Der Mann war schon 2011 ausgewiesen worden und verschwieg dem Migrationsamt eine neue Verurteilung in Albanien.
Die Anklage umfasste 23 Seiten: Ursprünglich waren zwölf verschiedene Gesetzesartikel eingeklagt. Das Hauptdelikt trug sich in der Nacht auf den 31. August 2021 im Industriegebiet von Dietlikon zu: Zwei Einbrecher stahlen zunächst in einer Autoreparaturwerkstätte eine Autogen-Schweissanlage. Sie zogen diese in einem Transportwägelchen mit zwei E-Trottinetten zu einem wenige hundert Meter entfernten Bancomaten.
Dort leiteten sie ein Sauerstoff-Acetylen-Gemisch in den Apparat ein, entzündeten dieses und sprengten den Automaten um 3 Uhr morgens in die Luft. Gemäss Anklage hatte der Feuerball einen Durchmesser von zehn Metern. Es entstand ein Sachschaden von 69 000 Franken. Die im Sockel befindlichen Geldkassetten hielten der Explosion allerdings stand. Deshalb flüchteten die Täter ohne Beute.
Einer der beiden Männer konnte identifiziert werden: Am Drehverschluss des Mischventils der Schweissanlage wurde DNA eines heute 48-jährigen kosovarischen Familienvaters gefunden, der nun als Beschuldigter vor dem Zürcher Obergericht sitzt. Das Bezirksgericht Bülach hatte ihn wegen Verursachens einer Explosion und zahlreicher weiterer Delikte im Juni 2023 zu einer Freiheitsstrafe von 64 Monaten und 14 Jahren Landesverweis verurteilt.
«Wir brauchen in der Schweiz schlichtweg keine Bancomaten-Sprenger», hatte der vorsitzende Bezirksrichter bei der Urteilseröffnung erklärt.
Beschuldigter zweifelt DNA-Analyse an
Vor Obergericht fordert der Beschuldigte einen vollumfänglichen Freispruch und eine Genugtuung für die erlittene Haft. Er sei unschuldig. «Die Vorwürfe stimmen nicht», sagt er. Er gehe davon aus, dass die sichergestellte DNA an der Schweissanlage nicht seine DNA sei, und er habe «keine Ahnung», wie die DNA dorthin gekommen sei.
Der Beschuldigte wurde in Kosovo geboren und kam 1989 im Alter von 13 Jahren in die Schweiz. Er machte eine Anlehre, liess sich nie einbürgern, ist seit 2005 arbeitslos und delinquierte immer wieder. Im Jahr 2011 wurde er ausgewiesen, obwohl er eine Familie und Kinder in der Schweiz hat, und mit einer Einreisesperre von 5 Jahren belegt. Bis dahin hatte er mit verschiedensten Verurteilungen Freiheitsstrafen von gesamthaft 40 Monaten kumuliert.
2016 stellte seine in der Schweiz verbliebene Ehefrau ein Gesuch um Familiennachzug, und er bekam wieder eine Aufenthaltsbewilligung. Dabei hatte der Mann den Behörden allerdings verschwiegen, dass er in der Zwischenzeit in Albanien im Jahr 2012 wegen Schmuggels von 110 Kilogramm Haschisch zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 8 Monaten verurteilt worden war.
Dies ist als «Täuschung von Behörden» angeklagt. Aufgrund eines Fehlers des Migrationsamts wurde dem Mann die Einreise in die Schweiz 2016 im Rahmen des Familiennachzugs wieder gewährt, was bei Kenntnis der Strafe in Albanien nicht der Fall gewesen wäre. So lebte er ab Oktober 2016 wieder offiziell in Zürich.
Vor Obergericht erklärt der Beschuldigte dazu, er habe nicht gewusst, dass er diese Vorstrafe im Gesuch hätte angeben müssen. Er sei davon ausgegangen, dass die Schweizer Behörden gewusst hätten, dass er in Albanien im Gefängnis gewesen sei. In Kosovo sei er nie verurteilt worden. Er habe gemeint, er müsse nur ankreuzen, ob er in Kosovo verurteilt worden sei.
«Mit allen Wassern gewaschen»
Der Staatsanwalt, welcher den Beschuldigten vor Vorinstanz als «einen mit allen Wassern gewaschenen Berufskriminellen» bezeichnet hatte, beantragt in seinem Plädoyer eine Erhöhung der Freiheitsstrafe auf 73 Monate. Der Landesverweis sei zu bestätigen. Der Beschuldigte habe sein Aufenthaltsrecht in der Schweiz endgültig verspielt. Zudem besitze er in Kosovo ein stattliches 12-Zimmer-Haus. «Danke schön, es reicht, er soll jetzt gehen!», erklärt der Ankläger.
Der Verteidiger zieht unter anderem die Auswertung der DNA-Spurenanalyse in Zweifel und plädiert auf einen vollumfänglichen Freispruch sowie das Absehen von einem Landesverweis, selbst bei einer Verurteilung. Es handle sich um einen Härtefall. Die gesundheitliche Versorgung des Beschuldigten, der an mehreren chronischen Krankheiten leidet, in Kosovo sei nicht gewährleistet.
Die Oberrichter sind wieder einmal in der Stimmung, die anwesenden Journalisten und Zuschauer ein bisschen zu ärgern. Obwohl das Urteil – gemäss Datum – noch am gleichen Tag gefällt wird, verzichten sie auf eine mündliche Urteilseröffnung und stellen den Gerichtsreportern Tage später das noch unbegründete schriftliche Dispositiv zu.
Daraus geht hervor, dass der 48-jährige Kosovare erneut wegen Verursachung einer Explosion, Täuschung der Behörden und zahlreicher weiterer Delikte in insgesamt zehn Anklagepunkten schuldig gesprochen wird. Die Freiheitsstrafe wird von 64 Monaten auf 66 Monate erhöht. Davon sind zum Urteilszeitpunkt 1138 Tage durch Untersuchungshaft und vorzeitigen Strafvollzug erstanden. Die Dauer des Landesverweises wird von 14 Jahren auf 10 Jahre reduziert.
Urteil SB240114 vom 14. 2. 2025, noch nicht rechtskräftig.