Daniel Rohr kritisiert, um Subventionen zu erhalten, müsse er sein Programm künftig so gestalten, dass es die Kriterien des Fördersystems erfülle.
Es läuft gut für das Theater Rigiblick. Bis in den Juni hinein sind die meisten Vorstellungen ausverkauft. Das Stadtzürcher Theater mit 200 Plätzen ist erfolgreich, es hat eine Auslastung von 90 Prozent. Zum Vergleich: Das viel grössere Schauspielhaus war im Spieljahr 2023/24 nur zur Hälfte ausgelastet.
Noch etwas unterscheidet die beiden Bühnen. Das Schauspielhaus erhält jedes Jahr unbefristet fast 40 Millionen Franken Subventionen. Beim Theater Rigiblick sind es viel weniger, rund 600 000 Franken – befristet. Die kleine Bühne gehört im neuen und höchst umstrittenen Fördersystem für Tanz und Theater zum «flexiblen Teil». Das bedeutet, es erhält während sechs Jahren Subventionen.
In der ersten Vergaberunde des neuen Fördersystems für die Bereiche Tanz und Theater hat die Stadt insgesamt 3,9 Millionen Franken an neun Institutionen gesprochen. Bis zum Jahr 2029 sind die Beiträge gesichert.
Das neue Konzept sollte für mehr Innovation in der Zürcher Theaterszene sorgen. Gebracht hat es aber vor allem Unruhe. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe.
Erstens haben sämtliche Institutionen, die befristete Subventionen erhalten, weniger Geld erhalten als beantragt. Zweitens ärgern sich viele Theater über die Kriterien, um Subventionen zu erhalten. Wichtig sind im neuen System etwa Nachhaltigkeit, Inklusion, Teilhabe und Vernetzung.
Der Diversity-Kurs der städtischen Kulturabteilung führte jüngst zu einem kuriosen Fall: Die Stadt lehnte Fördergelder für ein Theaterstück ab, weil ein Schauspieler ein «white passing cis-Mann» sei – also eine Person, die «als weiss gelesen» werde.
Ähnlich erging es dem Kleintheater Keller 62, als es im Rahmen des neuen Fördersystems um Subventionen ersuchte. Die Jury kritisierte unter anderem, das Konzept des Kleintheaters sei «nicht gendergerecht», und strich ihm die Gelder. Auch das Gesuch des Theaters Stok wurde abgelehnt. Beide Institutionen haben vorübergehend Abfederungsbeiträge erhalten, um sich neu aufstellen zu können.
«Eingriff in die Kunstfreiheit»
Die gestrichenen Subventionen bringen beide Häuser in eine finanziell schwierige Lage – doch sie haben nicht vor, aufzugeben. Das Theater Stok feierte Anfang April den 55. Geburtstag und teilte der NZZ mit, eine Gruppe wolle das Theater nächstes Jahr übernehmen, damit es eine Zukunft habe. Der Keller 62 ist ans Bundesgericht gelangt, um doch noch in den Genuss der Subventionen zu kommen. Das Urteil steht noch aus.
Auch der Leiter des Theaters Rigiblick, Daniel Rohr, ist juristisch gegen die Stadt vorgegangen. Er verlangte vor dem Verwaltungsgericht, ihm seien die beantragten Subventionen in Höhe von knapp 900 000 Franken auszuzahlen – und kritisierte das Gutachten, das die für die Konzeptförderung zuständige Jury erstellt hatte.
Die Jury lobte in ihrem Gutachten zwar die «bedeutende Position innerhalb der Zürcher Tanz- und Theaterlandschaft» sowie die «Dichte der öffentlichen Veranstaltungen im Haus und die konstant hohen Zuschauer*innenzahlen».
Sie kritisierte aber, dass das von Daniel Rohr eingereichte Konzept in Bezug auf grundlegende Förderkriterien wie Nachhaltigkeit, Innovation und Inklusion «Leerstellen» aufweise. Zudem zeige es kaum Kooperationen mit anderen Häusern auf.
Vor dem Verwaltungsgericht kritisierte Rohr insbesondere zwei Dinge: Die Jury sei befangen, weil sie aus Mitgliedern der Tanz- und Theaterszene bestehe. «Diese Szene ist klein, und man schanzt sich gegenseitig Aufträge zu», sagt Rohr gegenüber der NZZ. Zudem kämen die Kriterien, um Fördergelder zu erhalten, einem Eingriff in die Kunstfreiheit gleich. «Nachhaltigkeit und Inklusion sind keine künstlerischen, sondern politische Massstäbe.»
Nun hat das Gericht Rohrs Beschwerde abgelehnt. Im kürzlich publizierten Urteil hält es fest, der Entscheid der Jury beruhe auf einer Gesamtwürdigung und werde im Wesentlichen damit begründet, dass die beantragten Gelder im Verhältnis zu den anderen Konzepten und dem Gesamtkredit zu hoch seien. Die Kriterien der Jury entsprächen dem in der Verordnung festgesetzten Vorgehen.
Auch einen Eingriff in die Kunstfreiheit erkennt das Gericht nicht. Rohrs Vorwurf, der Zweck der Konzeptförderung sei eine «inhaltliche Kontrolle», sei unbegründet: «Weder in den Dokumenten der Jury noch in der Beurteilung des Stadtrats findet sich eine inhaltliche Bewertung der (. . .) gezeigten Darbietungen.»
Linke wollen Subventionen «substanziell» erhöhen
Rohr ist vom Urteil des Verwaltungsgerichts enttäuscht. Er hat es akzeptiert und verzichtet auf einen Weiterzug ans Bundesgericht. Doch er schaut mit einem unguten Gefühl auf die nächste Förderperiode. Um Subventionen zu erhalten, müsse er sein Programm künftig so gestalten, dass es die Kriterien des Fördersystems erfülle.
Das sei auch bei den anderen Theatern der Fall, die befristete Fördergelder erhielten, sagt Rohr. Er hält den Ansatz für falsch. Schliesslich stosse das Konzept des Theaters Rigiblick bei den Zuschauern auf grosses Interesse – «obwohl wir nach Ansicht der Jury nicht alle Kriterien so erfüllen, wie sich das die Stadt wünscht».
Mit der Konzeptförderung sei genau das Gegenteil von dem eingetreten, was die Stadt gewollt habe: Der Kontakt zwischen den Theatern sei völlig eingeschlafen, der Konkurrenzdruck sei enorm.
Die Stadtzürcher Politik hat sich mehrmals mit dem neuen Subventionssystem beschäftigt. Im Stadtparlament forderte die linke Mehrheit, die Subventionen «substanziell» zu erhöhen, weil die gesprochenen Gelder nicht ausreichten – und Stadtpräsidentin Corine Mauch als oberste Kulturchefin erklärte damals, der Stadtrat sei diesem Anliegen gegenüber «offen», weil es mehr Investitionen in die Kultur ermögliche.
Voraussichtlich im Sommer 2028 können die Theater Gesuche für die nächste Sechsjahresperiode einreichen. Die Diskussion um das Fördersystem dürfte allerdings früher neuen Schub bekommen, denn Stadtpräsidentin Corine Mauch verzichtet auf eine weitere Amtszeit. Das bedeutet auch: Ab nächstem Frühling liegt die Verantwortung für die Zürcher Kulturpolitik in der Hand ihres Nachfolgers – oder ihrer Nachfolgerin.