Eine namhafte Delegation aus der Schweiz reist an eine Tagung des IWF, parallel finden Gespräche mit amerikanischen Regierungsvertretern statt. Der Höhepunkt: Die Finanzministerin trifft ihren Amtskollegen Scott Bessent.
Zwei Bundesräte, drei Staatssekretärinnen, ein Sondergesandter: Es ist ein regelrechtes All-Star-Team, das die Schweiz diese Woche in Washington vertritt.
Dort finden am Mittwoch und Donnerstag die Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank sowie parallel ein Treffen der G-20-Finanzminister statt. Seitens des Bundesrats werden Wirtschaftsminister Guy Parmelin sowie Finanzministerin und Bundesratspräsidentin Karin Keller-Sutter teilnehmen. Die Staatssekretärinnen Helene Budliger Artieda, Daniela Stoffel und Martina Hirayama sind ebenfalls in Washington, genauso wie der neue Sondergesandte für die USA Gabriel Lüchinger.
Am wichtigsten dürften jene Termine sein, die ausserhalb des offiziellen Rahmens stattfinden.
Trumps Mann für die Zugeständnisse
Wen die Schweizer Delegation in Washington alles treffen wird, ist nicht bekannt. Klar ist jedoch: Karin Keller-Sutter hat einen Termin mit dem amerikanischen Finanzminister Scott Bessent.
Seit die US-Regierung die Strafzölle für 90 Tage ausgesetzt hat, wollen alle mit Bessent reden. Er ist dafür zuständig, von den Handelspartnern Zugeständnisse einzufordern – etwa Zollsenkungen oder Programme zum Kauf von amerikanischen Gütern, damit das von Donald Trump gefürchtete Handelsbilanzdefizit der USA möglichst verschwindet.
Vergangene Woche schwärmte Bessent, wie erfolgreich die Verhandlungen voranschritten. Er habe gute Gespräche mit den Regierungsvertretern Japans gehabt, sich mit den EU-Verhandlern ausgetauscht, und auch Südkorea und Indien hätten sich offen gezeigt. Am Dienstag sagte Bessent an einer Investorenkonferenz der amerikanischen Bank JP Morgan, dass er sogar eine Entspannung mit China erwarte.
Keller-Sutter dürfte beim Treffen mit Bessent betonen, wie stark Schweizer Firmen heute schon investieren. Sie könnte Bessent zudem aufzeigen, wie viel Geld Schweizer Unternehmen in den vier Jahren von Trumps Amtszeit zusätzlich investieren wollen. Laut der «NZZ am Sonntag» könnten es 150 Milliarden Dollar sein, die Keller-Sutter als Ziel ausgeben wird. Zwei wichtige Firmen haben ihre Pläne bereits verkündet: Novartis will 23, Roche 50 Milliarden Dollar in den USA investieren.
Bessent dürfte diese Argumente schon kennen. Denn die Schweiz hat auf unterschiedlichen Ebenen bereits Kontakt mit der amerikanischen Regierung aufgenommen. Helene Budliger Artieda, die Chefin des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco), reist bereits zum dritten Mal diesen Frühling nach Washington. Anfang April hat Karin Keller-Sutter zudem mit dem US-Präsidenten höchstpersönlich telefoniert. Kevin Hassett, Trumps führender Wirtschaftsberater, sprach anschliessend von einem höchst sympathischen Austausch.
Bürgerliche sind optimistisch
Das Ziel der Bemühungen: Der «reziproke» Zollsatz von 31 Prozent, den die Trump-Regierung ursprünglich über Importe aus der Schweiz verhängt hat, soll aufgehoben werden. Bürgerliche Politiker sind hoffnungsvoll, dass das Treffen in Washington dazu beitragen kann.
Der SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel erwartet, dass die Schweizer Vertreter bei den unterschiedlichen Treffen in gemeinsamer Absprache auftreten: «Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für Alleingänge und persönliche Inszenierungen.» Trump verstehe sich als Dealmaker, er wolle seiner Bevölkerung konkrete Ergebnisse präsentieren. Ein Schweizer Investitionsziel könne dazu beitragen, sagt Büchel – auch wenn die Bundesrätin damit eigentlich flunkern müsste. «Denn ob und wie viel sie in den USA investieren wollen, entscheiden nicht Politiker, sondern Firmen.»
Auch die Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter sagt, Keller-Sutter solle in Washington die Investitionen von Schweizer Unternehmen nochmals klar platzieren.
Der SP-Nationalrat Fabian Molina hingegen hält es für einen strategischen Fehler, der amerikanischen Regierung jetzt mit Investitionsplänen entgegenzukommen: «So kommt Trump mit erpresserischen Methoden zu seinem Ziel.» Die letzten Wochen hätten bewiesen, dass Schweizer Regierungsvertreter und die Bürgerlichen das Verhältnis zu den USA falsch einschätzten. «Sie sagten immer, wie gut der Draht zu den Amerikanern sei – und doch wurde die Schweiz hart bestraft.»
Ständige Kehrtwenden
Viel Zeit für Zweisamkeit mit Scott Bessent dürfte Karin Keller-Sutter aber nicht bekommen. Sie ist nicht die einzige Finanzministerin, die mit dem amerikanischen Amtskollegen sprechen möchte.
Die Vorzeichen für einen Deal mit den USA stehen tatsächlich besser als auch schon. In der amerikanischen Regierung rumort es, nachdem die extreme Zollstrategie den Anleihenmarkt ins Wanken gebracht hat. Trump will handelspolitische Siege einfahren, keinen Wirtschaftskollaps verantworten. Gemässigte Stimmen wie Bessent scheinen daher derzeit Oberwasser zu haben gegenüber den radikalen Handelskriegern wie Peter Navarro.
Die brave Schweiz, die sich gegen den willkürlichen 31-Prozent-Exportzoll nicht gewehrt hat, wäre prädestiniert für eine Übereinkunft unter Freunden. Doch in Washington können sich die Dinge sehr rasch ändern. In drei Monaten im Amt hat Trump so viele Kehrtwenden gemacht, dass es jedem Beobachter schwindlig wird. In der Vergangenheit hat die Schweiz schon oft auf ihre guten Beziehungen zur grossen «Schwesterrepublik» gesetzt – und wurde ebenso oft enttäuscht.
Doch das Motto des All-Star-Teams scheint zu lauten: Wer nicht verhandelt, hat sowieso schon verloren.