Jens Ehrhardt von DJE Kapital und Christian Krahe von GS&P stärken die Defensive mit konjunkturresistenten Werten. Auf günstige Zykliker setzt hingegen das Trio Christian Reindl von Union Investment, Christoph Gebert vom Acatis-Deutschlandfonds und Raik Hoffmann von FPM.
Die Manager von Deutschlandfonds haben einige klare gemeinsame Favoriten jenseits der Dax-Schwergewichte. Das zeigt die Befragung von fünf Fondsmanagern zu ihren Top-Positionen und den grössten Veränderungen im ersten Quartal.
Seit Jahren befragt The Market vierteljährlich Manager von Schweizer Aktienfonds. Nun wird die Umfrage auf Deutschland ausgeweitet – mit fünf Teilnehmern.
Auffällige Überschneidungen gibt es bei Neuerwerbungen und Aufstockungen. Gleich zwei der Fondsmanager haben 2025 beim Lagerlogistik-Spezialisten Jungheinrich Anteile erworben. Zwei Manager sind neu bei GFT Technologies eingestiegen, dem IT-Anbieter für Banken. Auch beim Autovermieter Sixt, dessen Aktien rund ein Drittel unter dem Hoch von 2023 notieren, haben zwei Teilnehmer ihre Positionen ausgebaut.
In den Top-Positionen stechen zwei Titel hervor. Der Entwickler von Wind- und Solarparks PNE rangiert gleich zweimal unter den fünf grössten Aktienpositionen. Sogar dreimal vertreten ist der Pumpenhersteller KSB.
Jens Ehrhardt hält 21% des Kapitals in seinem Fonds UBAM Dr. Ehrhardt German Equity in bar. «Ich bin defensiv aufgestellt», sagt der Gründer von DJE Kapital. «Dass der Dollar so sehr fällt und die US-Staatsanleiherenditen stark steigen, ist ein Zeichen dafür, dass die Investoren eine sehr negative Entwicklung für Wirtschaft und Finanzmarkt erwarten», warnt er. Seine derzeit vorsichtige Haltung hat der seit den 1970er Jahren am Finanzmarkt tätige Vermögensverwalter erst kürzlich wieder in seiner alle zwei Wochen bei The Market erscheinenden Kolumne begründet.
Bei der Aktienauswahl für seinen Deutschlandfonds hat Ehrhardt Konsequenzen aus dem eingetrübten Ausblick und den teils hohen Bewertungen an der Dax-Spitze gezogen. Im ersten Quartal weitgehend verkauft hat er den Softwaretitel SAP (Ende 2024 noch mit 3,6% in den Top Ten), obwohl die Aktie im Dax ein Gewicht von 13% hat. «Die Bewertung ist sehr stolz», sagt Ehrhardt: SAP habe ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von rund 36, der US-Techkonzern Apple dagegen nur noch ein KGV von 28 (Gewinn geschätzt für 2025, wie stets in diesem Artikel).
In den ersten Apriltagen weitgehend verkauft hat er Siemens, ein weiteres Dax-Schwergewicht (Indexanteil: 9%), und dies noch vor der Ankündigung unerwartet hoher Zölle durch US-Präsident Donald Trump am Abend des 2. April, sagt Ehrhardt. Der Anteil im Fonds sank von 3% Ende im März auf zuletzt weniger als 1%. «Siemens ist anfällig für Trumps Zollpolitik und deren Folgen für die Konjunktur.» Ebenfalls missfielen ihm zuletzt die «teuren Übernahmen» von US-Softwarespezialisten durch Siemens.
«Siemens und SAP waren 2024 die Zugpferde des Dax, aber das ändert sich langsam», sagt Ehrhardt. Er setzt stattdessen auf konjunkturresistente Geschäftsmodelle wie Deutsche Börse, den Versicherer Allianz, den Energienetzbetreiber Eon, Münchener Rück und den Pharmatitel Fresenius (seine sechstgrösste deutsche Aktienposition).
Getrennt hat sich Ehrhardt im Quartal auch von den Aktien des Reiseveranstalters TUI, die Ende 2024 noch mit 7,5% des Fondskapitals eine Top-3-Position waren. Der Grund ist auch hier der eingetrübte Konjunkturausblick. «Ein Wirtschaftsabschwung schlägt bei TUI immer durch, weil viele Leute ihre Reisen stornieren».
Als offensive Position hält Ehrhardt die Titel des Fondsanbieters DWS. Den Kursrückgang von gut 20% seit dem Jahreshoch von Ende März sieht er als überzogen an, weil der DWS-Gewinn weniger stark fallen dürfte, als dieser Rückgang impliziert.
Vor 20 Jahren machte sich Fondsmanager Christian Krahe nach seinem Karrierebeginn bei grösseren Gesellschaften selbständig und gründete gemeinsam mit Albrecht von Witzleben den Mischfonds Deutsche Aktien Total Return. Ebenso wie Ehrhardt hat auch Krahe im ersten Jahresviertel die Defensive gestärkt.
Derzeit hält er 56% des Fondskapitals in Aktien, 23% in Unternehmens- und Wandelanleihen, knapp 8% in Gold und fast 13% in bar. Die grösste Veränderung zum Jahresende 2024 ist die Cashquote, die sich im ersten Quartal verdreifacht hat. Gesunken ist dagegen der Anleiheanteil (um 3 Prozentpunkte) und deutlicher noch die Aktienquote (um 6 Prozentpunkte). «Wir hatten befürchtet, dass es nicht so einfach wird mit Trump», sagt Krahe.
Wenig konjunkturempfindlich sind denn auch seine Top 3. Grösste Aktienposition ist weiterhin der Wohnungsverwalter Vonovia mit gut 6% Anteil am Fonds. «In den kommenden fünf bis zehn Jahren bleiben Wohnungen in Deutschland knapp und die Mieten steigen», sagt Krahe. Zusammen mit Modernisierungen gewähre dieser strukturelle Trend Vonovia ein jährliches Mietenwachstum von rund 4%.
Krahe ist bewusst, dass viele Hedgefonds und automatisierte Tradingprogramme die Vonovia-Aktie als Wette auf die Zinsentwicklung ansehen, so dass der Kurs bei steigendem Zinsniveau fällt, weshalb The Market aufgrund der unsicheren Zinsaussichten die Kaufempfehlung zurückgenommen hat. Denn Vonovia ist mit fast 39 Mrd. € verschuldet, dem 15-fachen des Ebitda. Für Krahe überwiegen die steigenden Mieten, die günstige Bewertung des Wohnungsbestands und die Dividendenrendite von 4,4%.
Kaum an der Konjunkturentwicklung hängen auch die Geschäfte der beiden Assekuranz-Titel auf den Plätzen zwei und drei. Den international tätigen Erst- und Rückversicherer Talanx hat The Market erstmals im Mai 2024 vorgestellt und auch in die elf Aktienempfehlungen für 2025 aufgenommen. Das KGV liegt derzeit bei 11 und die Dividendenrendite bei 3,3%.
Schon für ein KGV von 8 und mit einer Dividendenrendite von 4,8% ist der viel kleinere Versicherer Wüstenrot & Württembergische zu haben. 2024 liessen Unwetterschäden den Jahresüberschuss um mehr als zwei Drittel einbrechen auf 45 Mio. €. Doch im laufenden Jahr soll er laut Analysten auf 153 Mio. € steigen, was dem Niveau von 2023 entspricht. Es sei ein regionales Geschäft, sagt Krahe. Doch Wüstenrot habe die Prämien erhöht, um besser gegen Schäden gewappnet zu sein und auch die Kraftfahrzeugversicherung laufe wieder besser.
Der Mehrheitseigentümer Wüstenrot Stiftung (Gemeinschaft der Freunde Deutscher Eigenheimverein) mit 54,88% der Stimmrechte gilt indes nicht als dynamischer Antreiber. «Die Stiftung interessiert nur die Dividende, nicht der Erfolg der Gesellschaft», sagt der Fondsmanager. Immerhin: Die Dividende fliesst daher auch für das Jahr 2024 üppig.
Eine neue, defensive Position ist der Webhosting- und Cloudanbieter Ionos. The Market hat das Unternehmen, bei dem Kleinunternehmer und Selbständige eine eigene Internetseite einrichten und betreiben können, im September 2024 empfohlen.
Krahe kaufte Ende März, als die Private-Equity-Gesellschaft Warburg Pincus ihre verbliebenen Anteile am Markt platzierte. «Das war eine Bereinigung», sagt Krahe. Denn jetzt brauchen Investoren nicht länger befürchten, dass grosse Anteilsverkäufe eines ausstiegswilligen Aktionärs den Kurs künftig belasten werden. Ralph Dommermuth, Gründer des Telekommunikationskonzerns United Internet, will seine 63,84% der Stimmrechte an Ionos langfristig halten und mit dem Unternehmen eine deutsche Datencloud aufbauen.
Verkauft hat Krahe auch den Telecom-Titel Freenet und den Bahntechnikspezialisten Vossloh, weil dem Fondsmanager nach erfreulichen Kursanstiegen die Bewertung nicht mehr so attraktiv schien wie zuvor. Zu 80% verkauft hat er zudem seine Position am Panzergetriebehersteller Renk, dessen Bewertung branchentypisch steil nach oben gestrebt ist. Renk droht ausserdem verschärfter Wettbewerb.
Krahe legt Wert darauf, nicht nur auf Verteidigung zu spielen: «Wir haben auch Chancen ausgenutzt, aber verhalten.» Das gilt zum Beispiel für seine in den Top 5 enthaltenen Engagements beim Wind- und Solarparkentwickler PNE. Die Hamburger haben 2024 ihr US-Geschäft verkauft. «Gutes Timing», lobt Krahe. Denn US-Präsident Trump ist Windkraftgegner.
Vor allem aber gibt es konkreten Anlass zu der Spekulation, dass PNE-Aktionäre ein lukratives Übernahmeangebot erhalten könnten. Ende März berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, dass Goldman Sachs für den Grosseigentümer Morgan Stanley Investment Management nach Käufern für PNE suche. Der Infrastrukturfonds hält 50,06% der Stimmrechte. «Die Hoffnung ist immer noch, dass Morgan Stanley Investment Management verkauft», sagt Krahe. Die US-Beteiligungsgesellschaft ist seit 2019 engagiert, so dass dem Geschäftsmodell entsprechend ein Ausstieg zeitlich angeraten wäre.
Ein Käufer müsste den übrigen Anteilseignern ein Übernahmegebot unterbreiten. Der für Wettbewerber Encavis gezahlte Kaufpreis legt nahe, dass ein erheblicher Preisaufschlag möglich wäre. Auch für Fondsmanager Christian Reindl und seinen UniDeutschland XS ist PNE eine der fünf grössten Aktienbeteiligungen.
Christian Reindl von Union Investment ist insgesamt offensiver aufgestellt als Ehrhardt oder Krahe. Der Grund: «Wir erwarten derzeit keine Rezession in den USA und in Deutschland», sagt der Manager des auf deutsche Nebenwerte ausgerichteten Fonds UniDeutschland XS.
Topposition ist der Autovermieter Sixt, der seit einigen Jahren in den USA expandiert. Dort litt das Unternehmen unter Wertverlusten von Fahrzeugen, die in den USA – anders als in Europa – nicht für vorab vereinbarte Preise an die Hersteller zurückgegeben werden können. Besserung scheint jedoch in Sicht: «Inzwischen steigen die Gebrauchtwagenpreise in den USA und die Einfuhrzölle werden diesen Trend verstärken», sagt Reindl.
Ausserdem sei Sixt bereits so niedrig bewertet wie in früheren Rezessionen, sagt Reindl. Zwei weitere Fondsmanager in unserer Umfrage haben bei Sixt kürzlich ihre Positionen aufgestockt: Christian Gebert und Raik Hoffmann.
Zweitgrösste Position im UniDeutschland XS ist der Pumpenhersteller KSB. Das Familienunternehmen beliefert Industrie, Minenbetreiber und Energieversorger. Es stellt auch sehr grosse Pumpen für Atomkraftwerke her, die viele Jahre lang fehlerfrei laufen müssen.
In den zurückliegenden Jahren habe sich KSB dem Kapitalmarkt geöffnet, sagt Reindl. Genau wie der grösste Wettbewerber Sulzer achte das Management nun stärker auf die Marge und verfolge kein Umsatzwachstum um jeden Preis.
Die Prognose für 2025 sei so vorsichtig formuliert, dass KSB diese auch bei Gegenwind, zum Beispiel durch die US-Zölle, erreichen könne, ist Reindl überzeugt. Die Aktien werden trotz der Kursverdopplung seit 2022 lediglich mit dem 1,1-fachen des Buchwerts gehandelt.
Als einziger Titel unserer Umfrage ist KSB gleich bei drei Fondsmanagern in den Top 5 zu finden. Christian Krahe und auch Christoph Gebert verweisen ebenfalls auf die günstige Bewertung und die starke Position in Nischenmärkten.
Neu eingestiegen ist Union-Investment-Fondsmanager Reindl beim Lagerlogistik-Spezialisten Jungheinrich, den The Market kürzlich empfohlen hat. Am 7. Mai verkündet das Unternehmen die neue Strategie 2030+.
Christoph Gebert schätzt Jungheinrich ebenfalls stark ein und hat dort kräftig aufgestockt. In dem von ihm beratenen Fonds Acatis Fair Value Deutschland ELM rangieren die Titel in den Top 5.
«Die Aktien sind ungerechtfertigt unter die Räder gekommen in den vergangenen vier Jahren», sagt Gebert. Der Kurs sei vom Hoch bei 46 € im Jahr 2021 bis auf zuletzt rund 30 € gefallen, obwohl das Unternehmen den Umsatz gesteigert und die Gewinnprognosen eingehalten habe.
«Jungheinrich hat geliefert», sagt der Co-Chef des Lübecker Vermögensverwalters Ehrke & Lübberstedt. Er setzt genau wie Reindl von Union Investment auf kleinere deutsche Aktien.
Der grösste Posten im Portfolio ist der Hersteller von Getränkeabfüllanlagen Krones. Diesen langfristigen Wertsteigerer hat The Market im September zum Kauf empfohlen.
Das Familienunternehmen wolle von 2018 bis 2028 das Ergebnis verdoppeln und sei auf gutem Wege dahin, sagt Gebert, dennoch liege der Aktienkurs auf dem Niveau von 2018: «Krones ist ein Beispiel dafür, wie irrational niedrig viele deutsche Mid und Small Caps bewertet sind.»
Eingestiegen ist Gebert bei Norma, einem Hersteller von Verbindungstechnik, vor allem für die Autobranche. Der Grund ist die Ankündigung, die Wassermanagementsparte zu verkaufen.
«Die Wassersparte ist eine Perle und der Verkaufserlös könnte höher sein als der gesamte derzeitige Unternehmenswert von Norma», sagt der Fondsmanager. Der Börsenwert beträgt knapp 350 Mio. €, dazu kommen 322 Mio. € Nettoschulden. Ein Teil könnte mehr wert sein als das Ganze: Auch das spricht für Geberts These, dass viele Nebenwerte zu sehr tiefen Preisen gehandelt werden.
Und: Gebert ist nicht der Einzige, der trotz mehrerer Gewinnwarnungen in den vergangenen Jahren an das Wertsteigerungspotenzial von Norma glaubt: Raik Hoffmann hält die Titel sogar in seinen Top 5.
Norma ist keine Ausnahme. Auch sonst scheut Raik Hoffmann von Frankfurt Performance Management nicht davor zurück, übel abgestrafte und zutiefst unbeliebte Titel zu kaufen. Grösste Position ist der Kochboxen- und Fertignahrungsversender HelloFresh, der in Europa und den USA aktiv ist.
Der Aktienkurs ist nach einer steilen Rally bis auf ein Hoch von mehr als 91 € im Coronajahr 2021 um mehr als 90% eingebrochen und lag zuletzt bei 8 €. Der Fondsmanager hält das Geschäftsmodell indes für intakt: «HelloFresh löst ein Problem für eine zahlungskräftige Zielgruppe, die gesund essen möchte und wenig Zeit zum Einkaufen und Kochen hat», sagt Hoffmann.
Seine Commerzbank-Position kaufte Hoffmann vor mehr als drei Jahren, als die Aktien noch für das 0,3-Fache des Buchwerts erhältlich waren. Inzwischen hat sich diese Bewertungskennziffer auf 0,9 verdreifacht. «Grund für den Einstieg war die aggressive Kapitalrückgabestrategie», sagt der Fondsmanager. Die Commerzbank gebe jedes Jahr rund 10% des Kapitals durch Aktienrückkäufe und Dividendenzahlungen zurück, was den Gewinn pro Aktie antreibt. Hinzu kommt die Fantasie über eine Übernahme durch die Unicredit.
Die Aktien des Herstellers von Achsen für Lastkraftwagen-Anhänger SAF-Holland hält Hoffmann, weil die meisten Investoren aus seiner Sicht die Bedeutung des Servicegeschäfts unterschätzen, das deutlich profitabler ist als das Neugeschäft. Im Konjunkturabschwung sei die Konzernmarge relativ stabil, weil nur das margenschwache Neugeschäft zurückgehe. Das KGV beträgt knapp 7, die Dividendenrendite liegt bei 5,6% (von Analysten geschätzt für 2025).
Neu eingestiegen ist der Fondsmanager unter anderem bei zwei Techwerten. Der IT-Anbieter für Banken GFT Technologies sei mit einem von Analysten geschätzten KGV von 13 günstig. Der Gewinn pro Aktie soll bis 2028 jährlich deutlich zweistellig zulegen. Auch Union-Investment-Fondsmanager Reindl hat sich im ersten Quartal neu bei GFT engagiert.
Ausserdem hat FPM-Manager Hoffmann die Kursschwäche beim Halbleiter-Zulieferer Süss MicroTec genutzt, um wieder eine Position aufzubauen.
Bei TUI ist Hoffmann just in dem Quartal eingestiegen, indem Finanzmarktveteran Ehrhardt verkauft hat, was die unterschiedlichen Strategien und Risikoneigungen verdeutlicht.
Bei einem anderen Punkt ist sich Hoffmann mit Ehrhardt jedoch einig. «Jenseits der grössten Börsenwerte wie SAP ist der deutsche Aktienmarkt günstig», sagt Hoffmann. Die einseitige Fixierung der Anleger auf die USA löse sich derzeit. Zudem hofft er auf konjunkturelle Impulse für Europa und insbesondere Deutschland, ausgelöst durch die neue Bundesregierung. Die Ausgangsbasis für deutsche Nebenwerte sei daher besser, als viele denken.