Jans’ Kommunikationschef lässt eine Maturarbeit schwärzen. Ist das verhältnismässig?
Im Flur des mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasiums Rämibühl in der Stadt Zürich sind die Maturarbeiten der diesjährigen Abschlussklasse ausgestellt. Mehrere Arbeiten wurden prämiert – zu Le Corbusier zum Beispiel oder zur Menstruation.
Doch eine Arbeit schlägt eine andere Tonart an. «Zensuriert» steht auf dem Titelblatt. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) habe eingegriffen.
Die Arbeit handelt von Bundesrat Beat Jans (SP), dem Vorsteher des EJPD, genauer: von seiner Kommunikation. Aber wer die 19-seitige Arbeit aufschlägt, kann gerade einmal das Inhaltsverzeichnis lesen. Und die Danksagung. Den Rest hat das EJPD schwärzen lassen.
«Machtspiele statt offener Dialog»
Die Gymi-Schülerin hat nicht nur eine Arbeit geschrieben, sondern auch einen rund halbstündige Dok-Film gedreht. Auch diesen darf man nur in Bruchteilen sehen. Übrig geblieben sind nach der Intervention des EJPD lediglich zwei Szenen. Man kann sie sich in der Ausstellung über die Maturarbeiten in der Kanti Rämibühl auf einem Laptop anschauen.
Auf dem Filmplakat steht: «Bundesrat Beat Jans: authentischer Kommunikator oder kalkulierender Schweiger?» So heisst der Streifen. Darunter steht: «Geplant als Analyse von aussen, gelandet mitten im politischen Hickhack. Interview-Rückzug, Rechtsberatung und Machtspiele statt offenem Dialog.» Die Maturarbeit zeige auf, was die politische Kommunikation verbergen wolle.
Lesen kann man die Arbeit nicht. Zwar ist auf dem Titelblatt der Arbeit vermerkt, dass sie bei der Schulleitung zur Einsicht verlangt werden könne, doch diese verweigert die Herausgabe auf Anfrage der NZZ: Die Arbeit sei lediglich für «interne Zwecke» erstellt worden. Die Bitte, mit der Schülerin oder wenigstens mit dem Betreuer der Arbeit sprechen zu dürfen, lehnt die Schule ab. Fragen beantwortet sie keine.
Jene zwei Szenen im Dok-Film, die die EJPD-Intervention überlebt haben, geben eine Ahnung von der Handlung. In der einen Szene beurteilt eine Sprechtrainerin Jans’ öffentlichen Auftritt bei seiner Wahl vor eineinhalb Jahren.
In der anderen geht es um einen SRF-Beitrag vom Herbst, der zu einer Meinungsverschiedenheit zwischen der Redaktion und Jans’ Leuten führte. In diesem Streit ging es darum, wie Jans gegenüber der Öffentlichkeit dargestellt wird. Im Dok-Film der Schülerin werden dazu beide Seiten befragt.
Das alles wirkt harmlos. Umso mehr stellt sich die Frage, warum das EJPD forsch einschritt und sich derart intensiv mit einer Schularbeit befasst hat.
Jans’ Sprecher figuriert auf Filmplakat
Im Film hat Jans’ Kommunikationschef Oliver Washington eine prominente Rolle. Er wird auf dem Filmplakat als Mitwirkender ausgewiesen. Washington war bis vor kurzem SRF-Mitarbeiter, zuletzt als Bundeshauskorrespondent. Beat Jans hat ihn nach seiner Wahl als Sprecher engagiert.
Offensichtlich haben sich die Schülerin und Washington zerstritten. Daraufhin dürfte Letzterer seine Zitate zurückgezogen haben. Ein Vorgang, wie er im Umgang zwischen Medienstellen und Journalisten hin und wieder vorkommt.
Im Umgang mit einer Schülerin wirkt er ungewöhnlich. Ist es wirklich verhältnismässig, wenn das EJPD in die Arbeit einer Zürcher Schülerin eingreift?
Washington schreibt auf Anfrage der NZZ: «Ich wurde persönlich von einer Studentin der besagten Schule kontaktiert, um an der genannten Maturarbeit mitzuarbeiten.» Zu diesem Zweck seien bestimmte – in diesem Bereich völlig übliche – Regeln vereinbart worden.
Washington sagt, Zusicherungen vonseiten der Schülerin hätten es ihm «erlaubt, über meine Arbeit Auskunft zu geben». Leider habe sich die Schülerin nicht an diese gehalten. «Deshalb habe ich interveniert, was die Veröffentlichung der Arbeit betrifft.» Er habe aber sichergestellt, dass die Schülerin die Arbeit zur Prüfung an der Schule habe präsentieren können. Von ihm abgesehen habe niemand vom EJPD in die Maturarbeit eingegriffen.
Für die Schülerin dürfte es eine frustrierende Erfahrung gewesen sein: Die Arbeit eines Jahres wird am Ende von einer Bundesstelle durchkreuzt. In ihrer Danksagung geht sie sportlich damit um. Ein Name ist darin unkenntlich gemacht – man kann annehmen, dass es sich um Oliver Washington handelt, der seinen eigenen Namen geschwärzt hat.
Sie schreibt, die Person habe sie «ins Zentrum der Macht geführt». Und ihr zugleich eine Lehre mit auf den Weg gegeben. Nämlich: «Never feel too comfortable!»: Fühle dich nie zu wohl.