Der Protektionismus zeigt Wirkung – aber nicht im Sinne seiner Erfinder: Laut Währungsfonds dürften die USA unter den Zöllen besonders leiden, etwa aufgrund schwindender Produktivität und steigender Inflation.
Der starke Anstieg der Zölle und der Unsicherheit wird in naher Zukunft zu einer erheblichen Verlangsamung des weltweiten Wachstums führen. Das ist die schlechte Nachricht des jüngsten «World Economic Outlook» des Internationalen Währungsfonds (IWF). Die gute Nachricht lautet: Eine Rezession ist gemäss den Prognosen des IWF nicht zu befürchten.
Amerika verliert an Produktivität
Der Währungsfonds schätzt das globale Wachstum für dieses Jahr auf 2,8 Prozent und für 2026 auf 3 Prozent. Noch im Januar hatte die Prognose für beide Jahre bei 3,3 Prozent gelautet. Damit dürfte die Weltwirtschaft auf absehbare Zeit klar unterdurchschnittlich wachsen. So hatte die Expansion zwischen 2000 und 2019 im Schnitt bei 3,7 Prozent gelegen.
Die Prognose berücksichtigt alle bis zum 4. April angekündigten Zölle sowie die Gegenmassnahmen anderer Länder in diesem Zeitraum. Die von Donald Trump am 2. April im Rose Garden vorgestellten Zölle sind somit enthalten, nicht aber die am 9. April für 90 Tage verfügte Zollpause und die auf prohibitive Niveaus angehobenen Zölle gegenüber China.
Die einzelnen Länder sind von Amerikas Zöllen unterschiedlich betroffen. Besonders stark sind die Auswirkungen in den USA selbst. So erleide das Land nun einen negativen Angebotsschock, schreibt der IWF. Dies deshalb, weil Ressourcen umgeleitet würden in die Herstellung von weniger wettbewerbsfähigen Produkten. Das führe zu einer geringeren Gesamtproduktivität und zu höheren Produktionspreisen.
Die Wachstumsprognose für die USA wird für dieses Jahr von 2,7 auf 1,8 Prozent gesenkt. Von der Korrektur um 0,9 Prozentpunkte entfallen 0,4 Prozentpunkte auf Zölle. Die Inflationsprognose wird derweil von 2 auf 3 Prozent angehoben. Damit entfernt sich die Teuerung weg vom 2-Prozent-Ziel. Insofern ist es verständlich, dass sich die Zentralbank gegen Trumps lauter werdende Forderung nach Zinssenkungen wehrt.
Euro-Raum hinkt den USA hinterher
Der Euro-Raum dürfte mit 0,8 Prozent nicht einmal halb so stark wachsen wie die USA. Für das kommende Jahr wird hingegen trotz Zöllen mit einer leichten Beschleunigung auf 1,2 Prozent gerechnet. Als Gründe nennt der IWF einen stärkeren Konsum aufgrund steigender Reallöhne sowie die sich abzeichnende Lockerung der Fiskalpolitik in Deutschland, wo man die Schuldenbremse nicht länger einhalten will.
Mit Blick auf den Welthandel zeichnet sich zwar keine Stagnation oder Schrumpfung ab. Der IWF rechnet allerdings damit, dass sich dessen Wachstum in diesem Jahr auf 1,7 Prozent verlangsamen wird. Damit würde das Wachstum des Handels deutlich stärker sinken als jenes der Gesamtwirtschaft. Denn noch Anfang Jahr hatte der IMF für den Welthandel eine starke Expansion um 3,2 Prozent in Aussicht gestellt.