harrison Fields, der Sprecher des Weissen Hauses. Trump verfolge dieses Ziel, indem er dem «unkontrollierten Antisemitismus» ein Ende setze und sicherstelle, dass Steuergelder nicht die Unterstützung von Harvard für «gefährliche rassistische Diskriminierung oder rassistisch motivierte Gewalt» finanzierten, so die Erklärung aus dem Weissen Haus.
Nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober und dem darauf folgenden Gaza-Krieg formierte sich an amerikanischen Universitäten eine propalästinensische Protestbewegung, die zu heftigen Auseinandersetzungen, teilweise antisemitischen Parolen und zur Diskriminierung jüdischen Studenten führte.
Donald Trump warf den Hochschulen während seines Wahlkampfs vor, bei der Bekämpfung von Antisemitismus auf dem Campus versagt zu haben. Gegen ausländische Studenten, die an pro-palästinensischen Demonstrationen teilgenommen haben, laufen nun Abschiebeverfahren. Für Hunderte von anderen Studenten aus dem Ausland liess die Trump-Regierung Visa annullieren.
Columbia wird kritisiert
Andere Elite-Hochschulen wie die New Yorker Columbia-Universität haben nach Drohungen aus Washington bereits Zugeständnisse gemacht – und sich damit ebenfalls Kritik eingehandelt. So forderte der frühere US-Präsident Barack Obama kürzlich in einer Rede am Hamilton College, Universitäten sollten lieber ihre Stiftungsgelder einsetzen oder Kosten einsparen, anstatt vor den Forderungen Trumps einzuknicken, um die Fördermittel zu behalten.
In der Replik des Harvard-Präsidenten Garber und seiner Anwälte auf die Forderung der Regierung, heisst es: die Freiheit des Denkens und der Forschung sowie die langjährige Verpflichtung der Regierung, diese zu respektieren und zu schützen, hätten es Universitäten überhaupt erst ermöglicht, auf entscheidende Weise zu einer freien Gesellschaft beizutragen.
Die weitgehenden Forderungen der Regierung machten deutlich, dass es nicht darum gehe, Antisemitismus «auf kooperative und konstruktive Weise» zu bekämpfen, sondern die Forschungsfreiheit einer privaten Institution zu beschneiden.