Das Hin und Her des US-Präsidenten stiftet Verunsicherung, die waghalsige US-Zollpolitik erhöht die Rezessionsgefahr. Und dennoch befindet sich der Dollar im Sinkflug – weshalb?
Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Noch Ende 2024 war allen klar, der neue Präsident Donald Trump werde den USA frischen Schwung verleihen. Unter grosser Vorfreude haussierten die Aktienmärkte, die Stimmung unter Anlegern und Arbeitern war ausgezeichnet.
Nur wenige Monate später folgt die Ernüchterung. Die chaotische und aggressive US-Handels- und Zollpolitik sorgt für gewaltige Verunsicherung. Die wichtigsten US-Börsenbarometer handeln deutlich unter ihren Höchstständen, die Angst vor einem Abschwung hat zugenommen.
Der Dollar wird plötzlich verschmäht
In einem solchen Umfeld erhöhter Nervosität stehen sichere Häfen hoch im Kurs. Typischerweise gehörten US-Staatsanleihen und der Dollar zu diesen Vermögenswerten. Doch alle drei Anlageklassen – Aktien, Anleihen und der Dollar – stehen seit Monaten unter Druck.
Gemessen am Dollarindex, der den Aussenwert der US-Valuta gegenüber sechs Währungen abbildet, verlor der Greenback im April so viel an Wert wie noch kaum je in den vergangenen 55 Jahren. Vom 1. bis zum 21. April büsste der DXY satte 5,5% an Wert ein – bloss in sieben Monaten seit 1970 schnitt der Index schlechter ab. Seit Jahresbeginn hat sich der Index um 8,5% abgeschwächt. Immerhin: Gestern Dienstag kam es zu einer gewissen Gegenbewegung.
Frühere Krisen wie die Asienkrise, die Finanzkrise 2008 sowie die Pandemie waren von einer Aufwertung des Dollars begleitet. Wie ist diese unübliche Schwäche zu erklären?
Ein Grund sind die Importzölle, die dazu geführt haben, dass sowohl die Stimmung der Konsumenten als auch der Unternehmensführer stark gelitten hat. Die Gefahr ist beträchtlich, dass sie zu höheren Preisen in den USA führen werden, was die Konjunktur belasten dürfte.
Die Nachrichten, Donald Trump werde den Vorsitzenden der US-Notenbank (Fed), Jerome Powell, entlassen und durch einen genehmen Ja-Sager ersetzen, war ebenfalls nicht gerade vertrauensfördernd. Der US-Präsident machte deutlich, dass er vom Fed aggressive Leitzinssenkungen erwartet – damit würde der Zinsvorsprung zu anderen Valuten schwinden. Die gestrige Kehrtwende, als Trump auf die Frage eines Journalisten antwortete, er «habe nicht die Absicht, ihn zu entlassen», sorgte zwar für eine Erholung beim Dollar, verstärkt jedoch nur die Zweifel an der Kompetenz der Regierung.
Ausländer nehmen Reissaus
Den Hauptgrund sieht Louis-Vincent Gave von Gavekal Research indes in den jüngsten Drohungen aus den USA, ausländische Beteiligungen an US-Finanzanlagen zu besteuern.
So sollen Länder, um vom sicherheitspolitischen Schutzschirm der USA zu profitieren, zinslose Century Bonds erwerben, bzw. ihre derzeitigen Bestände an verzinsten Staatsanleihen gegen nicht verzinste Jahrhundertanleihen eintauschen. Damit würde sich die Zinslast der USA verringern, und die langfristigen Treasury-Renditen würden fallen.
Auch das Risiko, enteignet zu werden, verringert die Attraktivität von US-Vermögenswerten. So drohte Trump dem kolumbianischen Präsidenten im Januar mit der Beschlagnahmung kolumbianischer Vermögenswerte in den USA, falls dieser sich Trumps Abschiebediktat widersetzen würde.
Wer kann es da ausländischen Anlegern verübeln, wenn sie vermehrt einen Bogen um die USA machen?