Die USA wollen den Krieg auf eine Weise beenden, die Russland zum grossen Gewinner macht und die Ukraine schwächt. Das ist nicht im amerikanischen Interesse – aber erst recht nicht im europäischen: Nun braucht die Ukraine umso tatkräftigere Hilfe aus Europa.
Der amerikanische Präsident Donald Trump beklagt sich darüber, dass für ihn der Umgang mit der Ukraine viel schwieriger sei als derjenige mit Russland. Erstaunen sollte dies jedoch niemanden. Denn Trump zeigt bei seiner Vermittlungstätigkeit eine geradezu groteske Einseitigkeit. Während er den Ukrainern schmerzhafte Zugeständnisse abgerungen hat und ihnen weitere abpressen will, kann er bis jetzt keine einzige echte Konzession der Russen vorweisen.
Der in den letzten Tagen durchgesickerte «Friedensplan» der USA ist für den Kreml extrem vorteilhaft. Russland wäre im Rahmen einer solchen Vereinbarung der grosse Kriegsgewinner, ohne sich den Weg zu weiteren Eroberungszügen zu verbauen. Die Ukraine müsste nicht nur den Verlust von fast zwanzig Prozent ihres Territoriums akzeptieren. Sie verlöre auch jede reale Aussicht darauf, diese Gebiete irgendwann auf diplomatischem Weg zurückzugewinnen. Denn Trump will die Wirtschaftssanktionen gegen Russland aufheben und hochfliegende Geschäftsideen mit Moskau verwirklichen. Er würde damit das letzte amerikanische Druckmittel beseitigen, nachdem er bereits die Bewilligung von neuer Militärhilfe an die Ukraine gestoppt hat.
Fatale Kehrtwende in der Krim-Frage
Obendrein bietet Trump an, die besetzte Halbinsel Krim formell als russisches Staatsgebiet zu anerkennen. Putins Landraub erhielte damit einen völkerrechtlichen Persilschein. Dies wäre nicht nur ein gravierender taktischer Fehler, sondern auch eine Abkehr von einem Grundprinzip amerikanischer Aussenpolitik der letzten hundert Jahre. Seit der Stimson-Doktrin von 1932 hatten republikanische und demokratische Präsidenten klargemacht, dass Amerika keine durch Aggressionskriege erzwungenen Grenzverschiebungen akzeptiert. Die Annexion der baltischen Staaten durch die Sowjetunion im Jahr 1940 beispielsweise wurde von den USA nie anerkannt – bis diese Republiken 1991 ihre Freiheit wiedererlangten.
Trump missachtet auch die Krim-Deklaration seiner eigenen Regierung vom Juli 2018, die das Prinzip der territorialen Integrität als Grundlage der internationalen Stabilität betonte. Landet es auf dem Abfallhaufen der Geschichte, so wird dies Potentaten rund um die Welt zu Eroberungskriegen ermuntern – eine Entwicklung, die nicht im amerikanischen Interesse sein kann.
Was erhielte die Ukraine in einer solchen Vereinbarung im Gegenzug? Fast nichts. Für die Ukraine besteht die zentrale Frage darin, wie sie sich gegen künftige russische Angriffe wehren kann. Ein Einfrieren des Krieges entlang der jetzigen Frontlinien, wie es Washington vorschlägt, bringt keinen echten Frieden, sondern nur eine vorläufige Verschnaufpause. Der Kreml würde sie zur weiteren Aufrüstung nutzen; daraus macht er kein Geheimnis. Entscheidend ist daher, in dieser Zeit die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine zu stärken. Trump scheint zu glauben, dass Putin ein mit ihm unterzeichnetes Stück Papier honorieren würde. Aber angesichts der Dutzende von Abkommen und Zusicherungen, die der Moskauer Diktator gebrochen hat, ist diese Haltung naiv. Kein «Trump-Deal», sondern nur handfeste Sicherheitsgarantien für die Ukraine werden Russland von weiteren Invasionen abhalten.
Der amerikanische Friedensplan ignoriert dieses Problem. Er enthält keine konkreten Schutzzusagen und schliesst die beste Sicherheitsgarantie sogar explizit aus: Der Weg der Ukraine in die Nato soll dauerhaft blockiert werden. Über amerikanische Militärhilfe schweigt sich der Plan aus. Der Hinweis auf eine europäische Schutztruppe ist wenig wert, weil eine solche Truppe ohne amerikanischen Rückhalt entweder nie zustande kommen wird oder zum Scheitern verurteilt ist.
Die Ukraine droht zum Sündenbock zu werden
Der ukrainische Widerstand gegen eine so einseitige Vereinbarung ist daher verständlich. Zu Recht verlangt Kiew, dass Moskau als ersten Schritt wenigstens einem Waffenstillstand zustimmt. Ohne eine solche Geste des Friedenswillens ist der amerikanische Plan auf Sand gebaut. Trump behauptet, eine Einigung mit Russland in der Hand zu haben, doch in Wirklichkeit ist nichts Zählbares erkennbar.
Wie geht es nun weiter? Möglicherweise spielt Putin seine Rolle in dem üblen Spiel weiter, lässt die Waffen dem Schein nach für eine Weile schweigen und kassiert dafür die Vorteile von Trumps Friedensplan ein. Mindestens so wahrscheinlich ist aber, dass die Amerikaner nur eine Ausrede suchen, um die Ukrainer für das Scheitern verantwortlich zu machen und sie ihrem Schicksal zu überlassen.
Für Europa ist das Problem damit aber nicht gelöst. Allem Friedensgerede zum Trotz sind die Sicherheitsrisiken in Europa seit Trumps Machtantritt stark gewachsen. Der Kontinent sieht sich einem Amerika gegenüber, das nicht bloss eine fairere Lastenteilung in der transatlantischen Allianz anstrebt. Trump macht die USA vielmehr zum Gegenspieler, der sich wie ein heimlicher Verbündeter Russlands gebärdet, im Zollstreit mutwillig Europas Prosperität schädigt und dessen Sicherheit untergräbt.
Entscheidend ist daher nun, der Ukraine umso tatkräftiger beizustehen – im ureigenen Sicherheitsinteresse Europas. Ein fauler Friede nach Trumps Vorstellungen wird die russische Gefahr nicht bannen. Dass Putins Bildungsberater bereits angekündigt hat, den Vermittler Trump in Russlands Schulbüchern zu feiern, braucht niemanden zu erstaunen. Wichtiger ist die Frage, welchen Platz diese kritische Phase dereinst in Europas Geschichtsbüchern einnehmen wird. Europas Führungsnationen, aber auch kleinere Länder wie die Schweiz, haben nicht mehr lange Zeit, die richtigen Antworten darauf zu liefern.