Ein Prominenter hat das Land schon verlassen. Und ein Weltstar ist an seinem neuen Arbeitsplatz sehr unglücklich.
Innert weniger Jahre hat sich die saudische Pro League einen ganz besonderen Ruf erworben. Sie gilt als das Eldorado des Profifussballs. Wer auf hohem Niveau Fussball spielen kann, der braucht nicht einmal einen Spaten, um auf eine Goldader zu stossen – er wird ganz sicher deutlich mehr Geld als anderswo verdienen, auch dann, wenn er seine besten Jahre schon hinter sich hat. Jüngst hat sich Ivan Rakitic der Pro League angeschlossen. Nach dreizehn Jahren in Spanien beim FC Barcelona und dem FC Sevilla wechselt er zu al-Shabab.
Ein Jahr vor ihm ging Cristiano Ronaldo auf die Halbinsel, der in seiner Rolle als Pionier der vielleicht effektivste Öffentlichkeitsarbeiter der saudischen Fussballstrategen ist. Es kamen ebenso der Brasilianer Neymar und der Franzose Karim Benzema, aber auch Kalidou Koulibaly vom FC Chelsea mit seinen Klubkollegen N’Golo Kanté und Édouard Mendy; ebenso Kultfiguren wie der einstige Liverpooler Captain Jordan Henderson.
Benzema ist unmotiviert und klagt über grossen Druck
Die Erzählung von der goldenen Zukunft des saudischen Fussballs allerdings bekommt erste Kratzer. Bei manchen der Protagonisten macht sich Unzufriedenheit breit. Jüngst erst hiess es, dass Karim Benzema das Königreich verlassen wolle, was dieser zwar prompt dementierte. Dass er sich an seiner Wirkungsstätte al-Ittihad allerdings nicht sonderlich wohlfühlt, darf als gesichert gelten, sein Arbeitgeber soll ihm sogar die Option für einen Wechsel innerhalb der Liga eröffnet haben.
Nachdem Benzema zur gegenwärtigen Saison mit viel Tamtam empfangen worden war, enttäuschte er die in ihn gesteckten Erwartungen in Serie. Er wirkte unmotiviert, er kam verspätet aus den Ferien. Sein Trainer Marcelo Gallardo griff zu disziplinarischen Massnahmen und liess ihn allein trainieren. Auf gerade einmal neun Tore kommt der Mann, der mit Real Madrid fünf Mal die Champions League gewonnen hat, bisher – das ist nicht einmal die Hälfte der Treffer, die Cristiano Ronaldo erzielt hat. Dieser erfüllt die Erwartungen seiner arabischen Financiers vollauf.
Benzemas Erklärung für seine trübe Performance klingt abenteuerlich: Der Druck, der auf ihm laste, sei unglaublich gross. Linderung wird es zumindest in diesem Winter nicht geben. Sein Klub hat einen Wechsel inzwischen ausgeschlossen.
Die Causa Benzema ist speziell – und für die Betreiber der Pro League gewiss nicht angenehm. Als der elegante Stürmer seinen Vertrag unterschrieb, war er um grosse Worte nicht verlegen. Er sprach von einer Herausforderung, aber auch davon, dass er sich sehr darauf freue, in einem muslimischen Land spielen zu dürfen, was gerne gehört wurde.
Laporte übt harsche Kritik
Nur ist Benzema mittlerweile nicht der Einzige, der seinen Unmut ausdrückt. Detailliert in seiner Kritik war der spanische Nationalspieler Aymeric Laporte. Der Innenverteidiger, der fünf Jahre lang zum Kader des Champions-League-Siegers Manchester City gehört hatte, wechselte im letzten Jahr zu al-Nassr, wo er ein Teamkollege von Cristiano Ronaldo und Sadio Mané ist. Anders als der 36-jährige Benzema hat er mit seinen 29 Jahren den Zenit noch nicht überschritten.
Laporte trainierte unter Pep Guardiola, er kam also aus einem Milieu, wie es professioneller kaum sein kann. Er beklagte sich in der spanischen Sportzeitung «AS» darüber, dass sich die Klubs zwar um ihre Spieler kümmern würden, doch die Bemühungen seien nicht ausreichend: «Sie müssen sich an ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit gewöhnen und nehmen alles auf die leichte Schulter.» Als er darauf angesprochen wurde, ob er mit dem Gedanken spiele, das Land zu verlassen, sagte er: «Noch ist es nicht so weit, aber in Zukunft könnte es so weit sein, wenn diese Dynamik anhält.»
Laportes Geduld ist jedenfalls noch nicht aufgezehrt. Anders sieht es beim ehemaligen Liverpooler Jordan Henderson aus. Er hatte sich nach dreizehn Jahren in Liverpool dem von Steven Gerrard trainierten Klub al-Ettifaq angeschlossen. Sein Wechsel irritierte, da Henderson sich stets offen für die Belange der schwul-lesbischen Community engagiert hatte. Um deren Rechte ist es in Saudiarabien katastrophal bestellt. Als er zu den Saudi wechselte, geriet er in Erklärungsnot. Henderson rechtfertigte sich, indem er seinen Job zu dem eines kickenden Aktivisten umdeutete, der für die Rechte von Schwulen und Lesben wirbt.
Nun hat Henderson das Land – aus sportlichen Gründen, wie er erklärte – schon wieder verlassen und sich einen Arbeitsort mit ausgesprochen liberalem Ruf ausgesucht: Er hat sich in Amsterdam Ajax angeschlossen. Der Drang, Reissaus zu nehmen, scheint gross gewesen zu sein. Denn Henderson verzichtet nicht bloss auf ein hohes Gehalt. Der niederländische Renommierklub hat mit einem Spitzenteam gegenwärtig nur wenig gemein.
Solche Meldungen irritieren auf den ersten Blick. Schliesslich war der Exodus von Spitzenspielern in die Wüste beispiellos – und äusserst kostspielig. Finanziert durch saudisches Öl, gespeist vom unbändigen Ehrgeiz, international aufzutrumpfen, trieb der neue Mitspieler der europäischen Konkurrenz die Sorgenfalten auf die Stirn. Die Ausgaben für Transfers kratzen mittlerweile an der Milliardengrenze. Die saudische Pro League hat nicht nur einen sportlichen Zweck, sondern auch eine volkswirtschaftliche und sogar geostrategische Funktion.
Die Fussballer sollen die übergewichtigen Saudi animieren
Die Herrscher im Golf wollen ihre Wirtschaft durch Diversifizierung krisenfester aufstellen. Der Sport nimmt in dieser Strategie einen wichtigen Platz ein. Zum einen soll durch die prominenten Zuzüge das Selbstbewusstsein der Herrscher nicht nur in der Region, sondern auch im Westen wahrgenommen werden. Und nebenbei sollen die Profisportler gewissermassen Animateure für das saudische Publikum sein: Der Anteil der übergewichtigen Menschen im Königreich ist hoch. Sport, so der Gedanke der Machthaber, dürfte der Volksgesundheit zugutekommen.
Für Erleichterung dürfte die Irritation im Fussball-Wunderland in Europa daher nicht sorgen. Die Saudi haben finanziell einen langen Atem. Ihre Entschlossenheit, international nicht bloss mitzuspielen, sondern auch die Regeln mitzubestimmen, ist gross.